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2003-02-20

summer of repression: ein Überblick über die Verschärfung staatlicher Repression 2001

Einleitung

...vor dem 11. September

...und danach

Göteborg, 17. Juni 2001: Die Polizei schießt mit scharfer Munition auf Protestierende gegen den EU-Gipfel. Ein 19jähriger schwebt wochenlang in Lebensgefahr. Die Verletzten und andere willkürlich Herausgegriffene landen in Untersuchungshaft und werden zu Haftstrafen verknackt. Nach dem Gipfel schlägt Bundesinnenminister Schily „Sicherheitskonzepte“ wie Reiseverbote für „Polit-Hooligans“ vor. Darüber, die Cops nicht mehr mit scharfen Knarren auf Demos zu schicken, wird nicht verhandelt. Bereits die Einreise nach Schweden gestaltete sich schwierig, zahlreichen AktivistInnen wurde die Einreise verweigert.

Genua, 20. Juli: Carlo Giuliani wird von Carabinieri erschossen und dann von ihrem Fahrzeug überrollt. Es sei Notwehr gewesen, heißt es, da Carlo einen Feuerlöscher auf das Polizeifahrzeug habe werfen wollen. Zwei Tage später stürmt die Polizei die Unterkunft des Genova Social Forum (GSF) unter dem Vorwand, hier befänden sich Mitglieder des „schwarzen Blocks“, den die italienische Regierung und Öffentlichkeit für eine internationale Terrororganisation hält. Die Polizei geht so brutal vor, dass es erstaunlich ist, dass es keine Toten gab. Die Leute in der Schule werden alle verhaftet, viele sind erheblich verletzt, müssen ins Krankenhaus. Die anderen kommen sofort in die Polizeikaserne Bolzaneto, wo sie tagelang Alleinsein, Ungewissheit, Prügel, Erniedrigungen, Schmerzen, Folter ertragen müssen. Viele ItalienerInnen sind geschockt, verstehen nicht, was in ihrem Land passiert, haben – sechs Wochen nach Berlusconis Amtsantritt - Angst vor der Rückkehr des Faschismus. Aber nicht nur Berlusconi rechtfertigt die Brutalität der Cops. Schröder forderte noch nach Carlos Tod, der Gewaltanwendung der Demonstrierenden (!) müsse „mit aller Härte von der Polizei begegnet werden“. Den Militanten müsse „mit allen Konsequenzen deutlich“ gemacht werden, wo die Grenzen seien. Im Vorfeld des Gipfels hatten etliche Deutsche Post vom BKA bekommen mit der Auflage, sich täglich bei der Polizei zu melden. Es handelt sich angeblich um gewaltbereite Linksextreme.

2001

New York, 11. September: Zwei entführte Passagiermaschinen werden in die beiden Türme des World Trade Center geflogen, die kurz darauf zusammenbrechen. Ein weiteres Flugzeug setzt das US-Verteidigungsministerium Pentagon in Washington DC in Brand. Schnell wird verkündet, dass islamische Fundamentalisten um Osama bin Laden verantwortlich seien. Amerika und die Welt reagieren geschockt, betroffen, es ist aber auch viel vom Angriff auf die „zivilisierte Welt“ und von Rache die Rede. Auch in Europa geht die Angst um vor weiteren Anschlägen. MigrantInnen aus dem arabischen Raum unterliegen einem Generalverdacht, werden auf der Straße beschimpft oder angegriffen.

Nach dem 11. September werden sich alle vorher kontrovers diskutierten Repressionsmaßnahmen in verschärfter Form problemlos durchsetzen lassen - unter Hinweis auf Terrorismusbekämpfung. Treffen wird dies MigrantInnen, aber auch eine Anti-Globalisierungsbewegung, die Genua noch nicht verarbeitet hat, keine angemessene Antwort auf den 11. September weiß und plötzlich eine marginale Position einnimmt, während die Öffentlichkeit wenig über Globalisierungskritik und viel über Repression und law and order nachdenkt.

Nach Genua bedürfen folgende Komplexe dringender Aufarbeitung:

* Unterstützung und Solidarität mit denen, die nach wie vor in italienischen (und schwedischen und tschechischen) Knästen sitzen, und denen unter absurden Vorwänden krasse Haftstrafen drohen.
* Umgang mit staatlicher Repression mittels Polizeigewalt bis hin zum Schusswaffengebrauch, elektronischer Datenverarbeitung, Beeinflussung der Presse und der öffentlichen Meinung mit dem Ziel der Spaltung der Bewegung, Einsatz von Provokateuren in Demos etc.
* Diskussion der Spaltungstendenzen und Gräben innerhalb der Bewegung. Wie konnte es geschehen, dass z.B. Attac oder das GSF die Militanten (den „schwarzen Block“) als „Feinde der Bewegung“ bezeichnen? Wie ist das vorherrschende Bild zu verschieben, wonach die NGOs mit ihren reformistischen Forderungen „die Bewegung“ repräsentieren, während radikale Kritik mit inhaltsloser Zerstörungswut gleichgesetzt wird? Und was ist von Wertkritikern zu halten, die z.B. in der jungle world mit brillianten Analysen reformistische Forderungen bloßstellen, dann aber alles, was nach Bewegung riecht, in einen Sack stecken und draufhauen, ohne dabei ein einziges Wort über die derzeitige Repressionsverschärfung zu verlieren? Und schließlich: Wie kann in Zukunft ein Umgang der verschiedenen Strömungen miteinander erreicht werden, der die Berechtigung aller anerkennt und keiner schadet?

Dieser Text bietet eine Übersicht über die geplanten und bereits beschlossenen Maßnahmen, staatliche Repression zu verschärfen. Der erste Teil ist aus einem Gespräch kurz nach Genua entstanden, der zweite Teil aus diversen Presseartikeln nach dem 11. September zusammengestellt.

Verschärfung der Repression vor dem 11. September

BRD:
BKA-Datenbanken und Ausreiseverbote sind die Instrumente, mit denen deutsche Politiker die Grundrechte von GlobalisierungsgegnerInnen einschränken wollen.

EU:
Bundesinnenminister Schily möchte, dass die EU diese deutschen Instrumente übernimmt, was auf einem Sondertreffen der EU-Innenminister am 13. Juli (also vor Genua) abgelehnt worden war.

