Home » 

 Recent

Watch also...



print
2002-01-26

Thesen für die Diskussion der Arbeitsgruppe 2 des Forum I im WWG-Gegenkongreß 1992 in München

Demokratie, Menschenrechte, Befreiungskampf (I)

* Im Rahmen der Diskussion um neue Befreiungsperspektiven müssen wir programmatische Punkte festlegen. Dazu gehört für uns die Freiheit aller revolutionären Gefangenen aus Widerstandsprozessen weltweit genauso wie eine neue Kampfphase gegen Folter und Ausbeutung, für das Menschenrecht auf Nahrung, Arbeit, Wohnung und ein soziales, kulturelles Leben in Würde und Selbstbestimmung.

Von einer international geführten Diskussion dieser Fragen versprechen wir uns auch, daß klar wird, daß die Ebene der Menschenrechte und der Schutz der politischen Gefangenen von RevolutionärInnen neu erkämpft werden muß.

* Demokratie und Menschenrechte sind immer auch Kampfbegriffe des Antikommunismus gewesen. Aus der geschichtlichen Entwicklung sind sie zuerst bürgerliche Begriffe. Sie können natürlich nicht unkritisch "revolutionär" okkupiert werden, sollen sie nicht zugleich auch ihren bürgerlichen Inhalt transportieren: das Idealbild bürgerlicher Gesellschaft, die den BürgerInnen Pflichten gegenüber dem Staat auferlegt und aus dieser prinzipiellen Unterordnung "Rechte" des/der individualisierten Bürgers/Bürgerin ableitet. Menschenrechte waren historisch Kampfbegriff des Bürgertums gegen den Feudalismus, dann gegen das Proletariat und die kommunistische Bewegung.

Bürgerlich - weil er eine Gleichheit behauptet, die politisch/juristisch existieren könnte, und die gesellschaftliche Klassenspaltung ausklammert.

* Diese antikollektive, antikommunistische Zielrichtung fällt nicht automatisch mit dem Zusammenbruch der "sozialistischen Staaten" weg. Vielmehr tritt sie in neuem Gewand zur Rechtfertigung imperialistischer Politik erneut auf (Golfkrieg usw.). Es ist also auch weiter ein Kampfterrain. Mindestens bis zum Ende der Bipolarität war Menschenrechte für RevolutionärInnen ein zurückgenommener Begriff; anders als zu Beginn der ArbeiterInnenbewegung, die sich z.T. als "Verwirklichung der bürgerlichen Revolution" verstand, ist er seit Beginn der Blockkonfrontation taktisch besetzt.

Müssen wir nicht angesichts der jahrzehntelangen Propagandakampagne der imperialistischen Staaten, von der KSZE bis zu den Golfkriegs-Resolutionen in der UNO anfangen, unseren Begriff von Demokratie und Menschenrechten zu bestimmen?

* Zur Begriffsdefinition: Menschenrechte sind für uns nicht nur die politischen, wie Versammlungs-, Pressefreiheit u.ä., sondern auch die sozialen Menschenrechte, die wir durchsetzen müssen.

Menschenrechte - das ist, so wie der Begriff gegenwärtig existiert, auch einer, der die Geschichte und die Zusammenhänge ausgrenzt. Deshalb stand er im Zentrum der psychologischen Kriegführung. Von dort aus ist er eine demagogische Fiktion, Vehikel des Antikommunismus - von den Resten radikaldemokratischer Schichten eine nostalgische Illusion - so wie die Behauptung der Gleichheit seit der bürgerlichen Revolution Funktion der Staatspolitik ist.

Die bürgerliche Revolution hat einige Menschenrechte juristisch faßbar gemacht und in die Verfassungen der Staaten geschrieben. Das entspricht der - bürgerlichen - Trennung zwischen sozialen und politischen Rechten der Menschen; individuellen und kollektiven Rechten. Der Begriff Menschenrechte, bzw. seine Verwendung wird für uns untauglich, wenn wir ihm nicht die gesellschaftliche Dimension geben, die er eigentlich hat: Das Recht auf Leben unter Bedingungen, die ein Leben als Menschen möglich machen.

* Der Kommunismus verwirklicht nicht die Menschenrechte, sondern hebt sie auf. Herausgearbeitet werden muß, daß die Verwirklichung der Menschenrechte nicht die der Rechte sind, sondern die Aufhebung der Bedingungen, in denen sie nicht verwirklicht sind. Der Widerspruch bleibt bestehen. In einer auf Ausbeutung und Unterdrückung basierenden gespalteten Gesellschaft, sind Menschenrechte nicht verwirklichbar - es sei denn "politisch", juristisch. Die Entwicklung muß also auch dahin gehen, daß gerade diese "soziale Dimension" im Mittelpunkt der Diskussion steht. Sonst wird es ein Streit um Rechtstitel innerhalb bürgerlicher Ideologie der Gleichheit - die eben immer nur formal ist.

* Wir geben der Frage der Menschenrechte und der Situation politischer Gefangener in der "Neuen Weltordnung" eine zentrale Bedeutung, die alle Länder und Völker betrifft. Das Weltsystem ist einheitlich. Überall ist Folter und Mord zu finden.

