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2002-01-22

WIDERSTAND IST ANGESAGT, AUCH WENN DER GIPFEL NICHT MEHR TAGT!

Nachträgliches zu Fragen aus der Mobilisierung gegen den Weltwirtschaftsgipfel (Clash 1993)

Abschnitte: * Vorbemerkung * 1992 - 500 Jahre-AntiWWGmobilisierung * Das Bündnis in München * TrägerInnenkreis * Uni oder Kirche - die "Abwiegler" am Werk * Informelle Strukturen - antiautoritärer Selbstbetrug * Kongreß/Forum I - internationaler Austausch * Widersprüche * Freiheit für die revolutionären Gefangenen weltweit *

Vorbemerkung:

CLASH gab uns im vergangenen Jahr Raum unsere Überlegungen zur Anti-WWG-Mobilisierung darzustellen, in dem sie "In die Herzen ein Feuer" veröffentlichte.

Monate nach dieser Kampagne nutzen wir die Gelegenheit für einen Rückblick. Zusammenfassend sagen wir: Die Mobilisierung gegen den Weltwirtschaftsgipfel war ein Erfolg. Trotz totgesagter radikaler Opposition ist der Gipfel nicht laut- und widerstandslos über die Bühne gegangen. Obwohl im Dezember 1992 wieder Hunderttausende gegen Naziübergriffe auf die Straße gingen, waren die über 20.000 in München alles andere als selbstverständlich. Weniger bloße Empörung über die Zustände als die Entscheidung sie nicht hinzunehmen, war für den Treck nach München notwendig. Selbstverständlich war auch nicht, daß ein Zusammenwirken zumindest einiger unterschiedlicher Kräfte möglich wurde. Die gemeinsame internationale Diskussion und Praxis, gehört genauso dazu wie der Kampf um die Freiheit der politischen Gefangenen.

Es ist einiges klar geworden, was wir ganz unabhängig von Mobilisierungen zu Bestandteilen unseres Kampfes machen müssen. Die ZuschauerInnenplätze müssen endlich verlassen werden!

Die notwendige Verknüpfung von einer umfassenden Diskussion und praktischen Schritten fand in der Anti-WWG-Kampagne dagegen kaum statt. Die Voraussetzungen unter den Beteiligten waren sehr unterschiedlich. Nur wenige Gruppen konnten aus ihrer jeweiligen Lage die Initiative und Verantwortung übernehmen. Aber auch die Gesamtheit der an den Treffen teilnehmenden Menschen und Gruppen hat wenig gemeinsame Mechanismen der Diskussion, Entscheidungsfindung und Umsetzung gefunden.

Nicht zuletzt deshalb wollen wir überprüfen, was wir uns vornahmen, was es gebracht hat, was nicht und was müssen wir ändern.

Im Dezember 1992 veröffentlichten wir die Broschüre "Die Mühen der Ebene". Daraus haben wir diesen Text entnommen und ihn für die CLASH nochmal überarbeitet. Wie schon bei "In die Herzen ein Feuer" ging es uns auch in der neuen Broschüre nicht nur um den Weltwirtschaftsgipfel. Wir sind auch keine Anti-WWG-Gruppe. Leider ist der Platz in der CLASH zu knapp, um unsere weiteren Diskussionen wiederzugeben. Wir weisen nur darauf hin, auch weil es für das Verständnis unserer Gruppe wichtig ist. "Die Mühen der Ebene" setzt sich mit der gesellschaftlichen Situation in der BRD auseinander, dem Krankwerden an diesen Verhältnissen, den Veränderungen seit dem Mauerfall und über die große Koalition der Rassisten. Gerade unter dem Gesichtspunkt der Perspektiven revolutionärer Politik beschäftigen wir uns mit den Fragen von Militanz und bewaffneten Kampf in der BRD, Internationalismus, soziale Frage und Organisierung und dem Kampf für die Freiheit der revolutionären Gefangenen.

Ende März erschien auch die Dokumentation des Forum 1 "Flugsand", an der wir mitgearbeitet haben.

Kein Friede

1992 - 500 Jahre

1992 - das war das Jahr, in dem sich zum 500. Mal die Eroberung des amerikanischen Kontinents durch europäische Kolonialisten jährte. In aller Welt feierten die Herrenvölker dieses Ereignis. Die Indigenas riefen zum Aufstand gegen das "500-jährige Reich" auf. Und wir in den Metropolen dieser Weltordnung?

In Deutschland gab es keine machtvolle "Kampagne '92". In vielen Städten entstanden zwar lokale Initiativen; aber der 12. Oktober verstrich trotzdem eher unbeachtet. So wurde die Mobilisierung gegen den Weltwirtschaftsgipfel zum herausragensten Moment der Kampagne gegen das "500-jährige Reich".

Vom 6.-8.7.92 trafen sich in München die Chefs der sieben mächtigsten Staaten zum Weltwirtschaftsgipfel. Das halbe Jahrtausend kolonialistischer Barbarei, der Aufstieg Deutschland zur Großmacht, Binnenmarkt und die Politische Union EG '92 bildeten der Rahmen. Nicht erst seitdem, aber immer offener und aggressiver hatten die Rassisten und Faschisten auf den Straßen und in den Behörden in diesem Jahr Mut gefaßt. Die Könige der Weltwirtschaft mit starken Protest und Widerstand zu konfrontieren, das war eine Möglichkeit dieser Weltordnung unsere Feindschaft deutlich zu machen.

Demonstrationen, Aktionstage und ein internationaler Gegenkongreß waren in München angesetzt. Berühmt wurde der Kessel, als Hunderte festgenommen wurden, weil sie die Staatschefs anpfiffen. In der Weltöffentlichkeit kam die Regierung nicht gut dabei weg. Das ist gute deutsche Demokratie, während in Hoyerswerda die Polizeieinheiten abgezogen werden, um so einen Sturm auf ein Wohnheim von Flüchtlingen zu ermöglichen.

Der Kongreß machte auch nur wegen staatlicher Repression - der Untersagung, in der Uni zu tagen - Schlagzeilen; und weil das ihn vorbereitende und tragende Bündnis an der Frage zerbrach, wie mit diesem staatlichen Gewaltakt umzugehen ist.