1. Datenbanken
2. Ausreiseverbote/Meldeauflagen
3. europäische Anti-Krawall-Polizei
4. Gesetzesverschärfungen und Terrorismusbegriff, z.B. England
5. Black Block-Konstrukt
6. krasse Haftstrafen für angebliche Rädelsführer
7. Elektronische Hilfsmittel zur Überwachung von Telefon, Email und Internet

Wichtiger Hintergrund dieser Prozesse sind Pläne der EU, Protestierende zu kriminalisieren und ihre Überwachung und die Weitergabe von Informationen zu legalisieren. Diese Pläne werden seit 1997 verfolgt, aber besonders intensiv von „StrafverfolgungsexpertInnen“ seit dem EU-Gipfel in Göteborg (14.-16. Juni 2001) diskutiert. Bezüglich der meisten der vorgesehenen Maßnahmen zeigen sich sieben Regierungen als Hardliner (Schweden, BRD, Portugal, Italien, Belgien, Luxemburg, UK), acht lehnen vieles ab (Österreich, Spanien, Griechenland, Frankreich, Finnland, Dänemark, Irland, Niederlande). Der Rat der Innen- und JustizministerInnen hat am 13. Juli 2001 einen Maßnahmenkatalog beschlossen.

Ein Großteil dieser Maßnahmen dient der Einschüchterung und dem Sammeln von Informationen oder legitimiert, was ohnehin bereits geschieht. Darüber hinaus muss natürlich ein Umgang damit gefunden werden, dass bei Demonstrationen auf Großevents nicht nur krass geknüppelt, sondern scharf geschossen wird, willkürliche Verhaftungen passieren und absurde Vorwürfe und Konstrukte zu jahrelangen Haftstrafen führen können. Mit anderen Worten: Wer in Zukunft zu Großdemos fährt, muss damit rechnen, dass sein/ihr Leben hinterher nicht mehr so sein wird wie vorher. Es muss ein individueller und kollektiver Selbstschutz entwickelt werden, aber es muss auch politische dagegen agiert werden, indem die Legitimität unserer Ziele und Mittel deutlich gemacht und der Fortbestand von Grundrechten für DemonstrantInnen eingefordert werden. In der Öffentlichkeit (und vor Gericht) werden Demonstrierende als Gewalttäter, Hooligans, Terroristen diffamiert. Die Wortwahl klingt nach Bedrohung und blendet politische Anliegen aus.

Es lässt sich eine Tendenz erkennen, dass es in Zukunft weniger um die Frage schuldig oder unschuldig geht, sondern um die Zughörigkeit zu einer verdächtigen Gruppe. Schleichend wird hier die Unschuldsvermutung zum Generalverdacht, StaatsbürgerInnen werden zu Sicherheitsrisiken, es werden nicht mehr begangene Taten verfolgt und bestraft, sondern künftige Taten behauptet und daraufhin Menschen kriminalisiert.

Datenbanken

Das „Schengen Information System“ (SIS) ist, wie der Name andeutet, Teil des Schengener Abkommens der EU. Im allgemeinen denkt mensch beim Schengener Abkommen an nichts anderes als den Wegfall von Grenzkontrollen innerhalb der EU. Sein Schwerpunkt liegt aber auf der EU-weiten Zusammenarbeit bei der „Verbrechensbekämpfung“.

SIS ist eine EU-Datenbank, die von 30.000 Grenzposten abgefragt werden kann. Zweck von SIS ist die „Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit“ (was sonst?). SIS speichert Namen, Beschreibungen, Spitznamen, Sexualverhalten (vermutlich in den Kategorien heter@/schwul), Gewohnheiten, FreundInnen, politische Einstellung und Mitgliedschaft in Organisationen und laufende Strafverfahren. Um in SIS gespeichert zu werden, genügt der bloße Verdacht einer Straftat, es werden also nicht etwa nur rechtskräftige Verurteilungen registriert. So können im Prinzip alle, die irgendwie mit dem Gesetz oder der Polizei schon Mal zu tun hatten, drin sein. Dazu enthält SIS abgelehnte AsylbewerberInnen und zur Einreiseverweigerung ausgeschriebene MigrantInnen. Die Abwehr von Migration ist der eigentliche, ursprüngliche Zweck von SIS, bis Ende 1995 war 18.500 Personen die Einreise in ein „Schengenland“ verweigert worden.

15 Länder sind (bis jetzt) an SIS beteiligt. Ende 2001 werden 14 Millionen Einzelinformationen (viele davon falsch) über 1,9 Millionen Personen gespeichert sein. Eine Weiterentwicklung unter dem Namen SISNET soll in der Lage sein, Fingerabdrücke, Fotos, DNA und eventuell sogar Videos zu speichern und verfügbar zu machen.

Bekannt wurde SIS im Zusammenhang mit dem EU-Gipfel in Göteborg. Artem Chlenov war 1997 bei der Einreise von der BRD nach Tschechien kontrolliert worden. Er durfte Aus- und Einreisen, aber der Besitz einer Radikal als Souvenir, die er nicht einmal lesen kann, weil er kein Deutsch spricht, verhalf ihm zu einem Eintrag in SIS. Vier Jahre später genügt das der schwedischen Polizei, die ihn im Rahmen einer Demo gegen Polizeigewalt festnahm, ihn als „potenziellen Terroristen“ einzuknasten.

Diverse Länderdatenbanken sind in SIS enthalten, z.B. die Landfriedensbruch-Datei der BRD. Andere Institutionen wie BKA, LKAs, BGS haben eigene Datenbanken. Es ist unklar, wer legal und de facto Zugriff auf welche hat. Unklar ist weiterhin, wer da reinkommt, welche weiteren nationalen Dateien drin sind, und ob z.B. eine ED-Behandlung in SIS verzeichnet ist. Die Definition von „Gruppen und Personen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Gefahr der öffentlichen Ordnung und Sicherheit“ darstellen, ist jedenfalls äußerst vage. Tatsache scheint, dass man nicht aus SIS gestrichen wird, wenn ein Verfahren eingestellt oder mensch freigesprochen wurde. Es scheint, als solle im Rahmen einer öffentlichen Debatte über diese Art Datenbanken legitimiert/legalisiert werden, was eh schon polizeiliche Praxis ist: die unbegrenzte Erhebung, Weitergabe und Aufbewahrung persönlicher Daten.

