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2008-11-23

Genua 2001 - Diaz-Schule

Guido Ambrosino, Berlin

Von der Bedeutung der Narben her, die eine Metzelnacht auf italienische Art (warum sagen wir immer "mexikanische Art", wenn wir es doch sind, über die man spricht?) hinterlassen hat, befindet sich ein Stück Diaz-Schule in Berlin. Von 93 jungen Frauen und Männern, die dort zum Übernachten ihren Schlafsack ausgerollt hatten, kamen 45 aus Deutschland, von den etwa 20 aus der Stadt an der Sprre sind. Unseres Landes verwiesen, dank eines Luftschlosses aus Falschbeschuldigungen lange Zeit des Widerstands, der Anwendung von Gewalt, des Besitzes von Molotov-Flaschen und der Mitgliedschaft im schwarzen Block verdächtigt, sind sie von Angeklagten zu Anklägern geworden. Für sie ist das Spiel mit dem Urteil, das die Polizeiführer freisprach und bloß 13 Vollzugspolizisten zu Strafen verurteilt hat, die durch deren Erlass annulliert werden, nicht zu Ende.

Bild: GE2001

Das Verfahren werden sie ohne die Roben fortsetzen, durch kontinuierliche Gegenöffentlichkeit, mit einer Präzisen und kompetenten Vermittlung von Informationen an die großen Medien, "gegen den italienischen Staat, der sich mitverantwortlich gemacht hat, weil er ihm zu Dienste stehende Kriminelle in Uniform gedeckt hat".

Gestern hatte der Berliner Ableger von Supportolegale, das im Windschatten des G8 in Genua geborene Rechtshilfenetzwerk deutsche Journalisten und italienische Korrespondenten zu einer Pressekonferenz eingeladen. Auch für die anderen "Diaz-Genossen" haben Jens Herrmann, Politologe, und Valeria Bruschi gesprochen, die seit Jahren als Italienisch-Lehrerin in Berlin lebt, die gerade aus Genua zurück sind, wo sie einem für den Rechtsstaaat suizidalen Urteil beigewohnt haben: "In jenem Gerichtssaal", sagen sie, "steht geschrieben, dass das Gesetz für Alle gleich ist. In Genua stimmt das nicht mehr". Der Grünenabgeordnete Christian Ströbele, der unter den Ersten war, die sich 2001 nach Genua stürzten, um den Unglücklichen zu Hilfe zu kommen, hat sein Büro in Kreuzberg - ein Stadtviertel, das ihm ein Direktmandat gab, und der Einzige ist, der mehr Stimmen erhalten hat als die Kandidaten der Volksparteien - zur Verfügung gestellt. An seiner Seite, die Anwältin Eva Lindenmaier, die sich seit 2001 mit den Peripetien der berlinischen Genueser beschäftigt. Es fällt Lindenmaier nicht leicht, den deutschen Journalisten die Sonderbarkeiten unserer Rechtsordnung zu erklären, das Spiel der Erlasse oder den perversen Mechanismus, der oft dazu führt, dass die Verjährung vor dem Abschluss eines Verfahrens greift. In Deutschland wird der Ablauf der Verjährungsfrist bei Verfahrenseröffnung unterbrochen, so dass die Rechtsverdreher weit weniger motiviert sind, Untersuchungen und Verfahren so lange wie möglich hinauszuziehen. Wenn man auch in Italien ein solchres System einführen würde, würde die Dauer von Gerichtverfahren möglicherweise halbiert werden. Den Deutschen fällt es auch schwer, die gemeine, typisch italienische Perfidie zu verstehen, mit der die Polizei die Falschbeschuldigungen konstruiert hat, die auf manipulierte Indizien gestützt waren: "In Genua", merkte Ströbele an, "suchte ich den damaligen Polizeipräsidenten (von Genua, A.d.Ü.) auf, Ich muss zugeben, dass ich schmunzeln musste, als ich ihn von Molotov-Flaschen, mit Messern angegriffenen Polizisten, von in der Diaz versteckten Stöcken und Stangen erzählen hörte. Ich hätte nie gedacht, dass ein Beamter so unverfroren lügen kann".

Um nochmal auf das Urteil zurück zu kommen: die Berliner von der Diaz-Schule fühlen sich auch durch die Geringfügigkeit der angeordneten Entschädigungen: Ausgangsbasis sind 5.000 Euro, höhere Summen gibt es für jene, die schwer oder sehr schwer verletzt wurden. "Sie haben uns behandelt, als ob wir bei einem Verkehrsunfalls verunglückt wären", sagt Valeria, "ohne Berücksichtigung der erlittenen psychischen Traumata, der immensen Mühe, die die Verfolgung eines Verfahrens in einer fremden Sprache - oder gar zweier Verfahren, für die, die auch durch Bolzaneto ging - gekostet hat, der Reisen zu den Verhandlungen in einer fernen Stadt". Es bleibt aber auch die Kraft, die sich aus den in diesen Jahren entstandenen Freundschaften beziehen lässt, besonders mit den "fantastischen" Genossen der genuesischen Supportolegale-Gruppe.

Source: http://www.ilmanifesto.it/Quotidiano-archivio/22-Novembre-2008/art14.html