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2009-05-07

Der große Beschützer

Von Luigi Sullo

6. Mai 2009

Reden wir schlecht von Garibaldi? Nur zu, schließlich ist es eine alte und edle italienische Gepflogenheit. In diesem Fall ist Zivilschutzchef Guido Bertolaso der Held der zwei Welten [Italien und Sri Lanka, immerhin] der auch Staatsekretär des Ministerpräsidenten, außerordentlicher kommissarischer Beauftragter für Müll in Kampanien und ich weiß gar nicht mehr was alles sonst ist. Auf dem Deckblatt unserer Ausgabe vom kommenden Freitag bilden wir ihn mit einer Kopfbedeckung wie jene, die Napoleon trug. Bloß um ein bißchen darüber zu spaßen, auch wenn die Bürgermeister in der Provinz von L'Aquila wenig zu lachen haben: sie machen eine Sitzung mit dem großen Beschützer und müssen sich sagen lassen: "Das Geld ist da" [obwohl denen, die ihr Heim verloren haben im Regierungsdekret eine Entschädigung in Höhe von 30% geboten wird] und dass "ich mich darum kümmern werde, die Bürgermeister zu konsultieren" [obwohl sie laut Dekret vollständig außen vor sind]. Wo die antiseismischen Holzhäuschen* hingestellt werden sollen, das wird die Regierung entscheiden, und was für eine Art von Häuschen das sein werden [und wer sie liefern soll], auch.

Und was hat der Zivilschutz überhaupt mit dem Wiederaufbau zu tun? Sollten es nicht die Ministeien, in Absprache mit den lokalen Behörden sein, die wiederaufbauen und entscheiden, wo und wie [unserer Meinung nach sollten es die Bürger sein, da wird man aber gleich als Kommunist abgestempelt, wenn man das sagt]? Und dann gibt es den G8: Warum soll sich la Repubblica - na ratet mal? - an Bertolaso wenden, wenn sie wissen will, was auf La Maddalena passieren wird, nachdem die Verwaltung der Region Sardinien ein haufen Geld ausgegeben hat? Und ist es nicht der selbe Bertolaso, der das Mega-Event auf L' Aquila organisiert, anstelle des Innenministers? Wie wird der Chef des Mega-Zivilschutzes es schaffen, sich gleichzeitig mit der Müllverbrennungsanlage in Acerra zu beschäftigen, den er kürzlich zusammen mit Berlusconi einweihte und der de facto nicht funktioniert - nicht einmal, um die getürkten und beunruhigenden "Ökoballen" vin Impregilo zu verbrennen? Ein Glück, dass Bertolaso darauf verzichtet hat, im auerordentlichen Auftrag die römischen Denkmäler zu verwalten.

Tatsächlich sagt niemand Bertolaso schlechtes nach: er ist schnell, erfahren und fähig, und die zügigen Hilfen für die Erdbebenopfer sind ein gutes Effizienzbeispiel gewesen**. Eine von uns befragte Person hohen Ranges aus dem Zentralstab des Zivilschutzes, hat ausschließlich Lobgesänge für ihren Chef übrig. "Aber er kann nicht nein sagen", fügt sie hinzu. Deshalb ist er, der so eng von einschüchternden Dekreten, Truppenaufgeboten in Kampanien, Geheimhaltung und panikeinflößenden Sicherheitsmaßnahmen, die der G8 den Abruzzen aufzwingen wird begleitet wird, für alles Mögliche zum operativen rechten Arm Berlusconis geworden. So wird das große Gipfeltreffen der Hebel für einen militarisierten, von Berlusconi im Grazioli-Palast zusammen mit seinen Verrückten, "new Towns" und andere Modernitäten imaginierenden Architekten beschlossenen Wiederaufbau werden.

Giulio Marcon, der etwas von sozialen Organisationen versteht, erklärt uns, dass der Wendepunkt in der noch jungen Geschichte des Zivilschutzes die von der Regierung D' Alema als Benefizveranstaltung für die Kosovaren während der Bombardierung der Serben gewollte Operation Regenbogen gewesen ist. Zu jener Zeit, war der Chef ein anderer, seit 2001 übernahm jedoch Bertolaso das Kommando und er war es, dem nach dem Tsunami in Asien aufgetragen wurde, das von den Leuten gespendete Geld in Sri Lanka auszugeben. Und dieses Geld ist ein weiteres, sehr dunkles Kapitel. Weil es wirklich so zu sein scheint, dass Bertolaso mit dem Rücktritt gedroht hat, als das letzte Haushaltsgesetz drohte, die Finanzen des Zivilschutzes zu kürzen. Gleichzeitig ist er aber befugt, wie im Fall der Abruzzen, im Namen des Ausnahmezustandes in Abweichung von Vorschriften und bar von Kontrollen von Privatpersonen gesammelte Geldmittel zu verwenden: aber wenn doch der G8 der wahre Aunahmezustand ist? Und, zu guter Letzt: der Zivilschutz ist eine Struktur mit zentraler Koordination und von den Regionalverwaltungen [mal gut, mal schlecht] eingerichteten, regionalen "Kolonnen", die aus generösen und kompetenten Freiwilligen und sozialen Organisationen bestehen.

Es ist nur so, dass die Gelder für das, was der wahre Sockel des Zivilschutzes ist, fehlen: nach dem Beben in den Abruzzen wurden regionale Einsatzfahrzeuge, die unterwegs nach L' Aquila waren, auf den Autobahnen zurück gelassen, weil es kein Geld für die Wartung gibt und die Fahrzeuge kaputt gingen. "Es gewinnt", also, wie Marcon sagt, die "Imagekultur"***. Auf allen Sendern wird der effiziente hemdsärmelige rechte Arm des "Premier" inszeniert, der sich - ja, auch er - zwischen einer leicht schwülen Bemerkung an die Adresse einer Freiwilligen und einer Beistandsleistung für die Oma, die ihr Gebiss verloren hat, persönlich der Befriedigung der Bedürfnisse der Erdebebenopfer annimmt.

* bis zum Winter sollen zur Behausung der aktuell in Zelten wohnenden, obdachlos gewordenen Bevölkerung, kleine Häuschen gebaut werden.

** diese sichtweise ist stark umstritten

*** auch: "Bildkultur" - auf Italienisch identisch

Source: http://www.carta.org/campagne/ambiente/17366