Ausreiseverbote/Meldeauflagen

Die Ausreiseverbote, kombiniert mit Meldeauflagen, sind eine BRD-Spezialität und wurden bisher auf polizeibekannte Fußball-Hooligans angewendet, um z.B. deren Ausreise während der letzten Europameisterschaft zu verhindern. Jetzt traf das auch eine angeblich gewaltbereiter "Polit-Hooligans", die in der neuen „Gewalttäterdatei“ gespeichert sind und die während Genua sich z.T. zweimal täglich bei ihrem heimischen Polizeirevier melden mussten und somit nicht nach Genua und auch nirgendwo anders hin reisen konnten. Der Berliner Innensenator Körting kommentierte Kritik an diesem Vorgehen so: „Es gibt kein Grundrecht auf Ausreise“. Das Oberverwaltungsgericht Berlin begründete die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen damit, dass dem „öffentlichen Interesse an der Verhinderung von Straftaten“ Vorrang gebühre vor den Interessen der Betroffenen, von Meldeauflagen verschont zu bleiben.

Dies symbolisiert die selbe Willkür der Repression wie auch die Bullengewalt in Genua, die sich potenziell gegen alle richten konnte. Es ist aber politisch wichtig, nicht so zu argumentieren, als sei das ok, wenn´s die Richtigen trifft, sondern dass das immer abzulehnen ist, dass es ein Recht auf Bewegungsfreiheit gibt. Die Maßnahme hebelt nicht nur dieses aus, sondern auch die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung: Leute werden festgesetzt für Taten, die gar nicht begangen wurden, es wird schlicht behauptet, dass sie sie begehen würden, wenn sie nicht brav zuhause blieben.

Diese Verschiebung in Richtung einer generellen Verdächtigung aller drückt sich auch in Videoüberwachung und Polizeikontrollen öffentlicher Räume immer stärker aus. Um diesen Sicherheitsdiskurs aufzubrechen wäre es wichtig zu verdeutlichen, dass es tatsächlich alle treffen kann, dass es sinnlos ist zu behaupten, wer "nichts macht" profitiert davon, weil seine/ihre Sicherheit erhöht wird. Dies wird schwieriger angesichts der neuen Angst vor Terroranschlägen.

Neben Ausreise- sind auch Einreiseverbote eine beliebte Maßnahme. Artikel 2.2 des Schengener Abkommens bietet die Möglichkeit, vor Massenprotesten Grenzkontrollen wieder aufzunehmen. Auf der Grundlage von SIS-Abfragen kann dann die Einreise verweigert werden. Bei allen diesen Maßnahmen geht es darum, die Bewegungsfreiheit und das Demonstrationsrecht einzuschränken.

Europäische „Anti-Krawall“-Polizei

Der Vorschlag einer europaweiten Anti-Krawall-Polizeieinheit ist ein populistischer Vorschlag von Bundesinnenminister Schily, der vielleicht mit der "neue deutschen Rolle" in der EU zusammenhängt. Schily versucht ja auch gerade, das Ausreiseverbot-Konzept anderen EU-Staaten schmackhaft zu machen. Die Einschätzungen zu Schilys Vorschlag klingen eher negativ, Frankreich zweifelt an der juristischen Legitimation, die taz an der praktischen Durchführbarkeit. Allerdings gibt es ja schon eine Zusammenarbeit in Einzelfällen, z.B. waren deutsche Cops in Genua und bei der Fußball-Europameisterschaft dabei. Angesichts der Schwierigkeiten mit Europol erklärt auch Schily, die „Anti-Krawall-Polizei“ sei erst „langfristig“ denkbar, weil EU-Verträge geändert werden müssten. Nur die italienische Regierung ist begeistert von dem Vorschlag.

Inzwischen ist die Bundesregierung zu dem Vorschlag übergegangen, jedes EU-Mitgliedsland solle seine eigene „Spezialeinheit“ zur Bekämpfung von Protesten bei EU-Gipfeln und anderen treffen aufbauen. Ein Bericht vom 20. September fordert dies als Reaktion auf Göteborg und Genua, es ist von gemeinsamen Maßnahmen gegen „reisende Gewalttäter“ die Rede.

mehr Info in englischer Sprache bei Statewatch

„Black Block“-Konstrukt

Deutsche PolitikerInnen argumentieren gerne mit dem Bild des "Polit-Hooligans", der keine politischen Inhalte vertritt, sondern- ähnlich wie dem "Fußball-Hooligan" Fußball egal ist - politische Events und Demos nutzt, um Spaß an der Randale zu haben. In Italien wurde nun die Existenz einer internationalen Terrororganisation "Black Block" behauptet.

Ob das Konstrukt einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung vor Gericht Bestand haben wird oder dort überhaupt weiterverfolgt wird, ist unklar. Ebenfalls unklar und abhängig von der politischen Entwicklung ist, ob das Konstrukt "Black Block" in Zukunft auch in der BRD eingesetzt wird.

Das Konstrukt hatte bisher die Funktion,

* einen Vorwand zu liefern, Leute festzunehmen, denen unterstellt wurde, Mitglied des Black Block zu sein. Vor Gericht stellen konnte man sie später mit anderen Vorwürfen aufgrund inzwischen gefundener oder erfundener Beweise;
* die Möglichkeit zu bieten, die friedlichen Teile der Bewegung zur Distanzierung vom Black Block zu nötigen und damit die Bewegung zu spalten, bzw. das Ausbleiben der Spaltung als Vorwand dafür zu nutzen, dass alle unterschiedslos aufs Maul kriegen.

Gesetzesverschärfungen und Terrorismusbegriff

Im Februar 2001 trat in UK der „Terrorism Act 2000“ in Kraft. Das Problem an diesem Gesetz ist die umfassende Definition von Terrorismus, die wenig mit dem zu tun hat, woran man dabei üblicherweise denkt. Der Terrorism Act richtet sich unterschiedslos gegen bewaffneten Widerstand weltweit und die meisten Formen zivilen Ungehorsams. Die Regierung hat offenbar insbesondere die radikale Tierrechts- und Anti-Gentech-Szene im Auge, aber auch die Anti-Globalisierungsbewegung. Außerdem ist es nach diesem Gesetz möglich, gegen ausländische „Terrorgruppen“ und ihre britischen SympathisantInnen vorzugehen. Dies ermöglicht nicht nur ein Verbot z.B. der PKK, sondern die Kriminalisierung der gesamten Kurdistan-Solizszene. Nicht nur Verhaftungen von AktivistInnen sind nun zu befürchten, die Polizei hat vor allem umfassende Möglichkeiten, Informationen zu sammeln, Leute zu überprüfen und zu überwachen und auf diese Weise Menschen von politischer Arbeit abzuschrecken. Mit anderen Worten: „It´s more about terrorising people than it is about protecting us from terrorism“.

