2009-07-03
Einen Tag nach dem G8 Gipfel in Italien:
Kapitalismus überwinden, die falsche Freiheit auf der Strecke lassen!
Das alljährliche Treffen der führenden Wirtschaftsnationen, welches zuletzt 2007 rund um Heiligendamm und 2008 in Japan Gegenstand heftiger Proteste war, findet diesmal vom 8. bis 10. Juli in Italien statt. Die “Gruppe der 8“ (G8) ist eine nicht demokratisch legitimierte Institution der acht mächtigsten Länder der Erde. Dennoch trifft sie als selbst ernannte informelle “Weltregierung“ Entscheidungen, die die gesamte Menschheit betreffen. Ihre Politik im Sinne einflussreicher FinanzanlegerInnen und Konzerne macht auch vor Bildung keinen Halt.
Bildung im Kapitalismus
Die G8 Staaten sind wichtigster Akteur in der Welthandelsorganisation (WTO). Im zentralen Abkommen der WTO über den Handel mit Dienstleistungen ist auch der Bildungssektor ausdrücklich als Dienstleistungsmarkt klassifiziert.
Der massiv kritisierte „Bolognaprozess“ zur Schaffung eines einheitlichen Bildungsraumes in Europa ist eine Folge des GATS- Abkommen der WTO. Die GATS-Richtlinien zur Privatisierung und Ökonomisierung von Bildung verschärfen die Verknüpfung zwischen Bildung und kapitalistischen Sachzwängen. Dabei war der Aufbau des modernen Bildungssystems schon immer an die globalen, kapitalistischen Verhältnisse angepasst. Die Ausrichtung der Bildung an Interessen des Marktes wird aber gerade in den letzten Jahren massiv forciert. Unsere schulische/universitäre Bildung dient von Anfang an dazu, uns für den Kapitalismus verwertbar zu machen und uns davon zu überzeugen, dass unsere spätere Rolle im System, sei es als StraßenfegerIn oder als ManagerIn die richtige und nicht zu hinterfragende sei. Sie soll uns also zu angepassten unkritischen Individuen erziehen.
Schon im gegliederten Schulsystem wird getrennt zwischen denjenigen, die die Chance erhalten, Abitur zu machen, um sich danach auf der Universität und später im Beruf gegen andere durchzusetzen, und denjenigen, die mit einem Haupt- oder Realschulabschluss um die immer knapper werdenden Ausbildungsplätze kämpfen müssen. Wer hierbei keinen Ausbildungsplatz ergattert, dem bleiben nur noch Hartz 4, Schwarzarbeit, Kriminalität oder Jobs mit Löhnen von teils nicht mal vier Euro pro Stunde. Zusätzlich tragen auch Schule und Hochschule einen großen Teil zur Reproduktion des gesellschaftlichen Rassismus bei, indem den Jugendlichen mit Migrationshintergrund der Aufstieg innerhalb des Bildungssystems erschwert wird. Die Schule vermittelt in jeder Beziehung genau die Denkweisen, die von den zukünftigen ArbeitnehmerInnen gebraucht werden, um ihrer jeweiligen Funktion im System gerecht werden. Als GymnasiastIn lernt man, mit den anderen zu konkurrieren, sie auszustechen, geschickt mit LehrerInnen, also Autoritäten auszukommen und Führungsrollen zu übernehmen. Als Haupt- oder RealschülerIn bekommt mensch hingegen lediglich für den Arbeitsmarkt erforderliche Grundlagen vermittelt, lernt sich unterzuordnen und sich nicht groß zu beschweren, da man sonst Gefahr läuft gar keinen Schulabschluss zu erhalten und der soziale Abstieg weiter voranschreiten würde.
Der Leistungsdruck auf Schülerinnen und Schüler und auf Studierende nimmt immer weiter zu.
Das 8 jährige Gymnasium ist ein Beispiel dafür, dass es darum geht uns in möglichst kurzer Zeit mit Wissen vollzustopfen, welches später von der Wirtschaft verwendet werden kann. Zeit für außerschulisches Engagement bleibt dadurch kaum.