Die Konsequenzen aus der Unfähigkeit, diesen repressiven Vorstoß angemessen zu beantworten, und sei es nur, die Uni zu besetzen, nur dagegen zu protestieren, war die Auflösung eines gemeinsamen Kongresses. In die einzelnen Foren aufgesplittet und über die ganze Stadt verteilt, konnte das ursprüngliche Konzept nicht mehr realisiert werden.

Die Anti-WWG-Mobilisierung brachte Widerstand und Protest gegen die G-7-Inszenierung auf die Straße. Trotz aller offenen Fragen über die Weiterentwicklung des radikalen Kampfes. Das war ein kleiner Erfolg. Natürlich konnte die Mobilisierung die Zersplitterung der revolutionären Linken nicht aufheben. Das haben wir auch nicht erwartet. Es war eine Kampagne. Vor 1 1/2 Jahren gab es eine heftige Kritik an Kampagnen, die wir durchaus teilten - die Konsequenz, sich nicht mehr an ihnen zu beteiligen dagegen nicht. Für Blödsinn hielten wir die Erwartung, eine Kampagne könnte den revolutionären Organisierungsprozeß wieder- bzw. neubeleben oder gar eine Strategie erarbeiten. Wenn, dann kann sie in ihrer Frage- und Zielbestimmung auf eine hinarbeiten. Nur wenn eine Kampagne mehr leisten soll als sie kann - Kräftebündeln, Diskussionen auslösen, Zusammenhänge herstellen - wird ihre Halbwertzeit nicht über den Stichtag hinausreichen.

Eine optische Täuschung sollte die angestrebte Einheit von Gegenkongreß, Großdemonstration und Aktionstagen nicht werden. Mit über 20.000 haben wir in München gegen die Könige der Weltwirtschaft demonstriert. Tausende blieben zu den Aktionstagen. Schein war das nicht, auch wenn in den Städten und Regionen kaum Strukturen der Vernetzung entstanden sind.

Die Einbeziehung einer großen Anzahl von Gruppen in die Vorbereitung war ein Entscheidungskriterium für unsere Beteiligung. Obwohl das nicht gelang sind wir dabei geblieben. Die in der Anti-WWG-Mobilisierung angepeilten Ziele - Widerstand auf der Straße, Kontakt mit anderen Spektren, Beitrag zum Aufbau einer antirassistischen Bewegung, internationale Diskussion... - wollten wir nicht so einfach aufgeben. Wir brauchten sie auch selbst zur weiteren Orientierung.

Im wesentlichen war es der Versuch, mit einer grundsätzlichen Kritik an linksradikaler Politik und Organisierung, etwas neues zu formulieren und den bisherigen Zustand und seine Entstehung bewußt zu machen. Das ist nicht gelungen. Wie sollst Du eine neue Struktur in einer alten schaffen, wo jeder Versuch da-raus, nur da-drin stattfinden kann? Aber es gab keinen gemeinsam bestimmten Vorsatz die eigenen Verhältnisse zu verändern. Ebenso war der gemeinsame Ausgangspunkt ungeklärt. Während eine Infoladengruppe ganz andere Interessen hat als eine Friedensinitiative, eine Einzelperson einen ganz anderen Diskussionszusammenhang als eine Gruppe, die versucht einen Blick für die gesamte politische Situation zu entwickeln... ist es fast unmöglich auf einer solchen Nicht-Grundlage gemeinsame grundsätzliche Diskussionen führen zu wollen. Der kleinste gemeinsame Nenner wäre zumindest die gemeinsame Sicht, daß eine solche Diskussion notwendig ist, um einer politischen Organisierung näherzukommen. Aber das ist ein widersprüchlicher Prozeß. Während es uns im Ziel um ein kollektives, ausbeutungsfreies, HERRschaftsfreies Leben geht, stehen wir einer Macht gegenüber, die gut organisiert ihre HERRschaft weltweit behauptet. Während wir untereinander, wir hier, alle Privilegien und gesellschaftliche zugestandene Macht (auf Kosten anderer) aufgeben müssen, um ernsthaft von Befreiung reden zu können, müssen wir diesem imperialistischem Zentrum seine Macht entreißen. Doch dafür müssen wir uns über unsere Grundlagen verständigen, mit allen Widersprüchen und antagonistischen Verhältnissen. Strategische Fragen der Befreiung werden wir uns nur stellen können, wenn wir uns um eine organisierte Auseinandersetzung bemühen.

Die Linke weltweit steht vor schwierigen Entscheidungen. Sehr vieles hat sich verändert und verlangt neue Antworten, wie dem Wahnsinn der 'neuen' Weltordnung etwas Sinnvolles und vor allem wirkliche Freiheit und gleiche Rechte für alle Menschen entgegengesetzt werden kann. Für die meisten Menschen der Welt ist dies heute eine existenzielle Frage. Mit 500 Jahren Kolonisierung "Amerikas", der Unterwerfung und Ausplünderung Afrikas und später auch Asiens, hat das Elend auf der Welt heute nie gekannte Ausmaße erreicht. Im Rahmen des geplanten Kongresses wurde versucht, ReferentInnen aus verschiedenen Teilen der Welt einzuladen, die selbst aus Prozessen kommen, in denen sie die Mühen des Widerstandes und die Kraft internationalistischer Solidarität erfahren haben. Und die vielerorts heute vor nicht viel weniger gravierenden Problemen stehen, den Kampf um ihre Utopien und Sehnsüchte fortzusetzen.

Erst in der Woche vor dem WWG setzte ein "Run" nach München ein. Wenige hatten den Rahmen geschaffen in dem dann Tausende aktiv werden konnten, dementsprechend wackelig war er. Trotzdem wurde einiges in den Julitagen in München erreicht, und sei es nur zu sehen, wieviele wir immer noch sind, die noch nicht aufgegeben haben. Das, und der Austausch mit den ReferentInnen aus den anderen Ländern, hat Mut gemacht. So wenig das ist, soviel ist es auch, in einer Zeit wie dieser. Potentiell gibt es noch viel mehr Möglichkeiten, von einem "Sandkorn zu einem Sandsturm anzuwachsen".

Ein wesentliches Ziel war denn auch, Einschätzungen zur aktuellen Situation, Analyse der HERRschenden Weltverhältnisse, der Blick (zurück) auf die Geschichte von Widerstand hier und weltweit, aus den jeweiligen Kampf- und Praxiserfahrungen heraus zu diskutieren. Obwohl noch niemals zuvor eine Mobilisierung gegen ein Treffen der HERRschenden von solcher Bedeutung so wenig thematisierte, WAS da ausgehandelt und abgemacht wurde; die indirekte Subventionierung der deutschen Atombetreiberfirmen durch den Beschluß der G7, die unzureichend ausgestatteten AKW's in der GUS aufzurüsten, wurde z.B. mit keinem Wort erwähnt.