Auch in Griechenland gibt es ein neues „Anti-Terror-Gesetz“ (jungle world 21.3.2001). Weniger Problemdruck als die Olympischen Spiele 2004 dürften die Entscheidung motiviert haben. Neben „genetischem Fingerabdruck“ und anderen Standards steht die Erhöhung des Strafmaßes für Bildung einer „kriminellen Vereinigung“ im Vordergrund - dem Hauptvorwurf an HausbesetzerInnen und andere Linke.

Rädelsführerschaft

In Göteborg werden krasse Urteile gefällt, indem Leuten unterstellt wird, "Rädelsführer" bei "Krawallen" gewesen zu sein. Ein Deutscher hat dafür gerade 8 Monate zusätzlich gekriegt, nachdem er schon zu 6 Monaten Haft verurteilt war. Jemand anderes ist zu 4 Jahren Haft verurteilt worden. Die Strafmaße stünden selbst dann in keinem Verhältnis zu den behaupteten Taten, selbst wenn man die Berechtigung von Strafen anerkennen würde. Natürlich ist das nicht unsere Argumentation, sondern es müssen alle raus, weil die Demos und was dort passiert ist, legitim ist und nicht bestraft gehört. Trotzdem wäre es schön zu wissen, welche Rechtsgrundlage und welchen Stellenwert die Strafmaße und das Konstrukt Rädelsführerschaft haben, ob das Schweden-spezifisch ist oder künftig auch in der BRD greifen wird. Hier lässt sich nur spekulieren.

Elektronische Hilfsmittel zur Überwachung von Telekommunikation und Videoüberwachung

Ende Januar 2001, Tampa, Florida: 75000 ZuschauerInnen werden beim Eintritt in ein Football-Stadion gefilmt. Die "Gesichtserkennungssoftware" der Firma Viisage Technologies vergleicht die Aufnahmen mit Fotos aus Verbrecherkarteien. 19 Kleinkriminelle werden erkannt und festgenommen.

Auch in der BRD werden solche Programme bereits ausprobiert. Sie machen sich unter anderem zunutze, dass der Abstand der Pupillen eines Menschen so unverwechselbar ist wie ein Fingerabdruck. Sie lassen sich nicht durch einfache Veränderungen des äußeren wie Bart oder Sonnenbrille überlisten.

Im Mai änderte der Bundestag das Gesetz, das die Abhörrechte der Geheimdienste regelt. Der Bundesnachrichtendienst (BND) darf im Prinzip nur Gespräche mit dem Ausland und Emails dorthin überwachen. Angeblich werden täglich 100.000 solche Telekommunikationen erfasst und nach bestimmten Stichworten ausgewertet. Von diesen bleiben im Schnitt drei übrig, bei denen weiter ermittelt wird. Bisher durfte nur die Kommunikation per Satellit gescannt werden, nach dem neuen Gesetz auch die über Kabel. Damit werden aber auch Inlands-Emails erfasst, die über einen ausländischen Provider laufen. Der BND gibt „Zufallsfunde“ wie Erkenntnisse über Castor-GegnerInnen an die Polizei weiter, was der im Grundgesetz festgelegten Trennung von Geheimdiensten und Polizei widerspricht.

Die Polizei setzt (seit Jahren) den sogenannten „IMSI-Catcher“ ein, mit dem sie den Standort einer Person ermitteln kann, die gerade per Handy telefoniert. Der Bundesbeauftrage für den Datenschutz, Jacob, meint, dass es dafür keine Rechtsgrundlage gibt.

Die USA betreiben mit „Echelon“ ein System, das sämtliche elektronische Datenübertragung überwachen kann. Großbritannien ist daran beteiligt, was zu Diskussionen in der EU geführt hat.

Repression und Terrorismusbekämpfung nach dem 11. September

Nach dem 11. September hat die Diskussion um Repression eine ganz neue Dimension und auch ein anderes Ziel angenommen:

BRD

Die Bundesregierung hat in einem ersten "Anti-Terror-Paket" folgende Maßnahmen bereits beschlossen:

* Erhöhungen der Tabak- und Versicherungssteuer (außer Lebens- und Krankenversicherung) zum 1.1.2002; dadurch sollen 3 Mrd. DM für die „innere und äußere Sicherheit“ eingenommen werden. Deren genaue Verwendung ist noch nicht klar, der größte Teil wird wohl an die Bundeswehr gehen und dort für bessere Aufklärung genutzt. Aber auch Geheimdienste (BND, MAD), BGS, BKA usw. kriegen etwas davon ab, das Sparprogramm beim Verfassungsschutz wird ausgesetzt. Diesen geht es vor allem um die bessere Kontrolle „illegaler Finanzströme“, wozu auch eine „Geldwäschebehörde“ ins Leben gerufen werden soll.
* Ausweitung des § 129 auf vom Ausland agierende Gruppen (§ 129b), Abschaffung des Religionsprivilegs im Vereinsrecht. Diesen beiden Maßnahmen muss der Bundestag zustimmen.

Per Verordnung soll die Sicherheit an den Flughäfen verbessert werden (u.a. Kontrolle des Bodenpersonals, s.u.).

Am 8. Oktober stellte Innenminister Schily ein zweites "Anti-Terror-Paket" vor, das aber von der Bundesregierung erst noch beschlossen werden muss (s.u.). Darin enthalten sind:

* Mit jedem Visaantrag werden künftig Fingerabdrücke genommen und in einer Datei gespeichert. Bisher werden Fingerabdrücke bei Asylanträgen genommen und in einer europaweiten Datei gespeichert - diese, sowie Sprachanalysen der AsylbewerberInnen, werden in Zukunft 10 Jahre lang gespeichert. Die Religion soll ins Ausländerzentralregister aufgenommen werden. Schilys Entwurf für das Einwanderungsgesetz enthält „Personenüberprüfungen im Visaverfahren vor der Einreise bei den deutschen Auslandsvertretungen“.
* Auch von allen BürgerInnen der BRD werden Fingerabdrücke genommen und im Pass gespeichert. Eine solche Regelung wird z.B. auch in Großbritannien diskutiert. Der damit verbundene Aufwand (neue Pässe, die alten sind 10 Jahre gültig) dürfte die Wirksamkeit ziemlich verzögern, aber das macht´s nicht besser...
* Auch diejenigen, die Menschen aus dem Ausland "einladen" (Voraussetzung für den Visaantrag, die einladende Person erklärt sich vor allem bereit, für alle Kosten des Aufenthalts aufzukommen), sollen in Zukunft regelmäßig überprüft werden. Wer "Ausländer" zu sich einlädt, macht sich also verdächtig!
* Der BGS soll mehr Personal erhalten, sein Aktionsgebiet von 30 km auf 50 km entlang der Grenzen der BRD ausgeweitet werden.
* Das Ausländer- und Asylrecht ändert sich: Flüchtlinge, die im Rahmen der "Genfer Flüchtlingskonvention" eingereist sind, werden schon beim Verdacht (!) einer "schweren Straftat" abgeschoben. Abschiebungen werden auch in Länder möglich, in denen es die Todesstrafe gibt.
* Die Kronzeugenregelung, die 1999 weitgehend abgeschafft wurde, wird wieder eingeführt.
* Es soll eine weitere Datenbank eingerichtet werden, eine "Verbunddatei" zum Austausch zwischen Bundekriminalamt und Geheimdiensten. Der Zugriff auf das Ausländerzentralregister soll von Ausländerbehörden auf Ermittlungsbehörden ausgeweitet werden

Schily will darüber hinaus

* die Bundeswehr zur Verstärkung der inneren Sicherheit einsetzen;
* „Abhilfe schaffen, wo Datenschutz Terroristenschutz ist“, dazu gehört ein Datenbankabgleich des Ausländerzentralregisters mit anderen Datenbanken (der Polizei etc.). Was er sonst noch meint, hat er bisher nicht gesagt. Datenschutzbeauftragte wehren sich dagegen vor allem mit dem Hinweis, das bringe nix gegen „wirklich intelligente“ Terroristen.
* ins Bankgeheimnis eingreifen, z.B. eine Auskunftspflicht von Banken, bei denen des Terrorismus verdächtige Personen oder Organisationen Konten haben, einführen.

Die CDU fordert

* die Wiedereinführung der Kronzeugenregelung
* die Überwachung des Mobilfunkverkehrs (das passiert in UK und USA seit neuestem ohne datenschutzrechtliche Grundlage)
* einen Generalverdacht gegen Einreisende (!)

Offensichtlich wünscht eine Mehrheit der Bevölkerung noch viel weitergehende Maßnahmen. Bei einer Spiegel-Umfrage sprach sich die Mehrheit dafür aus, Einschränkungen der Freiheit in Kauf zu nehmen, um die Sicherheit zu erhöhen. Und das Ergebnis der Schill-Partei bei der Bürgerschaftswahl muss man auch so einordnen, dass viele Menschen nun einen starken Mann gegen „den Terrorismus“ vorgehen sehen wollen. Der „Generalverdacht gegen MigrantInnen“ besteht in den Köpfen vieler Deutscher ohnehin, Muslime werden beschimpft, eingeschüchtert, zu Bekenntnissen gegen Gewalt und Terror genötigt oder tätlich angegriffen. Die Debatte um das Zuwanderungsgesetz wird jetzt vom Sicherheits-Teil überlagert. Zum Beispiel ähnelt das Täterprofil der Rasterfahndung (junge Männer arabischer Herkunft, die eine technische Ausbildung haben oder machen usw.) dem Wunschprofil für Green Card-Kandidaten. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) lehnt das Zuwanderungsgesetz ab, den man könne jetzt nicht mehr ernsthaft darüber diskutieren, "Menschen aus der arabischen Welt" den Zugang nach Deutschland zu erleichtern. Er glaube nicht, dass man über eine Zuwanderung aus dem arabischen Raum "noch ernsthaft diskutieren kann".

In den Bundesländern laufen weitere Diskussionen:

* Die Innenministerkonferenz (Schily + Länder-Innenminister) fordert strengere Visaauflagen (z.B. Angabe von Besuchszweck und Adresse in der BRD), mehr Rasterfahndung und verstärkten Einsatz der Bundeswehr zum Objektschutz.
* Hamburg, Berlin, Brandenburg und Baden-Württemberg führen Rasterfahndungen nach Tatverdächtigen und sogenannten „Schläfern“ (künftigen Attentätern) durch. Niedersachsen will Rasterfahndung ins Gefahrenabwehrgesetz aufnehmen. Zur Zeit ist nur dort und in Schleswig-Holstein keine Rasterfahndung vorgesehen. Das Täterprofil ähnelt stark den Kriterien der Green Card. Die Bundesregierung will die Rasterfahndung erweitern.
* Berlin will 13 Mio. DM für die „innere Sicherheit“ zusätzlich ausgeben, davon 5,9 Mio. für zusätzliche Polizei
* In NRW sind sogar die Grünen für eine Verstärkung der Geheimdienste und des Staatsschutzes. Es werden arabischsprechende Menschen gesucht, die als Informanten in islami(sti)schen Gruppen agieren sollen.
* Bayern hat ein 12-Punkte-Programm vorgelegt, das (natürlich) noch krasser ist als alles bisher aufgelistete.

Inzwischen wird aber auch deutlich, dass diese Maßnahmen nicht so widerstandlos umgesetzt werden können, wie es zunächst schien. Gegen das "2. Terrorbekämpfungspaket" hat das Bundesjustizministerium Bedenken geäußert. Manche der vorgesehenen Maßnahmen seien verfassungswidrig, außerdem solle man doch bitte nur Mittel ergreifen, die zur Terrorismusbekämpfung geeignet seien, und keine, die unnötigerweise weit darüber hinausgingen. Schilys Ministerium hat den Vorschlag erstmal zurückgezogen, die Bundesregierung wird am 7. November darüber verhandeln, und es ist dann mit Abschwächungen zu rechnen.

EU

Am 20. bzw. 21.9. trafen sich die Innen- und Justizminister bzw. Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten zu Sondergipfeln. Die EU-Kommission präsentierte dort ihren Vorschlag einer „Rahmenentscheidung zur Terrorismusbekämpfung.“ Im Rahmen einer künftigen einheitlichen Terrorismusbekämpfung sollen bis Dezember 2001

* ein europaweiter Straftatbestand „Terrorismus“
* ein „europäischer Haftbefehl“

klargemacht werden.

