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2002-11-16

DAS WAR 2002 IN ITALIEN

Hier am Ende eines längeren einleitenden Artikels, als kleines Stück Presseschau ein Artikel des in der Antiglobalisierungs- und Antikriegsbewegung gewichtigen "zivilgesellschaftlichen" online-Gegenöffentlichkeitsmediums "Carta" und zwei Artikel aus der der italienischen PRC nahestehenden Online-Ausgabe der L´Unitá, je einmal zu der Einschätzung des Sekretärs der Partei (PRC) und zu der Stellungnahme der "DS", aus dem linsdemokratischen Parteienflügel zur Verhaftungswelle.

Damit stellen sich wirklich, wenn auch erstmal nur stellvertretend für Zig Solidaritätsadressen und Stellungnahmen seit der Vorfälle, weite Teile dessen, was in vielen Kritiken eher zum reformistischeren Teil des EFS gezählt wurde, aber immerhin eine Menge der 500.000 + x von Florenz gestellt hat, hinter die Verhafteten. Das soll was heißen.

Im ganzen Land wird mit entsetzen protestiert
Selbst die so genannten Kattokomunisten aus dem in Italien ohne Frage gut entwickelten, pazifistischen sustainable-development-netz, haben öffentlich Solidarität erklärt und dazu aufgerufen, "Auf die Straße zu gehen, und den Menschen zu erklären, was die (in den Augen aller auf´s Unzulässigste kriminalisierte)"bewegung" wirklich ist". In allen möglichen Städten finden seit gestern Sit-ins und andere Aktionen statt. Der altlinke Theatermensch und Nobelpreis Dario Fo kommentierte, es handle sich um "die Rache für das EFS, das gut gegangen ist". Fo sagte auch, das Ganze ähnele "zuvielen Aktionen aus der schwarzen Periode unserer Demokratie". In der Tat erwachen spätestens jetzt in Italien in sachen Strategie der Angst die Gemüter, die das noch nicht ganz wahrhaben wollten.. Über die Ereignisse in Italien im Jahr 2001 ist einiges bekannt. ( > mindestens Neapel im März und Genua im Juli).

2002 ging das in Italien dann in groben Zügen so weiter: im Vorfeld der Verschärfung der sozialen und politischen Auseinandersetzungen um die von der Regierung geplanten Abschaffung des Kündigungsschutzes intensiviert die Presse die Streuung recht eindringlicher Meldungen über Verlautbarungen der Geheimdienste zu einer mutmaßlichen Wiederauferstehung der Roten Brigaden. Geortet werden die mutmaßlichen Verdächtigen im militanten Arbeitermilieu. Im Land ist derweil schon voll die Mobilisierung für den Generalstreik im Gang, die politische Debatte um das Thema ist flächendeckendangeheizt: in der Politik, innerhalb der "Bewegungen" und erst recht innerhalb der Gewerkschaften. Eine Woche bevor 2/3 der arbeitenden Bevölkerung zur Verteidigung des Kündigungsschutzes streiken werden, wird ein Berater des Arbeitsministers niedergeschossen. Auf eine für die Roten Brigaden absolut untypische Art (e-mail an zwei Zeitungen) taucht ein von vielen für unecht geachtetes, aber von den Behörden anerkanntes BR-Bekennerschreiben auf. Prompt wird die am 16. April streikende Masse mit dem Druck der Gewerkschaften konfrontiert, wegen des Anschlags auf den Arbeitsberater nun "gegen den Terror" zu demonstrieren, wo es sich um ein Streik gegen die Abschaffung des Artikel 18 des Arbeiterstatuts, des Kündigungsschutzes handelte. Es wurde inhaltlich dann auch eine Mischung aus beiden. Auf den transparenten, in den Redebeiträgen ... Dann tröpfelte es weiter Geheimdienstverlautbarungen, hier verbotene, gefährliche Flugblätter, da ´mal ein paar Hausdurchsuchungen ... zum Bush-Besuch ist Italien zunächst wie gelähmt. Die "Bewegungen" scheinen sich kurzfristig in Luft aufgelöst zu haben.