Der erhoffte oder erwartete Kick für die Beantwortung der Frage "wie kann's weiter gehen?", blieb ebenso aus.

Für das Jahr 1992 sahen wir verschiedene Entwicklungsstränge zu einem Schnittpunkt zusammenlaufen. Deswegen wollten wir da sein und eingreifen. Der Verlauf dieses Jahres sollte auch eine Bestandsaufnahme sein: Schaffen wir es als Linke in der BRD aus unserer Geschichte zu lernen, um uns damit den heutigen Herausforderungen zu stellen.

Die sichtbaren politischen Momente waren nicht mehr als ein Hauch. Es wurde gespürt, daß in der radikalen Selbstkritik und in den gleichzeitigen, auch praktischen Neubestimmungsversuchen, eine Kraft liegt. Unsere Kraft. Die Einbeziehung der internationalen Erfahrungen, der revolutionären Gefangenen, eine Verbreiterung ohne Abgrenzung oder Anbiederung brauchen wir um die eigene Defensive zu durchbrechen. Es wurde versucht. Aber schwach, bruchstückhaft und frei interpretierbar.

Hat die Mobilisierung gegen den Weltwirtschaftsgipfel die verschiedenen Stränge zusammengebracht? Nein. Weder auf der Ebene der Einschätzung und Analysen ( z.B. deutsche Supermacht, europäischer Binnenmarkt und "Festung Europa"...) noch in der Praxis. Die Brennpunkte der Auseinandersetzungen vergangener Jahre spielten in der Mobilisierung keine Rolle. Es wurde deutlich, daß z.B. von der Antikriegsbewegung nicht viel mehr als Broschüren geblieben sind. Auch die Kampagne "500 Jahre Kolonialismus und Widerstand" ist im weiteren Verlauf des Jahres nicht stärker geworden. Unser Auftreten, auch in München während des WWG's, entsprach nicht dem einer sich selbst bewußten Linken in einer imperialistischen Großmacht. Weder inhaltlich, noch durch unser Verhalten wurde dieses Deutschland wirklich angegriffen.

Das Bündnis in München

Für viele war daran "das Bündnis" Schuld. "Eigentlich hätten wir ja vielmehr erreichen können, wenn nicht..." und "über den Tisch gezogen" wurden wir natürlich sowieso. Linksradikale Opferhaltung, Verbalradikalismus und die Hoffnung, andere in bester ML-Tradition austaktieren zu können mischen sich zu einem "Bündnis-Syndrom".

Der TrägerInnenkreis für einen gemeinsamen Kongreß gegen den Weltwirtschaftsgipfel ist am Freitagabend in München vor der Universität an der Frage wie und ob wir ihn durchsetzen können, auseinandergebrochen. Er kam nur mit Mühe überhaupt zustande und war durch keine inhaltliche Diskussion gefestigt. Viele Hauptamtliche und FunktionärInnen tummelten sich dort, von der DKP bis zu den Grünen, von kirchlichen Gruppen bis zum BUKO (Bundeskongreß entwicklungspolitischer Gruppen) usw. Basisgruppen waren dagegen kaum vertreten.

Eigene Erfahrungen hatten wir keine oder wenige. Über Bündnisdramen hatten wir allerdings einiges gehört. Das schreckte uns nicht. Von "den Linksradikalen" insgesamt gab es keine Beteiligung im TrägerInnenkreis mit einer eigenen Vorstellung für den Kongreß. Dies hängt sicher mit dem aktuellen und schon länger anhaltenden desolaten Zustand der radikalen Linken und der Solidaritätsbewegung zusammen. Viele sind resigniert oder schlichtweg orientierungslos. Wenn sie überhaupt noch aktiv sind, dann oft völlig individualisiert. Auf der anderen Seite stehen die Apparatschicks der Organisationen und Vereine, die längst von Bewegungsinstitutionen zu einem Wasserkopf verkommen sind. Außer Geld und gute Logistik ist da nicht mehr viel los. So wollte auch ein Teil des TrägerInnenkreises am liebsten die ganze Kongreßvorbereitung an eine Consulting-Firma abgeben.

Wir haben uns seit Herbst 1991 am TrägerInnenkreis beteiligt.

* Die Ausgangsbedingungen haben sich für die gesamte Linke verändert. Alle sehen sich einer veränderten Weltlage gegenüber. Kein Konzept innerhalb der unterschiedlichsten linken Geschichte konnte die heutige Entwicklung verhindern. Weder im Trikont noch in den Metropolen. Weder die Parteienpolitik von ehemals militanten K-Gruppen, DKP oder GRÜNEN, noch die Basisbewegungen gegen den ökologischen Raubbau, gegen Atompolitik, NATO-Kriegspolitik, noch autonome/antiimperialistische Gruppen und der Frauenwiderstand haben den Sieg des Kapitalismus verhindert.

* Die Zusammensetzung der Spektren verändert sich. Funktionäre und Basis verschiedenster Organisationen denken und handeln sehr getrennt. Das sahen wir im Golfkrieg und davor während des Hungerstreiks der politischen Gefangenen 1989.

Die Monate vor dem WWG sollten genutzt werden, Kontakte zu knüpfen zu allen, die mit der HERRschenden Politik nicht einverstanden sind und ihr Protest und Widerstand entgegen setzen wollen. Auch um sie mit unseren Positionen und Vorschlägen zu konfrontieren.

* Es wäre ein großer politischer Fehler gewesen diesen Kongreß mit all seinen Möglichkeiten lediglich bestimmten Spektren zu überlassen. Wir wollten nicht darauf reduziert werden die militante Begleitmusik auf den Straßen und Plätzen zu spielen.

* Ein Bündnis "von oben" hat uns nicht interessiert. Mit FunktionärInnen an einem Tisch zu sitzen ist eine Qual. Vor anderthalb Jahren schätzten wir die Situation (gerade auch in München) so ein, daß wir allein einen Gegenkongreß nicht werden durchführen und durchsetzen können. Linksradikale Veranstaltungen, erst recht wenn sie abgespalten von anderen linken Kräften angesetzt werden, waren wie zum Abschuß freigegeben.