Bisher ist „Terrorismus“ nur in UK, Frankreich, Portugal, Spanien definiert, aber jeweils unterschiedlich. In der BRD und Italien gibt es die „terroristische Vereinigung“. Nach dem diskutierten Entwurf könnte sich laut Statewatch „Terrorismus“ auch auf Störungen der „öffentlichen Ordnung“ beziehen; vgl. Terrorism Act in UK. Die EU-Kommission definiert Terrorismus wieder anders und nennt deutlich höhere Strafmaße als zur Zeit in der BRD festgelegt. Über die Definition von „Terrorismus“ wird auch innerhalb der UN nachgedacht, wo allerdings die Meinungen weiter auseinander gehen, weil viele Staaten gerne des Staatsterrorismus der anderen, nicht aber ihren eigenen, darunter gefasst sehen würden. Beispielsweise dürfte sich zur Zeit Russland die Unterstützung der USA im „Kampf gegen den Terror“ damit bezahlen lassen, in Tschetschenien künftig die dortigen „Terroristen“ unbehelligt bekämpfen zu können.

Der europäische Haftbefehl soll eine EU-weite Fahndung ermöglichen. Ein Haftbefehl, der in einem EU-Staat ausgestellt wird, wird in Zukunft EU-weit anerkannt. Wird einE GesuchteR daraufhin in einem anderen EU-Staat festgenommen, soll die Person einfach „überstellt“ werden. Bisher war ein relativ kompliziertes Auslieferungsverfahren notwendig, bei dem u.a. geprüft wurde, ob der Haftbefehl auch im Land der Festnahme rechtmäßig wäre. Die EU-Konvention über Auslieferung ist noch nicht von allen Mitgliedsstaaten umgesetzt.

Es sollen keine Grenzkontrollen wieder eingeführt werden. Stattdessen sollen „die vorhandenen Möglichkeiten besser genutzt“ werden:

* Öffnung nationaler Visa-Dateien und Eurodac (Fingerabdruckdatei für Asylverfahren) für die Polizei, ebenso Öffnung von SIS für Polizei und Staatsanwaltschaft
* europäische Rasterfahndung
* Ratifizierung der bestehenden Abkommen über Auslieferung von 1995 und1996 bis Ende 2001
* Die beschlossene „Task Force der Polizeischefs“ soll ihre Arbeit aufnehmen
* Die staatsanwaltschaftliche Zusammenarbeit Eurojust soll endlich in die Gänge kommen.
* Europol soll mehr mit Polizeiaufgaben betraut werden, eine Anti-Terroreinheit erhalten und mit dem FBI kooperieren.
* Über Rechtsbeistand und ein Auslieferungsabkommen mit den USA (das es bisher nicht gibt wegen der Todesstrafe dort) soll nachgedacht werden. Die Regeln des Datenschutzes und des Bankensektors sollen „geprüft“ werden. Ansonsten bekennt die EU sich zu UN-Konventionen gegen Terrorismus und gegen Kleinwaffen und will zur Lösung von Konflikten (Nahost etc.) beitragen zu wollen und dem gemeinsamen Außenpolitik mehr Aufmerksamkeit zu geben, um „Gerechtigkeit, Demokratie, Wohlstand“ in die Welt zu bringen.

Das Problem, das eigentlich alle Strafverfolgungsbehörden mittlerweile haben, ist der Umgang mit der riesigen Datenmenge - das wird sich verschärfen. Zusätzlich werden auf EU-Ebene immer weitere Gremien und Behörden gegründet, was den Koordinationsaufwand erhöht. Zu hoffen ist also, dass sich dieser ganze Repressionsapparat selbst stark blockieren wird.

Großbritannien und die USA haben am 13. September Internetprovider dazu angehalten, die Mailadressen und Telefonnummern von Sender und Empfänger aller Emails/Telefongespräche durch ihr Netz zu speichern.

Zusammenfassung

Zunächst treffen die angedachten Maßnahmen vor allem MigrantInnen. Aus Sicht der Anti-Globalisierungsbewegung ist aber klar, dass die gegenwärtige Stimmung dazu genutzt werden, die vorher kontrovers diskutierten Maßnahmen (Überwachung, Datenbanken, EU-weite Kooperation, Anti-Terrorismusgesetze mit weiter Terrorismusdefinition) nun unter Hinweis auf den Anschlag vom 11. September widerstandslos umzusetzen. Diese Szenario relativiert sich ein wenig (!) dadurch, dass 1. viele der angedachten Maßnahmen nur legalisieren und institutionalisieren, was eh schon gemacht wird, und 2. der anwachsende Datenberg die Behörden total überfordern wird. Andererseits aber werden z.B. Demo-Verbote bei events in Zukunft leicht durchzusetzen sein, und selbst wenn man wirklich nichts anderes will als Attentate von anderer Seite verhindern, wird selbstverständlich dazugehören, dass größere Menschenmengen ferngehalten werden.

Erläuterungen

Schengener Abkommen

Das Schengener Abkommen trat 1995 zunächst in sieben Staaten in Kraft und wurde mit dem Vertrag von Amsterdam 1997 auf alle EU-Staaten ausgedehnt. Es sieht die Abschaffung von Grenzkontrollen innerhalb der EU vor, aber diese vermeintliche Freiheit ist mit einer Reihe von „Ausgleichsmaßnahmen“ des Schengener Durchführungsabkommens (SDÜ) verbunden. Man befürchtete nämlich ein Anwachsen von illegaler Einwanderung, Drogenhandel und „Organisierter Kriminalität“. Deswegen wurden die EU-Außengrenzen durch scharfe Kontrollen, neue Visaregelungen und neue Asylgesetze abgeschottet („Festung Europa“). Außerdem begann man, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Polizei voranzutreiben. Grenzkontrollen können vorübergehend wieder eingeführt werden, z.B.: anlässlich „politischer Großereignisse“.

europäisches Repressionsregime

SIRENE („Supplementary Information Request at the National Entries“)

EUROPOL
Europol wurde gegen grenzüberschreitende Straftaten wie Drogenhandel oder Zwangsprostitution eingerichtet. Europol darf selbst keine Durchsuchungen oder Verhaftungen vornehmen.