Innenpolitisch bleiben die Sozialreformen mitunter existentiell brennendes Thema. Die CGIL Gewerkschaft kündigt einen heißen Herbst zum Sozialpakt an. In vielen Fabriken ist die Stimmung zunehmend angespannt. Immer häufiger werden von Arbeitern Betriebsversammlungen gehalten und auch schon ´mal Straßenblockaden durchgeführt. Auch das Spektrum der Sozialen Zentren und der Globalisierungsgegner steht nicht still. Allerlei Gruppen führen die unterschiedlichsten Aktionen, Aktivitäten und debatten durch. Die pazifistische Ecke organisiert Friedensmärche, Arbeitslose führen lautstarke Protestaktionen, mitunter Rathausbestzungen und dergleichen durch, andere Gruppen organisieren Aktionen gegen Gen-Tech-Feldern oder Hochgeschwindigkeitsbahnen, Migranten gehen mehrfach zu Hunderten auf die Straße und unabhängige Basisgewerkschaften gelingt es beim Generalstreik an die 300.000 Menschen zu mobilisieren. Die Presse streut derweil zuverlässig weiter Verlautbarungen zu.

In Taranto werden in einer Nacht-und-Nebel Aktion verschiedene AktivistInnen verhaftet und ihre Wohnungen und Arbeitsräume durchsucht. Vorwurf: umstürzlerische Vereinigung. Auch hier ist schon Napoli, und damit eine Art offene Rechnung mit Gruppen aud der Anti-globalisierungsbewegung der Hintergrund. Auch die örtliche Cobas-Sektion wird durchsucht, ein Vertreter der Basisgewerkschaft wird verhaftet. Im Frühjahr war in diesen Räumen schon nach Genua Videomaterial gesucht worden, wie in anderen Städten und bei indymedia.italy auch. Die unerhört schweren Vorwürfe erweisen sich als nicht haltbar, die Leute kommen einige Tage später frei. Frei, aber, wie alternative Medien in Italien berichteten, durch sehr harte Verhöre und eine kaum freundlichere Behandlung schwer angekratzt. Sowas zeichnet. Auf Dauer macht das mürbe. Das kennen die Italiener sehr gut. Das Trauma der 70er Jahre sitzt den Menschen immer noch im Nacken. Mit Genua bis vor der Todessekunde Carlo Giulianis waren Geister wiederaufgelebt, die zwei volle Jahrzente nicht zuletzt eben dem Trauma erlegen waren. Die blutigen und Angstgeladenen 70er waren geendet mit einer extrem breiten Massenverhaftungswelle, die das Ende einer Epoche und die x-te Niederschlagung einer relevanten Bewegung markierte.

Der Sommer 2002 naht. Das alte Spiel der Strategie der Spannung hat begonnen, immer stetiger seine Schatten zu werfen. In der Presse tröpfelt weiterhin die Berichterstattung über dunkle Gefahren, ohne das irgendetwas wirklich Haltbares dabei vorgeführt werden würde. Bei CGIL-Regionalstreiks im Frühsommer tauchen in manchen Firmen Carabinieri auf, die sich Verfassungswidrigerweise die Listen mit den Namen der streikenden Arbeiter aushändigen lassen. Die Beteiligung an den Regionalstreiks der CGIL ist absolut hoch. Als im Hochsommer die Regierung Berlusconi versucht, die überaus umstrittene Justizreform mitten in der Ferienzeit am Land vorbei durchzupeitschen, fangen dann die ganz Zivilen der Zivilgesellschaft mit "bürgerlich-zivilem" Ungehorsam en masse an. In den ja sonst in der Ferienzeit toten Städten kommen plötzlich Hunderte zu so genannten "Girotondi" zusammen, um gegen die Reform zu protestieren, die Berlusconi ermöglichen wird, einer sonst für sicher gehaltenen Verurteilung in einem Strafvefahren zu entgehen. "Ringelreihe" gegen die Berlusconifreundliche Justizreform. Echt wahr. Massenhaft bürgerliche und linksliberale Leute. Aber ein Haufen Leute, angeführt von einem Filmmenschen. In den Fernsehanstalten des öffentlichen Rechts, die Berlusconi mit engsten Vertrauten an den Schaltstellen ausgestattet hat, werden derweil hochangesehene Publizisten zu denen der eine oder andere sogar zu den Erstligisten des Journalismus gilt, kalt gestellt oder rausgeworfen.