So gab es für uns politische wie pragmatische Gründe keinen separaten Kongreß veranstalten zu wollen.

Auch im Nachhinein halten wir diese Entscheidung für richtig. "Über den Tisch gezogen" wurden wir nicht. Ganz einfach: es gab auch niemanden dafür. Einige GenossInnen sehen das völlig anders. Sie denken an den Freitag vor der Uni, daß wir eine Besetzung nicht durchsetzen konnten. Aber dort kam nicht die Stärke einer anderen politischen Kraft zum Tragen, sondern nur die eigene Unfähigkeit Verantwortung zu übernehmen. Also unsere Schwäche.

In der Zusammenarbeit im TrägerInnenkreis sind wir auf unterschiedlichste Herangehensweisen getroffen. Vor allem auf politische Konzeptionslosigkeit und Dilletantismus. Dadurch, trotz eigener Schwäche, hatten wir auf Charakter und Ausrichtung des Kongresses einen großen Einfluß.

Die GRÜNEN wollten einen "Anderen Gipfel" - alternativ, aber innerhalb der kapitalistischen Weltwirtschaft. Ein völlig anderer Sinn und Zweck steckte in der Vorstellung, mit emanzipatorischen, revolutionären Bewegungen aus verschiedenen Teilen der Welt zu diskutieren, wie wir die Welt verändern können. Ein Austausch zwischen Metropolen und Trikont.

Die GRÜNEN konnten sich nicht durchsetzen konnten. Zusammen mit den Ökorassisten sind sie aus dem TrägerInnenkreis ausgezogen.

Ein anderes Beispiel: Nur eine "Kampfabstimmung" erzwang das Stimmrecht revolutionärer Exilorganisationen im Arbeitsausschuß. Eine Diskussion, warum einige gegen ihre Beteiligung waren, lief nicht.

Es gab viele Ideen. Die meisten wurden nicht realisiert. Ein Treck der Obdachlosen, Flüchtlinge, Arbeitslosen... nach München, um die "soziale Frage" der Metropolen als Problem dieser Weltordnung dem G 7-Gipfel auf den Tisch zu knallen, fand nicht statt. Oder: die Männerarbeitsgruppe hätte im Forum 1 stattfinden können, nachdem die Biertischreaktion im TrägerInnenkreis einen allgemeinen Beschluß nicht zuließ. Wir hatten es den Männern angeboten. Nicht zustande kam auch die "Häuserarbeitsgruppe" - sie zusammenzubringen mit Leuten aus Landlosenbewegungen des Trikonts wäre eine gute Möglichkeit gewesen.

Trotz des Freitagabend, als das ursprüngliche Konzept eines gemeinsamen Internationalen Gegenkongresses scheiterte, bleibt festzustellen, daß die 7 Foren, von einem Bündnis verschiedenster Gruppen und Initiativen getragen waren. Wir - einzelne aus dem linksradikalen Spektrum - konnten darin einiges in Bewegung setzen und hätten eigentlich viel mehr Möglichkeiten gehabt, Reibung und gesellschaftliche Auseinandersetzung über die bestehenden Verhältnisse in diesem Land und in der Welt zu initiieren. Was festzustellen bleibt, wir waren zu wenige und unser eigenes Konzept war zu wenig entwickelt. Wir waren ganz zum Schluß doch nicht in der Lage, diesen Kongreß durchzusetzen, nicht gegen die HERRschenden und nicht für uns.

Uni oder Kirche? - "Die Abwiegler am Werk".

Die "Abwiegler" sind wir. Weil wir nicht auf Biegen und Brechen die Uni besetzen wollten und schon gar nicht allein. "Revolutionäre Phantasten" sind wir. Weil wir überhaupt nicht einsahen, uns einfach vor die Uni-Tore setzen zu lassen. Alle haben recht. Viele waren am Freitagabend vor der Uni wütend auf uns. Die Stimmung war aufgeheizt und ein eindeutiges Konzept nicht mehr sichtbar.

Wir wollten eine Besetzung der Uni. Allerdings nur mit den ReferentInnen. Es sollte ein Kongreß werden, keine Hausbesetzung. Der schmale, ohnehin sehr defensive Bündniskonsens - nach einer einstündigen Protestkundgebung vor der Uni in sie reinzugehn, wenn keine Bullen davorstehen und die Türen offen sind -, war geplatzt. Nicht mal der Versuch einer Inanspruchnahme der Uniräume sollte gewagt werden. Das Ausweichen in Kirchen war ängstlich längst beschlossene Sache.

Wie sollte das gehen unter diesen Umständen einen Kongreß durchzuführen? Wir einigten uns darauf gemeinsam an der Protestkundgebung vor der Uni teilzunehmen. Gegen die Aufgabe der Uniräume von Seiten des TrägerInnenkreises sollte klipp und klar protestiert und versucht werden sich die Räume zu nehmen. Nur wenn vor der Uni keine Einigung möglich ist, sollte der Einheit wegen der kleinste gemeinsame Konsens geschluckt werden.

Die für Besetzung notwendige Einheit gab es nicht. Das dafür notwendige Vertrauen auch nicht. Nach einstündigem entscheidungslosen Hin und Her riefen wir alle auf, jetzt eine Demonstration durchzuführen. Mit Bauchschmerzen und Wut gingen wir in die Kirche. In der Situation war es die einzig richtige Entscheidung. Auch wenn wir einige der Schwierigkeiten haben kommen sehen, z.B. die Zerbrechlichkeit des Konsens, haben wir nicht die notwendigen Konsequenzen gezogen - ein Grund dafür war einfach und schlicht Überlastung. Allerdings gab es auch keine andere Gruppe, kein Plenum oder irgendeine "Struktur", die sich verantwortlich fühlte. Die "Krise der Linken weltweit" war für einige Minuten auf wenigen Quadratmetern zusammengefaßt.

Informelle Strukturen, antiautoritärer Selbstbetrug

Wie haben eigentlich die linksradikalen Entscheidungsstrukturen ausgesehen? Spätestens jetzt stellt sich die Frage. Mit Sicherheit waren sie nicht demokratisch und offen. Auf jedem Vorbereitungstreffen wurde der aktuelle Stand im TrägerInnenkreis, Bündnis in München und Arbeitsausschuß für den Gegenkongreß vermittelt. Aber das reicht nicht. Auskunftspflicht macht nur dann einen Sinn, wenn vorher von allen Beteiligten eine eindeutige Struktur für Entscheidungsfindungen festgelegt wird. Unausgesprochen sind sonst wenige die TrägerInnen von Entscheidungen und alle fühlen sich übergangen. Oder, der andere Fall, niemand fühlt sich für irgendwas verantwortlich. In der Mobilisierung ist keine von allen getragene Struktur entstanden.

