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2006-05-13

"Anti-Kapitalismus" von Rechts

"Der Rechte Rand" Nr. 100

Auftaktdemonstration der neonazistischen Kampagne "Zukunft statt Globalisierung" am 1. April 2006 im thüringischen Arnstadt

Hinter bunten Bannern mit Parolen wie "Zukunft und Heimat schützen! Gegen Globalisierung und Kapitalismus" und "Kapitalistischen Normalitäten entgegentreten" fand am 1. April 2006 die Auftaktdemonstration der Kampagne "Zukunft statt Globalisierung" statt.

Auftaktdemonstration der neonazistischen Kampagne "Zukunft statt Globalisierung" am 1. April 2006 im thüringischen Arnstadt
Hinter bunten Bannern mit Parolen wie "Zukunft und Heimat schützen! Gegen Globalisierung und Kapitalismus" und "Kapitalistischen Normalitäten entgegentreten" fand am 1. April 2006 die Auftaktdemonstration der Kampagne "Zukunft statt Globalisierung" statt.
Freie Menschen statt freie Märkte! "Kapitalismus abschaffen - jetzt!", unter diesem Motto verkündeten Neonazis Ende Januar 2006 den Start der "Antikapitalismus-Kampagne 2006". Doch nur 400 Neonazis aus Thüringen und den angrenzenden Bundesländern folgten dem bundesweiten Aufruf zur Auftaktdemonstration in die ostdeutsche Kleinstadt Arnstadt. Die bunten Transparente und Parolen waren dabei wenig innovativ. Sie wurden zum Großteil unverhohlen von linken globalisierungskritischen Gruppen übernommen und für die eigenen Belange abgeändert. Angeführt wurde der Aufmarsch von als Kapitalisten verkleideten Neonazis, die Sträflinge mimende Kameraden hinter sich herführten, die Schilder trugen mit der Aufschrift: "Zinsgefangene im System". Andere Neonazis orientierten sich stattdessen an einem aus ihren Reihen altbekannten Agit-Prop-Stil: Mit aufgesetzten Eselsmasken trugen sie auf Schildern Parolen wie diese vor sich her: "Ich Esel glaube noch, dass EU und Liberalismus Freiheit bedeuten". Unbedarften Beobachtern wird sich jedoch auf den ersten Blick nicht gleich erschlossen haben, wes Geistes Kind dort marschierte. Verstärkt wurde diese vermeintliche Irritation durch einen geschlossenen "schwarzen Block" von etwa 150 autonomen Nationalisten mit Basecap, Sonnenbrille, Schal, Kapuzenpulli und Handschuhen, der sich optisch noch einmal deutlich vom Rest des Aufmarsches abhob. Auch die Polizei war von diesem Auftreten deutlich verwirrt und vernachlässigte diesen Demoabschnitt. Ungehindert konnten so teilweise vermummte pressescheue Neonazis einen Kameramann des Mitteldeutschen Rundfunkes angreifen. Den eher theoretischen Reden der, von Peter Naumann abgesehen, überwiegend regionalen Nazikader folgten die "Kameraden" überraschend aufmerksam. Deutlich zeigt dies das Interesse der Aktivisten an dem Kampagnenthema. Sie ließen sich dabei auch kaum von den etwa 600 GegendemonstrantInnen stören, die nur in weiter Ferne gegen sie protestieren durften.
Was bisher geschah…
Ausgangspunkt der "Anti-Kap-Kampagne" ist eine von Ralf Wohlleben aus Jena angemeldete Internetseite mit Namen "antikap.de". Unter ihrem Banner stand auch die "2. antikapitalistische Kaffeefahrt" des "Thüringer Widerstands" am 4. März 2006, die durch Bad Salzungen, Ilmenau und Arnstadt führte und schließlich mit einer Spontandemo in Neudietendorf beendet wurde. Die lokalen Neonazi-Anführer Hendrik Heller (Bad Salzungen), Patrick Wieschke (Eisenach) und Patrick Paul (Erfurt) sprachen auf den jeweiligen Kundgebungen vor gut 120 Kameraden. Die ideologischen Grundlagen für die Kampagne wurden am 18. März 2006 in Lichtenhain-Ober-weißbach rund 150 "freiwilligen Multiplikatoren und Botschaftern der neuen Idee" vermittelt, u.a. von Arne Schimmer und Per Lennart Aae von der sächsischen NPD-Landtags-Fraktion, sowie 70 Teilnehmern (Eigenangaben) am 25. März in Dresden bei einer vom "Arbeitskreis Politik" organisierten Veranstaltung.
Theoretischer Background?
Im Spektrum der jüngeren Neonazis liegt das Thema spürbar im Trend, ob in Internet-Foren-Debatten oder bei den Magazinen "Fahnenträger" (Heringsdorf) und der "Mitteldeutsche(n) Jugend-Zeitung" (Wolgast). Theoretisch eingeführt wurde die Kampagne indes explizit Anfang des Jahres zuerst mit älteren Texten, unter anderem vom "Kampfbund Deutscher Sozialisten", die über die "Heimatseiten" verschiedener neonazistischer Gruppen bereitgestellt wurden. Erst eine Woche vor der Auftaktdemonstration erschien die lange angekündigte "Antikapitalismusbroschüre" unter dem Titel: "Antikapitalismus von ›rechts‹. Nationalen Sozialismus durchsetzen", die von der "AG Zukunft statt Globalisierung - Sachsen" herausgegeben wurde (V.i.S.d.P. Mathias Rochow). Originär setzen die Macher auf sechzehn inhaltlich bestimmten Seiten auf eine völkische und nationalistisch fundierte Kapitalismuskritik im Stile des einstigen NSDAP-Vordenkers Gregor Strasser und der "Arbeitsgemeinschaft Nordwest", die 1925 von nord-und westdeutschen Gauleitern gegründet worden war. Unter Sicherung des Privateigentums und des Mittelstandes im Rahmen einer Volks(wirtschafts)gemeinschaft greift die AG in antisemitischer Manier die "Zinswirtschaft" an und wettert gegen Globalisierung als vermeintliche Zerstörerin von "Kultur", "Familie", "Nation" und "Volk". Deutlich wird bei der Lektüre aber auch, dass es hier nicht um eine Querfrontstrategie geht. Vehement grenzt sich die AG gegen eine "kommunistische Kapitalkritik" und deren gesellschaftlichen Utopie ab. Immerhin geht es um die Gunst der vom Kapitalismus Desillusionierten, deren Potenzial, wie eine aktuelle Studie der "Rosa-Lu-xemburg-Stiftung" unter 400 Langzeitarbeitslosen ergab, sehr hoch ist.
Wohin geht die Reise?
Der vordergründig mit bunten Transparenten präsentierte Ansatz "Antikapitalismus" könnte kommend den theoretischen Rahmen einer sich radikalisierenden Neonazi-Szene bieten in ihrem Kampf für eine "Systemüberwindung". Derweil setzen die Neonazis mit der neuen Kampagne konsequent ihre Agitation gegen Hartz IV und die Agenda 2010 fort. Mittelfristig wird auch der G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 zu einem ihrer Mobilisierungsziele werden. Bereits jetzt versuchen die neonazistischen Kader der "Anti-Kap-Kampagne" ihren Kameraden nahe zu legen, in antikapitalistische und globalisierungskritische Gruppen "einzurücken" und sich an Organisationen wie dem DGB "kritisch zu beteiligen".