Die Devise lautet nicht Lernen fürs Leben sondern Lernen für den Arbeitsmarkt, also für den Kapitalismus. Es geht nicht um Bildung, die einen freieren Zugang zur Welt und sich selbst ermöglichen könnte, sondern um reine Ausbildung. Die aktuelle neoliberale Umstrukturierung der Hochschullandschaft lässt dies überdeutlich werden.
Die Einführung von Studiengebühren und die BA/MA Umstellung führen dazu, dass sich eine immer kleiner werdende Elite bildet und der Rest der Studierenden der Wirtschaft nach dem Bachelorabschluss, mit völlig verschultem Stundenplan, als billige Arbeitskräfte zu Verfügung stehen. Der Großteil der Bevölkerung wird ganz vom Studium ausgeschlossen. Dadurch, dass öffentliche Gelder immer weiter gekürzt werden und die Hochschulen sich immer mehr an Geldgeber aus der Wirtschaft binden, sind wirtschaftlich nicht verwertbare Studiengänge, die eventuell auch einmal das bestehende System hinterfragen vom Aussterben bedroht.
Ganz offen formulierte Peter Sutherland Gründungsgeneraldierektor der WTO die Aufgabe der Bildung im Kapitalismus: „Die Verantwortung für die Ausbildung muss ein für alle mal der Industrie unterstellt werden […] Bildung sollte als Dienstleistung für die Wirtschaft verstanden werden.“
Verständlicherweise haben deshalb Regierungen und wirtschaftliche Akteure kein Interesse daran, der Masse der Bevölkerung Bildung zu ermöglichen. Menschen, die ihr Umfeld kritisch reflektieren, lassen sich wesentlich schwerer beeinflussen und kontrollieren. Menschen, die gegen die herrschenden Zustände aktiv werden, werden mit Repressionen überzogen. So müssen SchülerInnen die sich an Demonstrationen beteiligen, nachsitzen, werden in der Schule eingesperrt oder bekommen sogar einen Schulverweis angedroht. Immer wieder werden auch bei Bildungsprotesten Menschen festgenommen.
Doch davon dürfen wir uns nicht einschüchtern lassen!
… wir müssen es selber machen!
Damit Bildungsinhalte nicht durch die Frage der kapitalistischen Verwertbarkeit bestimmt werden, ist es notwendig, die Verantwortung über jede Form von Bildung in die Hände der am jeweiligen Bildungsprozess Beteiligten zu geben und eben nicht in die der von der Wirtschaft abhängigen Regierungen. Wir müssen selbst aktiv werden, unsere Bildung selbst organisieren, uns fragen wie wir frei von wirtschaftlichem Einfluss lernen können ohne uns bloß für einen Beruf zu qualifizieren, der uns dann wie ein Gefängnis ein Leben lang einsperren kann. Wir alle müssen den Widerstand organisieren gegen diese kapitalistische Politik, die Selektion verschärft, Ausschluss fördert, Selbstbestimmung schwächt und Lebensgrundlagen zerstört. Wir alle haben unsere Formen des Widerstands und nehmen die Vertretung unserer Interessen selbst in die Hand, doch nur gemeinsam können wir aus der gescheiterten Repräsentation unserer Interessen Konsequenzen ziehen und erfolgreich Druck ausüben.
Da der Bildungsprotest sich nicht auf ein isoliertes gesellschaftliches Phänomen bezieht darf sich der Protest auch nicht allein auf Studierende uns Schülerinnen und Schüler beschränken. Vielmehr ist eine Vereinigung mit basisdemokratischen und antikapitalistischen Strömungen und Sozialprotesten notwendig, um eine möglichst breite Front zu erreichen um die Reformen zu kippen und perspektivisch die kapitalistischen Zustände zu überwinden.
Deshalb: Kommt zur antikapitalistischen Demonstration, organisiert euch selbst und lasst die falsche Freiheit im Gesellschafts- und Bildungssystem auf der Strecke…
Antikapitalistische Demonstration | Samstag | 11. Juli 2009 | 17 Uhr | Freiburg Schwabentor