Nach den Tagen in München haben sehr viele die Wenigen, die die Entscheidungen getroffen haben, heftig kritisiert. Es stimmt, viele Entscheidungen waren nicht mehr durchschaubar. Die Zwischenberichte in der AWI-Zeitung lösten dieses Problem auch nicht. Der häufige Satz: "Wir haben keine Strukturen" stimmt ja nicht - es sind bloß die falschen.

Grundsätzlich: Fast immer wird Kritik zur Frage des Wissens, und kann deswegen mundtot gemacht werden. Der Prozeß ist nicht transparent und für andere kontrollierbar. Es liegt nur an der Fähigkeit der organisierenden GenossInnen selbst, inwieweit sie den Prozeß offenhalten, Entscheidungen, bzw. andere denkbare Konsequenzen, zur Diskussion stellen. Cliquenwirtschaft einzelner Gruppen ist dann das Ergebnis. Was ein politisches Kollektiv noch kontrollieren kann, alle haben die Möglichkeit alles zu wissen, funktioniert im größeren Maßstab nie. Der Mechanismus ist im Kern nur linksradikales Krisenmanagement. Schon längst untauglich für uns selbst, aber eine einzige Katastrophe im Hinblick auf den Aufbau einer radikalen Bewegung, die mehr umfassen soll als Autonome, Antifas und Antiimps. Dies als innere Organisationsstruktur einer Massenbewegung gedacht, kann uns nur den Angstschweiß auf die Stirn treiben. Privilegien, individuelle Bereicherung, autoritäre Führung, nicht zuletzt verantwortungsloses Chaos sind die Folgen. Schon unter uns hat es keine Perspektive, gesellschaftlich erst recht nicht.

Aber das ist nichts Neues. Unorganisiertheit bringt höchstens als Zufall verbindliche Strukturen hervor, in denen Diskussion, Kritik und Entscheidung ihren eindeutigen Ort haben. Informelle Strukturen füllen das Vakuum aus. Das ist der linksradikale Selbstbetrug: Gegen diese autoritäre Tour ist der "demokratische Zentralismus" ein kollektiver Prozeß. Aus der grundsätzlichen Ablehnung von hierarchischen Strukturen (wie Parteien und Organisationen) hat sich eben nichts Besseres entwickelt. Der eigenen Rolle darin bewußt zu werden, sie abzulehnen und nach Veränderungen zu suchen, ist schon ein Schritt nach vorne.

Trotz der beschissenen Ausgangslage ist uns klar, daß ein Bruch mit der alten, auch eigenen Scheiße nie auf Knopfdruck, auf Befehl und gleichzeitig laufen kann. Das ist der schematische Wunsch: es macht klick und alle halten inne...

Das negiert die menschliche Existenz und Erfahrung. Die einen fangen gerade an, während andere schon wieder frustiert aufhören; die einen stoßen heute auf den Stellenwert der Theorie, während die nächsten ihre eigenen Bedürfnisse wieder entdecken usw. Es geht um Prozesse der Veränderung, des Lernens, der Aneignung, der eigenen Entwicklung. Das braucht klare Kriterien.

Wenn, beispielsweise in den Anti-WWG-Treffen, bei der vorhandenen Nicht-Organisierung so getan wird als wären alle gleichbeteiligt, wird sich was vorgemacht. Das hält nur solange an, bis eine "wichtige" Entscheidung ansteht. Dann wird informell klargemacht oder gar gekungelt wie es weitergeht, oft: damit es überhaupt weitergeht. Soweit es gut geht stört es fast niemand. Versagen diese informelle Strukturen aber, wie in München, oder läuft Mist, beschweren sich alle.

Den inneren "Zwang" diesen Zustand zu beenden gibt es nicht. Erst recht keinen Automatismus. Außer uns selbst. Da hilft kein Plan, kein Schema F - das wäre doch nur der alte Dreh, wenn auch mit Amt und Würden. Auch Mobilisierungen wie gegen den WWG brauchen Strukturen. Strukturen, die die Beteiligung Aller an Entscheidungen möglich machen. Strukturen, in denen definiert ist, wer welche Funktion inne hat, und so auch Überprüfung und Kritik erst möglich wird. Macht wird sich nur so verteilen. Strukturen sind Hilfsmittel. Mehr nicht. Erst sie schaffen den Raum, daß Widersprüche nicht ständig als Grenzsetzung des eigenen Handelns wahrgenommen werden, sondern als Erweiterung der Sicht unserer Realität.

Kongreß/Forum 1 - Internationaler Austausch

Die internationalen und gesellschaftlichen Veränderungen sind weltweit sichtbar. Für alle Basis- und Befreiungsbewegungen, auch für revolutionäre linke Kräfte in Deutschland und Europa, ist der internationale Austausch und eine Diskussion subjektiv und objektiv notwendig. Eine internationalistische Strategie revolutionärer Gruppen ist dagegen nicht erkennbar. Die antiimperialistischen Linien aus den 60er und 70er Jahren ("Einkreisung der Städte durch die Dörfer", "Im Herzen der Bestie") wurden nicht abgelöst durch eine Weiterentwicklung, die einerseits die Veränderungen und Grenzen reflektiert, andererseits einen gemeinsamen Bezugsrahmen herstellt. Nichts ist notwendiger als das. Diese Einschätzung hat sich in München bestätigt.

Leider ist es uns fast nie gelungen, schon in den Monaten vor dem Kongreß, die beabsichtigten Diskussionen und Fragestellungen mit den internationalen Gästen gemeinsam zu erarbeiten. Es blieb - wie oft - bei der Vorgabe eines Themas. Auch sollten unsere Erfahrungen in die geplanten Arbeitsgruppen innerhalb des Forums einfließen. Was bringt eine internationale Diskussion, wenn wir im eigenen Land nicht zu Hause sind?