An allen Ecken und Kanten finden unterschiedlichste Menschengruppen immer öfter Anlässe, die Geduld zu verlieren oder wenigstens sich unwohl zu fühlen, mit dem, was passiert. Der Begriff CONFLITTO SOCIALE [ > Sozialer Konflikt ] gewinnt trotz der Heterogeneität derer, die ihn definieren, beträchtlich an Substanz und nachvollziebarkeit und der Herbst steht vor der Tür, mit Fiat-Krise und Generalstreik und EFS. Jetzt streut die Presse neben der Terroristische-Gefahr-Berichterstattung mit einer Wucht, die das ganze Land restlos beeindruckt hat, die bekannten ominösen Verlautbarungen der Geheimdienste zum EFS und zur Antikriegs-Demonstration vor dem Nato-Stützpunkt von Camp Darby. Bis hin zum regelrechten Bombardement. Der Generalstreik vom 18 Oktober findet ansehnliche Partizipation, wird aber in diesem wegen Florenz vollständig aufgeheizten Klima sehr effektiv völlig überschattet. Die Fiat-Krise ist an einen erneuten Höhepunkt angelangt. Es geht um Zehntausende, die alle dringend auf die schon magere Lebensgrundlage angewiesen sind und mit null Perspektiven in eine Arbeitslosigkeit unterhalb des Existenzminimums entlassen werden.

Eine Kleinstadt in Sizilien war schon zuvor geschlossen aufgestanden. Flächendeckend, trotz Abzüge von einem der womöglich letzten Löhne jagte eine Streikaktion die nächste Vollversammlung, Demonstration und Straßenblockade. Die Welt verändern wollten die Protagonisten sicher weniger, die meisten fordern die Rettung des Betriebes durch Verstaatlichung. Aber entschlossen (und verzweifelt) sind sie, vom ersten bis zum letzten. Selbst der Bürgermeister wird aktiv und tritt mit anderen Bürgermeistern der Umgebung wechselnd in den (klar symbolischen)Hungerstreik. Die Frauen nehmen an den Streiks ihrer Männer Teil. Wenige Wochen vor dem ESF machen sich die von der Betriebsschließung bedrohten Arbeiter sogar geschlossen auf nach Rom und führen dort eine Demonstration durch, Bürgermeister persönlich voraus, um eine staatliche Intervention zugunsten des Betriebes zu fordern. Das ganze städtchen demonstriert mit. Zwischendurch ist die Rede davon, das sie in Florenz ganz vorne mitmarschieren sollen. Daraus wird nichts werden. Wegen der unmittelbar drohenden Schließung der Fiat-Anlagen in Arese bei Mailand und in Termini Imerese in Sizilien sehen sich einige der Metallerverbände genötigt, den Geplanten Branchenstreik zur Unterstützung der von der Fiat-Krise betroffenen Arbeiter vorzuziehen.

Unmittelbar vor Beginn des EFS steigt dann noch eine ganz große Aktion gegen mehrere linke AktivistInnen, in verschiedenen Städten werden Wohnungen durchsucht und absurde Vorwürfe erhoben, mit Pauken und Trompeten werden zudem Haftbefehle gegen vier bereits Inhaftierte Leute erlassen, denen terroristische Vereinigung vorgeworfen wird. Derweil werden Autobahnen und andere verkehrswege, Häfen und Grenzstationen fläxchendeckend überwacht um die vielbeschworenen gewalttätigen ESF-Besucher abzuwehren. Während das EFS steigt, streiken landesweit die Metaller. In Termini und Arese kommt erbitterter Protest zum Ausdruck, in Termini gibt es streckenweise volkszornartige Szenen, in Arese wird massiv die lautstarke, unerschrockene Straßenblockade praktiziert. Die Hetze gegen das EFS hat die ganze Zeit nicht aufgehört, den Medienraum zu füllen. 500.000 + x Menschen reagieren auf die Summe von all dem, und führen die allseits als eindrucksvoll bezeichnete Demonstration gegen den Krieg durch. Ohne den geringsten Zwischenfall. Die Verhaftungswelle in der Nacht zum 15. November ist wie ein Blitz in die durch die Demonstration produzierte Kraft eingeschlagen. Nach einem Muster, das vielen Itelienern aus einer früheren Zeit nur zu schmerzhaft bekannt ist.