Zurzeit in der Entwicklung befindet sich ein EU-System zur Überwachung aller Kommunikationsmedien (ENFOPOL) nach Art des vom FBI benutzten ECHOLON. Großbritannien ist an Echolon beteiligt, was zu Unmut in der EU Anlass gibt.

EUROJUST
Eurojust ist die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaften. Je ein Vertreter jedes Mitgliedslandes soll dort die Ermittlungen zu „organisierter Kriminalität“, Computerkriminalität, Umweltdelikten, Geldwäsche und Betrug auf Kosten der EU-Kasse koordinieren. Eurojust soll auch Ermittlungen auf Staatenebene anstoßen können.

EURODAC
Eurodac ist eine europäische Datei, in der die Fingerabdrücke und Daten aller AsylbewerberInnen gespeichert werden.

Datenbanken in der BRD

Im November 2001 beschloss die Innenministerkonferenz (IMK, also Schily und die Innenminister der Bundesländer) drei „zentrale Gewalttäterdateien“ beim Bundeskriminalamt (BKA) zu den Bereichen „Rechtsextremismus“, „Linksextremismus“ und „politisch motivierte Ausländerkriminalität“. Gespeichert werden dort die Daten nicht nur von rechtskräftig Verurteilten, sondern alle Platzverweise, Ingewahrsamnahmen und Verfahren, die mit Einstellung oder Freispruch endeten. Der Eintrag in diese „Gewalttäterdatei“ erfolgt also relativ willkürlich.

Schon länger existiert die Datei „Landfriedensbruch“, in der entsprechende Verurteilungen gespeichert werden.

Es ist möglich, beim BKA (???) formell anzufragen, mit welchen Einträgen man in den verschiedenen Datenbanken verzeichnet ist. Dies ist aber nur sinnvoll, wenn man sicher ist, auf jeden Fall Einträge zu haben, da man sonst unnötig auf sich aufmerksam macht.
Landfriedensbruch,

Straftat, die vorliegt, wenn die öffentl. Sicherheit dadurch gefährdet wird, dass aus einer Menschenmenge heraus mit vereinten Kräften Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen begangen werden oder Menschen mit Gewalttätigkeiten bedroht werden oder wenn mit dieser Zielsetzung auf eine Menschenmenge eingewirkt wird. L. wird nach § 125 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, in bes. schweren Fällen (beim Führen von Waffen, bei schweren Körperverletzungen, Tötungen oder Plünderungen) mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren (§ 125a StGB).
Hintergrund Meldeauflagen/Ausreiseverbote

Reisebeschränkungen und Meldeauflagen wurden in der BRD mit dem sogenannten „Hooligan-Gesetz“ nach der Fußball-Weltmeisterschaft in Frankreich 1998 eingeführt. Damals hatte eine Gruppe von Deutschen einen französischen Polizisten brutal angegriffen und schwer verletzt. Bei der Europameisterschaft 2000 in Belgien und den Niederlanden wurden dann bekannte gewaltbereite Hools davon abgehalten, überhaupt dorthin zu fahren.

Das „Hooligan-Gesetz“ bedeutete eine Änderung des Pass- und Personalausweisrechts. Meldeauflagen sowie eine Eintragung in den Reisepass, der seine Gültigkeit für bestimmte Länder zeitweise aufhebt, sind dadurch möglich. Wer die ihm/ihr aufgelegten Beschränkungen missachtet, kann mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft werden.
Terrorism Act

In diesem Gesetz wird Terrorismus definiert als
„The use of threat of action, designed to influence the government or to intimidate the public or a section of the public, made for the purpose of advancing a political, religious or ideological cause, where the action (a) involves serious violence against a person, (b) involves serious damage to property, (c) endangers a person’s life, other than that of the person committing the action, (d) creates a serious risk to the health or safety of the public or a section of the public, or (e) is designed seriously to interfere with or seriously disrupt an electronic system“ (zitiert in SchNEWS 268).
Frei übersetzt:
Terrorismus ist eine Handlung oder die Androhung einer Handlung, die dazu geeignet ist, die Regierung zu beeinflussen oder die Öffentlichkeit zu bedrohen.
Zweck der Handlung ist, ein politisches, religiöses oder ideologisches Ziel voranzutreiben.
Die Handlung
(a) beinhaltet schwere Gewalt gegen Personen
oder (b) schwere Sachbeschädigung
oder (c) gefährdet das Leben von Personen
oder (d) gefährdet die öffentliche Gesundheit oder Sicherheit
oder (e) ist geeignet, elektronische Systeme ernsthaft zu stören

Es handelt sich nach Einschätzung von Amnesty International um die „drakonischste“ Gesetzgebungsmaßnahme der Labour-Regierung. Bei Verdacht auf „Terrorismus“ kann die Polizei einfach Durchsuchungsbefehle erhalten, Fingerabdrücke und DNA-Analysen nehmen, und muss diese bei Einstellung des Verfahrens nicht vernichten.

Die Notwendigkeit eines neuen Anti-Terror-Gesetzes ergab sich einerseits aus dem Friedensprozess in Nordirland, andererseits aus der Unterzeichnung von zwei UN-Konventionen für die Verhinderung von Bombenanschlägen und der Finanzierung von Terrororganisationen. Beide Gründe legten ein weniger krasses Gesetz nahe, aber inzwischen war der Erfolg direkter Aktionen in Großbritannien wohl zu groß geworfen...

Die britischen Behörden arbeiten eng mit denen der USA zusammen, und ein Blick dorthin verrät, worum es dem Terrorism Act zumindest unter anderem geht: Das FBI hat Reclaim the Streets, die Animal Liberation Front und andere Gruppen im Bereich direkte Aktion als „Terroristen“ bezeichnet.

Terrorismusgesetzgebung der BRD: § 129/129a StGB

terroristische Vereinigung,
nach § 129a StGB eine Vereinigung, deren Zwecke und Tätigkeiten darauf gerichtet sind, Mord, Totschlag, Völkermord, erpresserischer Menschenraub, Geiselnahme oder gemeingefährliche Straftaten (z.B. Angriff auf den Luftverkehr) zu begehen. Gründung einer terroristischen Vereinigung und Mitgliedschaft in ihr werden mit Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahren (Rädelsführer und Hintermänner nicht unter drei Jahren), Unterstützung und Werbung für sie mit sechs Monaten bis fünf Jahren bestraft.

kriminelle Vereinigung,
eine Vereinigung, deren Zweck oder Tätigkeit darauf gerichtet ist, Straftaten zu begehen; wer eine kriminellen Vereinigung gründet, an ihr als Mitgl. beteiligt ist, für sie wirbt oder sie unterstützt, wird nach § 129 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die Anwendbarkeit des § 129 StGB erstreckt sich auch auf ausländische kriminelle Vereinigungen, deren Tätigkeit auf den Vertrieb illegalisierter Drogen gerichtet ist (§ 30b Betäubungsmittel-Gesetz).