Obwohl das an vielen Punkten nicht genau genug geklappt hat, ist es teilweise doch gelungen, eine lebhafte Diskussion unter allen Beteiligten herzustellen. Sowohl unter den ReferentInnen als auch unter den BesucherInnen. Die internationalen Gäste bekamen dadurch, und durch ihre Teilnahme an verschiedenen Demos, direkt einen Eindruck vom Zustand der fortschrittlichen und revolutionären Kräfte. Raumentzug und Kessel erklärten mehr über den 'demokratischen Zustand' unseres Landes als zig Seiten Analyse. Es wuchs eine kämpferische und internationalistische Nähe in diesen Tagen.

Im 500. Jahr der Kolonialgeschichte und dem permanenten Widerstand dagegen, wollten wir möglichst alle Fragen die sich aus dieser reichhaltigen Geschichte ergeben auf das notwendige Handeln heute zuspitzen. Demokratie, Menschenrechte und Selbstbestimmung sind Begriffe, die heute von den HERRschenden für fast jede Schweinerei als Legitimation benutzt werden. Aber was bedeuten sie für revolutionäre und progressive Kräfte und ihre Kämpfe, was bedeuten sie für die radikale und revolutionäre Linke in den reichen Industriemetropolen selbst? Das Recht auf Asyl vor Verfolgung, auf Wohnraum und Selbstbestimmung... usw., was sind es anderes als elementare Menschenrechte? Für viele fortschrittlichen Bewegungen haben sie eine große Bedeutung und sind Hoffnung zugleich, um die schon sehr lange und überall auf dieser Welt gestritten und gekämpft wird. Begriffe, an denen sich vieles was uns aktuell beschäftigt, entwickeln läßt.

Zu Beginn der Mobilisierung gab es in zweierlei Richtungen Auseinandersetzungen. In der bundesweiten Koordinierung der Linksradikalen war erst ganz bezweifelt worden, ob wir uns überhaupt an diesem Gegenkongreß beteiligen sollen. Zudem entstanden zum Teil heftige Auseinandersetzungen über die Begriffe Demokratie und Menschenrechte, wer sie wie definiert und was sie ausdrücken. In der Vorbereitung haben uns GenossInnen kritisiert: "Demokratie", diesen Begriff hätten wir als taktischen Kniff gewählt, um ohne größere Probleme unser Konzept gegenüber den eher bürgerlichen Kräften innerhalb des Kongreßbündnisses durchsetzen zu können, und überhaupt: Was haben wir mit "Demokratie" zu tun? - "Wir sind kollektiv". Sicher, in unseren Gruppen, und solange die revolutionäre Linke hier in diesem Land relativ marginalisiert ist, scheint sich diese Frage für uns erstmal nicht zu stellen. Da wird jede Diskussion schnell zur Frage eines Modells, eines Schemas, oder eine akademische Begriffsdebatte. Die wollen wir nicht.

"Demokratie" ist aber nicht nur eine Frage der Staatsform oder der gesellschaftlichen Verhältnisse. Für uns ist sie wesentlich wichtiger in Bezug auf die inneren Mechanismen der politischen Organisierungs- und Diskussionsprozesse der revolutionären Linken selbst. Und wir behaupten, solange eine sich revolutionär verstehende Linke nicht die Frage ihrer Organisierung stellt, die nicht auch auf der Ebene einer Massenbewegung perspektivisch Bestand hat - solange wird sich an ihrer gesellschaftlichen Nichtrelevanz und fehlenden Anziehungskraft auch nicht viel ändern.

"Organisiere dich selbst!" ist die richtige Forderung an Genossinnen und Genossen, die mit den Kämpfen und Mobilisierungen immer wieder in Berührung gekommen sind, oder selbst darin gehandelt haben. Aber taugt es als Forderung an die Menschen in der Gesellschaft, die überhaupt erst anfangen für sich selbst die Notwendigkeit, die Dinge selber in die Hand zu nehmen erkennen - denen erstmal vieles nicht paßt, aber die weder die Zeit, noch die Energie für die aufreibenden typisch linksradikalen Plenums- und Gruppenstrukturen haben? Die Antwort darauf kann nur in einem längeren Kampfprozeß gefunden werden, von selbst kommt das nicht. Wir müssen uns das vornehmen. Und am grünen Tisch werden wir das sicher auch nicht herausbekommen. Die auf eine zu entwickelnde Praxis bezogene Diskussion schließt das allerdings nicht aus. Im Gegenteil. In diesem Sinne wollten wir damit beginnen und diese Fragen auch zum Bestandteil einer internationalen Verständigung machen. Seltsamerweise kamen diese Auseinandersetzungen - nicht nur, aber auch mangels Zeit - in den Arbeitsgruppen überhaupt nicht mehr vor. (Die Dokumentation "Flugsand" enthält zwei Thesenpapiere zu "Demokratie, Menschenrechte, Befreiungskampf")

Wir überlegten, wie möglichst viele unserer eigenen politischen Vorstellungen eines Gegenkongresses mit dem Bündnis zusammen erarbeitet werden können. Die Rolle der BRD in der Weltordnung und ihr innerer Zustand, war neben den "500 Jahren" für uns ein Strang. Viele wissen was hier formale Demokratie bedeutet (keine Volksabstimmungen über weitreichende Entscheidungen des Staates, zum Beispiel). Attraktiv ist sie trotzdem in vielen anderen Ländern. Und sei es nur im Verhältnis zur eigenen Herrschaft. Deswegen wollten wir eine Auseinandersetzung darüber entfachen, wie die BRD etwa unter dem Deckmantel der Demokratie und der Durchsetzung der Menschenrechte quasi einen Baustein der Macht zum anderen fügt - und damit den Ausbau zum Zentrum der Macht anstrebt.

Inhaltlich war das alles wenig präsent. Das hatte viele Gründe. Die Beteiligung weniger Gruppen am ersten Forum bzw. dessen Vorbereitung ("500 Jahre Kolonialismus- 500 Jahre Widerstand / Demokratie und Menschenrechte in der Neuen Weltordnung") stand im ziemlich deutlichen Gegensatz zur starken Beteiligung vieler Leute an den Arbeitsgruppen während der Tage in München. Genauso sah es bei einer Arbeitsgruppe im zweiten Forum /Antirassismus) aus. Relevante Brennpunkte der Auseinandersetzung vergangener Jahre spielten in der Mobilisierung kaum noch eine Rolle. Es stellte sich heraus, daß anscheinend keine Gruppierung zur Zeit an Analysen über die Weltwirtschaft, die NATO und die Bundeswehr (weltweit geplante Einsätze) usw. arbeitet, bzw. in der Lage ist, diese Arbeit mit einer Mobilisierung zu verknüpfen und als Praxisorientierung zu entwickeln..

