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2007-12-12

»Wir vergessen nicht«

Die antikapitalistische Linke hierzulande ist, sechs Monate nach den Protesten gegen den G8 Gipfel an der Ostsee, verstärkt mit Antirepressionsarbeit und dem Thema Innere Sicherheit beschäftigt. Ein Blick über die Alpen verrät, dass die repressiven Nachwehen eines solchen Widerstandsspektakels die lokalen Zusammenhänge noch Jahre beschäftigen könnten.

Am 17. November 2007 gingen mehr als 50.000 Menschen in der italienischen Hafenstadt Genua auf die Straße um gegen die Anklage von 25 Demonstranten zu demonstrieren.

Bild: 20. Juli 2001, Genua

Die Bewegung kehrt zurück nach Genua

Aufgrund ihrer vermeintlichen Beteiligung an den Straßenschlachten beim G8 Gipfel 2001 in Genua sollen die Angeklagten, zu Haftstrafen zwischen sechs und 16 Jahren verurteilt werden. Den Demonstranten, die unter Slogans wie »Die Geschichte sind wir« und »Wir vergessen nicht« protestierten, ging es jedoch nicht nur um die Freiheit der 25 Gipfelgegner.
Sie kritisierten, dass die Staatsanwälte durch die Anklage mit dem Artikel »Verwüstung und Plünderung« versuchen die Geschichte der Proteste umzuschreiben. Nicht die Gewalt der Polizei, welche die Demonstrationen angriff, faschistische Lieder sang, auf den Wachen folterte und schliesslich Carlo Giuliani erschoss, würde sich so im kollektiven Gedächtnis verankern, sondern die gewalttätige Form, des als Reaktion erfolgenden, massenhaften Aufstands.

Diskreditieren

Die konkrete Anklage ist zudem ein einziger Skandal, stammt doch der Artikel »Verwüstung und Plünderung« aus dem Faschismus und sollte Überfälle militärischer Einheiten auf italienische Städte sanktionieren. Richtigerweise wurden nicht einmal die oft mit Pistolen bewaffneten Straßenkämpfer der 70’er Jahre mit dieser Anklage konfrontiert.
Um den absurden Vorwurf trotzdem aufrecht zu erhalten, halluziniert die Staatsanwaltschaft eine internationale Terrorgruppe namens »Black Bloc« herbei. Diese soll die Stadt Genua verwüstet und in Brand gesteckt haben. Obwohl weder diese Organisation, noch das Szenario jemals Wirklichkeit waren und die Angeklagten aus den unterschiedlichsten Lebensrealitäten kommen, wird jedem von ihnen vorgeworfen Mitglied in diesem »Black Bloc« zu sein.

Ruinieren

Auch die Mitte-Links-Regierung beteiligt sich an diesem Angriff auf das kollektive Gedächtnis, indem sie sich innerhalb des erinnerungspolitischen Diskurses klar positioniert. Sie forderte kürzlich von jedem der Angeklagten 100.000 Euro Entschädigung für den Imageverlust, den Italien wegen der Ereignisse in der Weltöffentlichkeit erleiden musste. Dabei stand damals hauptsächlich die Brutalität der Ordnungskräfte im Fokus des internationalen Interesses.

Disziplinieren

Neben der erinnerungspolitischen Dimension hat der Prozess aber auch eine disziplinierende Funktion. Er stellt eine unmißverständliche Botschaft an die außerparlamentarische Bewegung dar: Widerstand gegen staatliche Maßnahmen wird aufs Schärfste sanktioniert. Insofern sind die sich in Genua Bahn brechende Brutalität der Beamten und die nun folgende Anklage zwei Seiten der selben Medaille.
Dies betrifft letztendlich uns alle, und zwar nicht nur weil die internationale Beteiligung damals unübertroffen groß gewesen ist. Denn spätestens seit den Ereignissen rund um die Gipfelproteste von Rostock, bei denen Polizeigewalt und Massenverhaftungen mit einer Welle von Paragraphen 129a Verfahren einhergingen, ist deutlich geworden, dass die Repression gegen den antikapitalistischen Widerstand kein lokales Phänomen ist, sondern so international wie die Bewegung selbst.

www.antiberliner.de/artikel/artikel1504.htm

Source: www.antiberliner.de