Der § 129a entstand in den 70er Jahren, als die RAF und die Bewegung 17. Juni mit ihren Aktionen Aufsehen erregten und den Staat herausforderten. Er diente vor allem dazu, UnterstützerInnen und allgemein Linke strafrechtlich verfolgen zu können, ohne dass sie an konkreten Strftaten beteiligt waren. Über die Abschaffung damals wegen der RAF beschlossener Sondergesetze wurde in den vergangenen Jahren immer mal wieder nachgedacht.

Der § 129b ist nun eine Art rassistische Neuauflage des § 129a. Wie dort wird auch hier die bloße Mitgliedschaft in oder „Werbung“ für eine ausländische Organisation, die als „terroristische Vereinigung“ gilt. Die Entscheidung darüber liegt bei der Bundesregierung, klare Kriterien dafür gibt es nicht und kann es auch gar nicht geben.

Rasterfahndung

Bei der Rasterfahndung wird ein „Profil“ des gesuchten Personenkreises erstellt, also eine Liste von Merkmalen (Raster), die diese vermutlich aufweisen. Dieses Raster wird dann mit Datenbanken wie dem Einwohnermelderegister oder dem Ausländerzentralregister abgeglichen. Die Rasterfahndung muss richterlich angeordnet oder in Eilfällen nachträglich bestätigt werden und ist nur zulässig bei Straftaten „von erheblicher Bedeutung“ (§98a ff. der Strafprozessordnung). Rasterfahndung ist in allen Bundesländern außer Schleswig-Holstein und Niedersachsen vorgesehen, wobei Niedersachsen sein Gefahrenabwehrgesetz demnächst entsprechend ändern wird. In mehreren Bundesländern wurde nach dem 11. September 2001 eine Rasterfahndung nach Beteiligten am Anschlag und sogenannten „Schläfern“ (künftigen Attentätern in Warteposition, von denen ca. 100 in der BRD vermutet werden) durchgeführt.

Terrorismus nach dem Vorschlag der EU-Kommission

Laut taz (27. September) , „definiert die Kommission ‚terroristische Straftaten‘ unter zwei Gesichtspunkten. Zum einen werden bestimmte Straftaten aufgezählt, die von Mord und Geiselnahme über Raub und Waffenlieferung bis hin zur ‚Ermutigung einer terroristischen Vereinigung‘ reichen. Zum anderen wird aber auch eine Zielrichtung des Täters oder der Gruppe vorausgesetzt. Danach müssen die Taten darauf gerichtet sein, staatliche Institutionen oder die Bevölkerung einzuschüchtern oder ihre Strukturen zu schädigen oder zu zerstören. Zwei Unterschiede zum deutschen Strafrecht fallen dabei ins Auge. Erstens können nach dem Kommissionsvorschlag auch Einzeltäter als Terroristen angesehen werden. Zweitens stellt der deutsche Paragraph 129 a nicht auf die Zielsetzung der Täter ab.“ Statewatch zitiert den Entwurf so, dass die aufgelisteten Straftaten als Terrorismus bestraft werden sollen, wenn sie eine bedeutende Änderung oder Schädigung der politischen, ökonomischen oder sozialen Strukturen in dem betroffenen Land zum Ziel haben. Terrorismus soll auch „urban violence“ beinhalten. Der englische Guardian (19.9.2001) kommentiert den Entwurf als mögliche Bedrohung von Freiheit und fürchtet, dass der Terrorismusvorwurf ziemlich willkürlich ins Spiel gebracht werden kann, möglicherweise nach rassistischen Kriterien, so dass Widerstand von MigrantInnen verstärkt kriminalisiert und mit den höheren Strafmaßen belegt wird.

Gefahrenabwehrgesetze

Die Gefahrenabwehrgesetze der Bundesländer geben der Polizei schon jetzt die Möglichkeit, bei besonderen Lagen Menschen wegen Taten zu überprüfen und einzusperren, die noch nicht begangen wurden. In vielen solcher Gesetze ist die Möglichkeit vorgesehen, Menschen 2, 3 oder sogar 4 Tage ohne richterliche Prüfung in „Unterbindungsgewahrsam“ zu nehmen, um zu verhindern, dass die z.B. an Demonstrationen teilnehmen. In Niedersachsen entstand das heute gültige Gefahrenabwehrgesetz als Reaktion auf die Chaostage in Hannover, macht nun aber die Organisation und Durchführung des Widerstands gegen Castor-Transporte nach Gorleben schwierig.

Ausländerzentralregister

Das Ausländerzentralregister ist mit 12 Millionen Datensätzen eine der größten Datensammlungen in der Bundesrepublik. Es wird zentral vom Bundesverwaltungsamt in Köln geführt. Zusätzlich gibt es noch dezentrale Dateien bei den Ausländerbehörden. Rechtsgrundlage ist das Gesetz über das Ausländerzentralregister von 1994. Das Register wurde bereits 1953 zunächst als Karteikartensystem eingerichtet und 1967 auf die moderne Datenverarbeitung umgestellt. Das Ausländerzentralregister umfasst einen allgemeinen Datenbestand und eine Visadatei. Der allgemeine Bestand erfasst Daten von Ausländern, die nicht nur vorübergehend ihren Aufenthalt in Deutschland haben. Daten werden auch in folgenden Fällen gespeichert: bei Asylanträgen, Ausweisungen und Abschiebungen, bei Einreisebedenken oder bei Ausschreibungen zur Festnahme. Daten von Ausländern, die ein Visum beantragen, werden in der Visadatei erfasst. Diese enthält Angaben zur Person des Antragstellers und die zuständige Auslandsvertretung. Das Ausländerzentralregister wird von mehr als 5400 öffentlichen Stellen genutzt. Mehr als 27 000 Mitarbeiter in rund 1700 Verwaltungsstellen sind online mit dem Zentralregister verbunden. Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben des Bundesverwaltungsamtes 20 Millionen Fälle (Auskünfte, Meldungen) bearbeitet.