Untenstehend die Texte, die erste Stellungnahmen zu den Ereignissen aus dem Umfeld der institutionalisierten Linken bzw. der Zivilgesellschaft dokumentieren. Weitere Übersetzungen sind in Arbeit.

( ... ) Anmerkungen des Autors des Artikels

[ ... ] Anmerkungen des Übersetzers

Carta, Italia, 15.11.2002

NA TOLL, DE GENNARO!

[ > De Gennaro ist der oberste Chef der italienischen Polizei, d.Ü.]

DER ERSTE VERDACHT, IN WAHRHEIT EINE FESTSTELLUNG, IST DASS DER ENORME ERFOLG VON FLORENZ, DIE EKLATANTE WIEDERLEGUNG DER WOCHENLANG VON REGIERUNG UND MEDIEN GEFÜHRTEN HISTERISCHEN KAMPAGNE NICHT STILLSCHWEIGEND VON EINEM STAATSAPPARAT KASSIERT WERDEN KONNTE, DER SEINE MACHTPOSITION VON NAPOLI (MÄRZ 2001) BIS GENUA (JULI 2001) AUF DER GEWALTSAMEN REPRESSION AUFGEBAUT HATTE.

De Gennaro ist, oder war schon, an der Schwelle der Entlassung und der Ersetzung durch den Präfekten von Florenz Achille Serra (sprich: der Innensenator von Florenz - Das Amt des Präfekten entspricht in etwa dem eines Senators für Inneres) der im Gegensatz zu ihm mit seinem Verhalten während der Tage des europäischen Forums bewiesen hat, dass man mit der Bewegung raisonnieren und verhandeln kann, sofern die Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit, die Freiheit auf friedliche Arten zu demonstrieren, einschließlich solcher Arten wie der aktive und öffentliche Ungehorsam und der Ablehnung von Neoliberalismus und Krieg, respektiert. Es wird unmöglich sein, zu beweisen, dass irgendwer innerhalb der Staatsanwaltschaft von Cosenza doppelt mit dem Polizeichef ,der aus Kalabrien stammt und dort seine brilliante Karriere gestartet hat, verbunden ist, so dass er sich gedacht hat, ihm einen Gefallen zu tun. "Politisch" aber, geht die Rechnung auf.

Einschließlich der substanzlosen Ungeheuerlichkeit der Vergehen, die den 20 in der Nacht Verhafteten von sud ribelle [ > Rebellischer Süden ] vorgeworfen werden. Einige dieser Archäologischen Funde aus der Strafgesetzordnung (der noch die Faschistische Prägung derer, die sie vor Jahrzehnten redigierten anhaftet) wurden nie zuvor angewendet, nicht einmal in der Harten Jehreszeit des Terrors [gemeint sind die Bleiernen Jahre. Vor lauter Terrorhetzeperioden sieht man bald den Wald nicht mehr...] Nicht einmal gegen die, die an dem viele Jahre zurückliegenden 7. April als "Flankierer" der Roten Brigaden verhaftet wurden: eine große "Operation", damals, ein "Theorem", das vollständig wiederlegt wurde, wenn auch erst Jahre später [ Am 7. April 1979 wurden bei einer beispiellosen Verhaftungswelle Hunderte von Menschen strafrechtlich verfolgt und der historischen Autonomia Operaia der Todesstoß versetzt.]. Anschlag auf die Amtshandlungen der Regierung, oder gegen die ökonomischen Aktivitäten, Komplott.... Schlichte Schwachsinnnigkeiten gegen ein Netz von Sozialen Zentren, Kollektiven, Bündnissen, Radios, das auf einer Öffentlichen Versammmmlung genau in Cosenza gegründet wurde, die mit einem Plakat bekannt gegeben worden war.