Mit heutigem Abstand denken wir, viel wichtiger als die Differenzen ob wir ihn "Internationalen Gegenkongreß" oder "verschiedene Veranstaltungen gegen den WWG" nennen, sind die Momente von wirklichen Diskussionen und Austausch die es auf alle Fälle überall gegeben hat, und was sich an ihnen weiterentwickeln läßt.

Auf den ersten Blick hat es einen Durchbruch gegeben. "Nach München" war x-mal mehr die Rede von "internationaler Diskussion" als "vor München". Aber Vorsicht ist angebracht: Für viele Linksradikale hatte sich der ganze Kongreß - im Reden und Denken - auf ein, zwei Foren reduziert.

Die Zeit hat in München nicht gereicht, irgendwelche Gedanken und Fragen zu vertiefen, gar zu gemeinsamen Schlußfolgerungen zu kommen. Illusionen über eine tiefergehende und genaue Auseinandersetzung konnten nicht aufkommen. Die Aufteilung in 7 verschiedene Kirchen in der ganzen Stadt, raubte noch viel mehr der wenigen Zeit und gab dem ganzen Kongreß auch ein neues Gesicht. Auch durch die Umstände bedingt, keine geeigneten Räume zu haben, gelang es in den Arbeitsgruppen fast nie, die Struktur eines Teach-Ins zu durchbrechen.

Die Einheit aller Aktivititäten haben wir nie als Hindernis begriffen. Es hat sich auch in den Gesprächen mit den GenossInnen gezeigt wie wichtig sie war. Sie haben sich ein greifbareres Bild unserer Bedingungen und Möglichkeiten machen können. Fast alle äußerten, daß sie diese direkte Verbindung von Diskussion und Aktion auf der Straße bisher nicht erlebt hatten, auch solche Überlegungen nicht kannten und sehr eindrucksvoll fanden.

Das Desaster um den richtigen Umgang mit dem Entzug der Uniräume hat die Diskussion beeinflußt. Auch unter und mit den ReferentInnen blieben unterschiedliche Herangehensweisen und Entscheidungen weitgehend undiskutiert. Auch wenn wir versucht haben sie an allen Entscheidungen zu beteiligen. Das wurde anerkannt, aber auch kritisiert: ihnen nicht zu sagen was sie zu tun und zu lassen haben.

Insgesamt ist festzustellen, daß sich nur wenige hiesige GenossInnen und Gruppen vorbereitet hatten. Jede Diskussion lebt davon, daß alle etwas dazu beitragen. Insbesondere eine "internationale Diskussion" setzt voraus, die Wirklichkeit im eigenen Land und die Entwicklung des eigenen Kampfes zu reflektieren und faßbar zu machen. Sonst bleibt die Diskussion, wie in München, größtenteils bestimmt durch einen informativen Charakter mit den entsprechenden Fragen des "Publikums" an die "ReferentInnen" - plakativ und oberflächlich.

Neben dem öffentlichen Austausch in den Arbeitsgruppen und erhoffter Diskussion, hatten wir versucht mit den ReferentInnen des Forums 1 Raum und Zeit zu finden für gemeinsames Kennenlernen und Gedankenaustausch. Das war während der Tage schwer genug. Die Münchener Zustände haben aber natürlich auch dazu geführt, in einem sehr kurzen Zeitraum sehr intensive gemeinsame Erfahrungen zu machen. Wir sind uns näher gekommen. Die Frage was es gebracht hat läßt sich nicht einfach beantworten. Vieles davon ist schwer greifbar zu machen, weil es emotional bestimmt war und gemeinsam das "Einheitsfrontlied" und "bella ciao" zu singen als Resultat der internationalen Diskussion auch nicht taugt. Trotzdem gehört es dazu und uns standen natürlich die Tränen in den Augen - und ohne dies wäre weder die ausgesprochene Absicht, in Kontakt zu bleiben, an Fortsetzungen dieses Zusammentreffens zu überlegen, noch eine gemeinsame Initiative für einen internationalen Kampftag für die Befreiung der revolutionären Gefangenen zu starten, denkbar gewesen.

Eine "internationale Strategie" ist in München nicht ausgebrütet worden. Wer das erwartet hat, war am falschen Ort. Der Begriff des Kampfes im jeweils eigenen Land, die Analyse der weltweiten Machtverhältnisse und die Konsequenzen daraus wurden in München nicht vertieft. Insoweit haben diejenigen Recht, denen all das gefehlt hat. Aber ziemlich irre, zu kritisieren der Geburt eines "neuen Internationalismus" nicht beigewohnt zu haben, wo nicht mal klar ist, was der alte war. Was für uns erfahrbar war, faßt diese Kritik nicht.

Spätestens auf der Großdemo und auch abends auf der Veranstaltung zur Freiheit aller revolutionären Gefangenen war erkennbar, daß "internationale Diskussion" was sehr praktisches ist. Es waren weniger die großen Worte, die Analyse der internationalen Situation als gemeinsam etwas gemacht und durchgesetzt zu haben. Das ist nichts Selbstverständliches.

Widersprüche

In der nachträglichen Auseinandersetzung hat die "internationale Diskussion" zum Teil einen völlig unangemessenen Stellenwert bekommen. Mehr als einmal wirkte es auf uns, als wenn sich an einen Strohhalm geklammert wird: irgendwas "Greifbares" muß doch rausgekommen sein. Oder, aus der international geführten Diskussion könnten Lösungen kommen, mit denen wir uns die Anstrengung revolutionäre Politik hier zu entwickeln, ersparen könnten. Eine Spielwiese für BetreuerInnenmentalitäten ist sie auch nicht. Das wird nicht funktionieren.

Dazu gehört auch, daß die Widersprüche im Kampf um Befreiung nicht unter den Tisch fallen dürfen. Das wurde uns nachträglich per Flugblatt vorgeworfen. Sexistisches Verhalten wird an einem eingeladenen ausländischen Referenten diskutiert.