* Die Folter und der Terror kehren nach Europa zurück - schon seit Jahren. Hier ist der Ausgangspunkt. Diese Blutspur durchzieht die Geschichte, von den Kreuzzügen über die Conquista bis zu den Golföl-Kriegen. Der Terror war nur kurzfristig nach 1945 aus Westeuropa verbannt, während er in den Kolonialkriegen um so schlimmer wütete. Schmutzige Kriegführung und Folter stehen heute nicht nur in Nordirland und Euskadi auf der Tagesordnung. Die westlichen Demokratien führen einen verdeckten Krieg gegen die Fundamentalopposition in ihren Ländern. Auch das hat rassistischer und sexistischer Gewalt in der Gesellschaft Auftrieb gegeben.

* Im Kampf für Menschenrechte spiegelt sich das internationale Kräfteverhältnis zwischen Befreiung und Imperialismus wider. Noch in den 70er Jahren war es auch in der BRD möglich, demokratische Rechte einzufordern, z.B. auch an bürgerliche Gremien und Standpunkte zu appellieren. Diese Zeit markiert aber zugleich auch den Einschnitt. Der Staatsapparat setzte damals die wesentlichen Linien der inneren Kriegführung gegen RevolutionärInnen durch ("Modell Deutschland für Europa"). In dieser Entwicklung haben sich bürgerliche Rechtstaatsillusionen aufgelöst. Dagegen sind durch die politische Wirkung des antikolonialen Befreiungskampfes und der "nationalbefreiten" Staaten, Rechte der Menschenwürde und Selbstbestimmung in internationalen Gremien anerkannt worden. So z.B. in den Zusatzprotokollen zur Genfer Konvention 1977. Für die Gefangenen aus der Guerilla bildete das einen Bezugspunkt, weil es Kriegsgefangene unter Schutz stellte - und zwar erstmals nicht nur gefangene Soldaten fremder Armeen, sondern auch Angehörige von Befreiungsbewegungen und innerstaatlichen Konflikten. Dagegen gelang es später nicht mehr, die veränderte Klassenkampfrealität der 80er Jahre (soziale Bewegungen, Massenmilitanz, Ansatz der politischen und organisatorischen Front..) und daß viele Genossinnen und Genossen aus dem Widerstand eingeknastet wurden, in einem völkerrechtlich begründeten Widerstandsrecht zu fassen.

* In Deutschland wurde 1933 der Faschismus an die Macht gewählt - Der "Putsch" fand erst nach der Wahl statt. 1945 wurde dieser Faschismus militärisch besiegt, aber nicht wirklich gestürzt. Die Kontinuitäten faschistischer Macht blieben deshalb in Deutschland auch institutionell nicht gebrochen. Das wirkt bis heute.

* In der BRD ist der Ausnahmezustand verdeckt und verrechtlicht. Er wird in Gesetze gepackt und so ein Schein aufrechterhalten, der für dieses System unabdingbar wichtig ist. Repression und Reform gehören zusammen. In Deutschland wurde das "wehrhafte Demokratie" genannt. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Fundamentalopposition mit jeder Sorte Gewalt und Unterdrückung bekämpft, die dem Zweck diente. 1956 das Verbot der KPD. Seit den 70er Jahren mittels eines gigantischen Überwachungs- und Sicherheitssystems, Aufstellung polizeilicher und geheimdienstlicher Spezialeinheiten, Isolationsfolter gegen politische Gefangene usw.

Das Unterdrückungssystem der Metropolen kennzeichnen wir als ein System präventiver Konterrevolution, das dem offenen Aufstand wie dem offenen Ausnahmezustand vorbeugen soll.

* Die Menschenrechte können nur revolutionär erkämpft werden. Wir setzen keine Hoffnung in Institutionen wie UNO u.a. Wir werden eine internationale Bewegung aufbauen müssen, die die Durchsetzung unserer Rechte selbst in die Hand nimmt. Ein "Internationales Netzwerk" von Bewegungen, Gruppen und Initiativen aufzubauen, wie es Dhoruba Bin-Wahad vorgeschlagen hat, könnte dazu ein möglicher Bezugspunkt sein.

* Die ökonomische und politische Entwicklung in den Metropolen hat dazu geführt, daß es kaum mehr eine soziale, politische Gruppe in der Gesellschaft gibt, die sich für die Menschenrechte einsetzt. Die traditionellen Menschenrechtsgruppen sind weitgehend von der Bildfläche verschwunden. Oder sie machen reine Lobby-Politik, die nach den Kriterien politischer Machbarkeit selektiert bzw. wie amnesty heutzutage die Gewalt der HERRschenden und Gegengewalt der Unterdrückten gleichzeitig anprangert.

Auch das ist ein Grund, warum radikale Bewegungen und RevolutionärInnen in ihrem Kampf selbständige Strukturen der Durchsetzung von Menschenrechten schaffen müssen.

Diese wichtigen Fragen müssen wir mit allen Fragen unseres Kampfes um soziale und politische Befreiung verknüpfen. Wir können die verschiedenen Gewaltverhältnisse nicht aufsplittern.