Auch die Bezugnahmen auf Genua sind lächerlich und Sachfremd. Seit über einem Jahr ermittelt eine Gruppe genuesischer Staatsanwälte mehrere Spuren verfolgend über das, was sich um das G8 herum ereignet hat. Wenn überhaupt jemand einen Haftbefehl hätte aussprechen können, dann, die Richter aus Genua. Und jetzt, wie in diesen Stunden, alle Radio- und TV Journalisten sagen "...waren sie verbunden mit den Black Bloc." Der Beweis? Das Auffinden in einigen ihrer Wohnungen von "Knüppeln und Stöcken" und passamontagna [ Ob in der Liste der Beschlagnahmten Gegenstende damit ´nu Hasskappe oder "Pasamontana" im Zapastistenstil kann nur Spekuliert werden. Passamontagna steht auf italienisch eigentlich für Letzteres.] Auch der Schreibende besitzt einen passamontagna. Drauf steht "EZLN" und es ist die Erinnerung an eine der vielen Reisen nach Mexico, ins Zapatistische Chiapas, wo auch Francesco Caruso [einer der Verhafteten und mit einer der Allerbegehrtesten bei der Verfolgung] Sind deshalb auch wir von Carta mit dem Blak Bloc verbunden? Und wer sind diese Black Bloc überhaupt? Raus mit den Namen, wie man so sagt.

Die wahrscheinlichste Hypothese ist, letzendlich, dass der Staatsanwalt der die Haftbefehle ausstellte, ein Unbedarfter ist, dem die Polizei (die De Gennaros, weil es, wie wir gesehen haben, auch eine andere gibt) Kraut-und-Rüben-mäßig zusammengewürfelte, tendenziöse und zusammmenhanglose Informationen geliefert hat, die obendrein auch noch völlig öffentlich waren, ( wie eben die Existenz der "umstürzlerischen Vereinigung" Rete del sud ribelle [ > Netzwerk des rebellischen Südens] ) um ihn zur für einen Staatsanwalt idiotischsten Handlung zu veranlassen, und seine eigene Karriere zu zerstören. Svhließlich hatte de Gennaro nach dem G8 die getreuesten Lakaien über Bord geworfen, um sich selbst zu retten.

In diesen Stunden, erhebt sich eine große Welle der Solidarität mit den Leuten aus Napoli, Cosenza, Taranto, Benevento. Nach Florenz gibt es niemand mehr, der an diese Vorwürfe glaubt. Alle organisieren gerade sit-ins und andere Protestformen. Es sind Botschaften, die bis in die Gefängnisse von Trani e Latina dringen werden, und die laut sagen: nur Mut, die Million leute, die in den Straßen von Florenz war, ist mit euch.