Die militanten Kämpfe der Frauen haben in Westdeutschland die Entwicklung nachhaltig geprägt. Trotzdem ist es heute oft so, daß die antipatriarchale Diskussion zwar ständig erwähnt und als Thema eingefordert wird, aber keine Umsetzung im Alltag findet. Gerade diese Herangehensweise als Thema und nicht als eine im Kampf zu verändernde Wirklichkeit war in der Anti-WWG-Mobilisierung deutlich zu sehen. Es stimmt, wir haben da auch keine Bäume ausgerissen.

Als uns das Mackerverhalten aufgestoßen ist, haben wir es ihm direkt gesagt. Nicht öffentlich - welche Öffentlichkeit? -, weil es in der Situation um das Direkte ging. Jetzt wissen wir, daß die Diskussion schon älter ist. Diejenigen, die es wußten, obwohl zum Teil mit uns im Kontakt, haben weder uns als Gruppe, noch uns Frauen informiert. Ganz offensichtlich waren die taktischen Überlegungen, die uns untergeschoben wurden - die internationale Diskussion nicht zu gefährden - die eigenen. Die entsprechende connection hat ohnehin zu allem geschwiegen - vorher und nachher.

Wir denken, daß es in der internationalen, wie in jeder Diskussion zwischen RevolutionärInnen immer notwendig sein wird, sich mit Sexismus und Patriarchat auseinanderzusetzen. Wir lernen in Kämpfen. Das hat uns München auch nochmal klargemacht. In diesem Prozeß werden wir permanent auf Widersprüche stoßen, mit denen wir uns auch hier rumschlagen müssen.

Die Anti-WWG-Mobilisierung sollte insbesondere auch mit MigrantInnnen und Exilorganisationen vorbereitet werden. Das ist kaum gelaufen. Die Auseinandersetzung mit ihnen wurde im linksradikalen Spektrum auch wenig gesucht. Das hat sehr viel mit entweder kritiklosem Abfahren oder Ignoranz, selten gleichberechtigt voneinander lernen und zusammen handeln zu tun. Das Problem vieler Exilorganisationen ist aber nicht nur das organisatorische Chaos der widerständischen Linken, das sicher auch immer, sondern genauso ihr häufiger Begriff von Exil-Politik. Oft eine taktische Haltung, gerade in Bündnissen, aber auch zu unserem Kampf. Konkret: Dazu gehört, daß wir eine Machtposition erhielten (z.B. Anzahl/ Auswahl der ReferentInnen zu entscheiden), weil wir das Forum nicht zusammen vorbereiteten. Aber auch das Verhältnis einiger Organisationen, denen wichtiger war möglichst viele ihrer Leute unterzubringen, als eine inhaltliche gemeinsame Bestimmung herauszuarbeiten.

Freiheit für die revolutionären Gefangenen weltweit

Eine für alle Widerstandsbewegungen zentrale Frage ist immer die nach der Behandlung der revolutionären und Kriegsgefangenen, der Kampf um ihre Freiheit, eine Frage des Menschenrechts! Die 500-Jahres-Kampagne in "Amerika" hat beispielhaft diese Frage mit der Forderung nach sofortiger Freilassung von Leonard Peltier, indigener Gefangener in den USA, verknüpft.

Diesen auch für unseren Kampf wichtigen Schwerpunkt haben wir aufgegriffen und zusätzlich zu den Arbeitsgruppen am Samstagabend eine zentrale Veranstaltung zur "Freiheit aller revolutionären Gefangenen weltweit!" gemacht. All die Strapazen der vergangenen zwei Tage, in denen zwei Demonstrationen durchgeführt werden konnten (was nun wirklich keine Selbstverständlichkeit war), wo viele Beiträge aus andern Ländern zu hören waren, die Wut darauf, wie im neuen Großdeutschland das Treffen der selbsternannten Heilsbringer und WeltbeHERRscher zelebriert und geschützt wird... all dies hatte eine Stimmung geschaffen, die außergewöhnlich war für ein Land wie dieses. Ungewöhnlich auch für eine radikale oder revolutionäre Linke hier. Wie beabsichtigt sollte es eine demonstrative und kämpferische Veranstaltung mit kurzen Beiträgen aus verschiedenen Teilen dieser Welt zum jeweiligen Kampf der Gefangenen für ihre Freiheit werden. Die Stimmung übertraf alle Erwartungen. Die Beiträge der einzelnen Genossinnen und Genossen wurden mit minutenlangen Beifällen begleitet. Die Parole "Freiheit für alle politischen Gefangenen" wurde, wie schon auf der Demo, sehr oft gerufen. Durchbrochen war das oft dumpfe und trennende Reduzieren der Solidarität mit Kämpfen in dieser Welt unter dem Motto; "je weiter weg von Deutschland - um so größer." Gefangene aus verschiedensten Kämpfen um Befreiung von der weltbeHERRschenden Barbarei der Imperialisten waren "anwesend" und durch nichts auseinanderzudividieren. Günter Sonnenberg, ehemaliger Gefangener aus der RAF, wenige Wochen vorher aus 15-jähriger Gefangenschaft entlassen, wurde sehr lange herzlich und stürmisch begrüßt. Alle waren mit ihren Herzen anwesend. Alle Genossinnen und Genossen, aus El Salvador bis zur Türkei, aus der BRD bis nach Puerto Rico, von Uruguay bis in die Philippinen, alle hatten eine gemeinsame internationalistische Forderung die sich herausgebildet hatte - FREIHEIT FÜR ALLE POLITISCHEN GEFANGENEN WELTWEIT!

Vor dem Hintergrund dieser politischen und emotionalen Übereinstimmung, und aus den Diskussionen in und außerhalb des Forums, wurde überlegt, eine gemeinsame Initiative für einen weltweiten Tag für die Freiheit der politischen Gefangenen zu starten. Aber allen war auch klar, daß dies kein kurzfristiges und spontanes Projekt sein kann. Dazu ist es zu wichtig. Notwendig ist es dafür, die Verbindungen zu festigen und die realen Entwicklungen in den einzelnen Ländern einzubeziehen. In der nächsten Zeit soll in Deutschland ein Initiaitvkreis dafür gegründet werden.

Die Aktionstage waren nochmal überraschende Tage. Wir beteiligten uns an fast allen Aktionen (hauptsächlich Demos und Kundgebungen), waren also nochmal mit vielen tausend anderen drei Tage von morgens bis abends auf den Beinen. Und es hat sich sehr gelohnt. Es war viel mehr los auf Münchens Straßen und Plätzen, als wir es erwartet hatten. Noch viel mehr wäre auch möglich gewesen.