L´Unitá

NO GLOBAL: BERTINOTTI, SCHWERER AKT, ES IST NOTWENDIG, ALARM ZU GEBEN

BARI, 15. NOV - Es handelt sich bei der Verhaftung um einen sehr schweren Akt, sowohl wegen des Vorwurfs als auch wegen der Bedingungen des Eingrffs. So kommentiert der Nationalsekretär der Partei der Kommunistischen Neugründung [PRC - Rifondazione Comunista] Fausto Bertinotti, der auf dem Weg zu einem Diskussionstreffen in Bari ist, die Verhaftungen der vergangenen Nacht von leitenden Gestalten der "no global" Bewegung. "Seit "Mani Pulite" [Großangelegte Antimafia-Operation in den 90er Jahren, bei bzw. wegen der so mancher Richter samt Escorte auf TNT u.ä. hochging, d.Ü] bis heute - behauptet Bertinotti - haben wir der Autonomie der Richterschaft immer eine sehr respektvolle Haltung entgegengebracht, aber hier ist es nötig, Alarm zu schlagen." " Die Kriegswinde - setzt der Sekretär der Partei der Kommunistischen Neugründung fort - scheinen bei Teilen der Staatsapparate und bei Teilen der Richterschaft Verhaltensweisen zu inspirieren, die darauf abzielen, innere Feinde zu identifizieren und sie zu treffen." "In diesem Fall, - setzt er fort - müssen wir kundtun, dass wir wegen der angeführten Begründungen alarmiert sind, typisches ideologisches Vergehen, und wegen der Modalitäten des Eingriffs: die brutale Form der Verhaftung stellt ein Element großer Sorge für die demokratische Austragung des Konflikts im Lande." "Der Krieg - sagte Bertinotti - scheint bestimmte Verhaltensweisen durchsetzt schon zu haben. Das erste, was einem einfällt, ist, dass sich Teile der Staatsapparate und der Richterschaft sichdarauf einstellen, die Kultur des Krieges zu introjizieren (nach innnnen richten, einführen) mit der Absicht, bestimmte interne Feinde auszumachen, um ein allgemeines Klima zu schaffen, welches das Wachsen einer großen Friedensbewegung verhindert oder sich vornimmt, diese zu verhindern." "Schließlich, - so Bertinotti weiter - gibt es noch eine mehr interne italienische Dimension, der fortgesetzte Druck der Regierung und insbesondere die Art wie das Justizministerium gehandhabt wurde, der seit geraumer Zeit für einen mutmaßlichen Konflikt zwischen Politik und Richterschaft um die Vorherrschaft der Exekutiven Gewalt über die Judicative herzustellen." "Deshalb - schließt er ab - meinen wir, dass sich im Land ein breiter und demokratischer Protest erheben soll, gegen einen Eingriff, der als schwer die demokratischen Grundrechte schädigend angezeigt werden muss."

L´Unitá:

NO GLOBAL: VERWUNDERUNG UND BESORGNIS BEI DEN DS

[ = Democratici di Sinistra > Linke Demokraten ]

Rom, 15. NOV. - Die DS sind die erste Partei, welche die Nachricht der Verhaftungen von no-global-Vertretern auf Antrag der Richterschaft von Cosenza reagiert, sie bringen mit einer Erklärung der Justizbeauftragten Anna Finocchiaro "Verwunderung und Besorgnis" zum Ausdruck. "Angesichts der Aktenlage und eines Klimas des sozialen Konflikts, das so bitter gezeichnet ist durch die Kämpfe der Arbeiter, besonders im Süden, die aus extrem schweren Beschäftigungsproblemen resultieren - merkt Anna Finocchiaro an - verwundert und besorgt die Initiative der Richterlichen Ämter von Cosenza. Es werden nämlich neben der Sachbeschädigung und dem Hausfriedensbruch die Vorwürfe der politischen Konspiration durch Vereinigung zum Zweck der Störung der Ausübung der Regierungsgewalt und der subversiven Propaganda zum Zweck der gewaltsamen Zersetzung der ökonomischen Ordnung erhoben. Es handelt sich - behauptet Anna Finocchiaro - um Vergehen, die so weit ich mich erinnern kann seit vielen Jahren nicht mehr vorgeworfen wurden."

[Achtung, alles nur ein kurzer, aber hoffentlich lesbarer Verriss ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Die übersetzten Texte sind erstmal die, aus dem italienischen Link in einem vorherigen Beitrag auf dieser Seite, damit die Mensch auch verstehen kann, wenn sie schon verlinkt werden.]

Nachtrag

Nachricht vom 14.11.02, am Vorabend der Verhaftungen (wenn auch vom Spektrum her ganz andere Baustelle):

Mailand, 14. November 2002

Besetzung einer Fabrik - Konkursverwalter festgesetzt

Protagonisten, die Arbeiter von Rimoldi Necchi, einem Betrieb der Metallindustrie in Olcella di Busto Garolfo bei Mailand. Der Betrieb, der sich in treuhändischer Verwaltung befindet, wurde unmittelbar nach dem die Arbeiter erfahren hatten, dass keine Finanzmittel vorhanden sind, um die Monatslöhne zu garantieren, besetzt. Der Betrieb beschäftigt 263 Arbeiter. Demzufolge, was aus gewerkschaftlichen Quellen zu erfahren war, ist der Betrieb zur Zeit vollständig besetzt. Der Konkursverwalter hat sich in einem Büro der Direktion verbarrikadiert und ist umzingelt von den Arbeitern, die nicht vor haben, ihn gehen zu lassen, bis ihnen Garantien über die "Einhaltung der Verpflichtungen" gegeben werden. Vor Ort, Carabinieri, Polizia, und zahlreiche Fiom-Funktionäre. ( > Fiom: Metallergewerkschaft Federazione italiana operai metalmeccanici )

Auszug aus der Presseerklärung der Fiom zu den Verhaftungen:

Nationalsekretariat der Fiom:

Die Verhaftungen gegen die Vertreter der Bewegung "no global" stellen eine beunruhigende Initiative dar. Der soziale Konflikt ist ein entscheidender Aspekt der Demokratie."

Einige Verteter der "no Global" Bewegung wurden im Laufe der Nacht mit der Beschuldigung der umstürzlerischen Vereinigung verhaftet.

So wie der Aktuelle Informationsstand ist, stehen wir einer Initiative gegenüber, die, nicht von ungefähr unmittelbar nach der großen Demonstration in Florenz und am gleichen Tag des Generalstreiks der Metaller gegen die von Fiat vorgeschlagenen Massenentlassungen ihre Wirkung freisetzt.

Die Modalitäten und die Zeitsetzung der Initiative machen den Versuch die Opposition und den sozialen Konflikt mit einem Problem der öffentlichen Ordnung zu assoziieren deutlich.

Aus einem Kommentar auf Indymedia Italy:
Diese Geschichte hat mit den Arbeitern in Termini Imerese zu tun

Die hysterische Rechte die uns regiert hat beschlossen, dass sie, um den Moment in dem sie den ex-Fiat-Arbeitern von Termini Imerese - die sich von Tag zu Tag entschlossener zeigen - die Köpfe einschlagen wird so lange wie möglich hinauszuzögern verhindern muss, dass diese mit der Bewegung zusammenkommen. Der beste Weg ist es, vordergründigste Vertreter dieser Bewegung im voraus zu kriminalisieren, die gerade in diesen Tagen mit der Organisation eines Sonderzugs nach Termini Imerese beschäftigt waren. Sie weiß nur zu gut, dass das Wählerstimmenreservoir Sizilien eine harte Repression der Kämpfe der Fiat-Arbeiter schlecht vertragen würde. Eine Repression, zu der sie in jedem Fall greifen wird, die sie aber vorher versuchen will, mit so wenig rüden Methoden wie möglich zu managen. Also ein taktischer und zugleich defensiver Zug: die in die Defensive gezwungene Bewegung könnte von seinen Ansätzen einer organischen Verbindung mit den laufenden Arbeiterkämpfen zurückschrecken. Die beiden Phänomene könnten so separat und viel bequemer angegangen werden, in dem die Medien das Augenmerk auf die viel spektakulärer wirkenden no global lenken, statt auf den sich in Vorbereitung befindlichen Hammer für die Fiat-Arbeiter.

Nachtrag zum Text oben

Ich vergass die Attacken gegen italienische Gegenöffentlichkeitssysteme zu erwähnen. Die jüngste Episode ist vom September. Die Berlusconi abhängige Wochenzeitschrift Panorama veröffentlichte einen absolut reißerischen Themenschwerpunkt, in dem die breit gefächerten italienischen Gegenöffentlichkeitsnetzseiten auf´s übelste kriminaliiert "sprich blakblockisiert" wurden. Darunter Informationguerrilla, Indymedia und viele andere. Auch diese Kampagne war schon Grund großer Empörung und großer Sorge.

Indymedia.de, [von roter faden - 16.11.2002 02:24]