2009-12-06 

Nato-Gipfel: Goll verteidigt die vielen Gespräche

Andreas Müller

Stuttgart – Die umstrittene Zusammenarbeit zwischen Justiz und Polizei vor dem Nato-Gipfel in Baden-Baden war enger als bisher bekannt. Vor dem Großereignis im April in Baden-Baden, Kehl und Straßburg hat es insgesamt 16 Besprechungen zwischen Gerichtspräsidenten und Richtern einerseits und Vertretern der Sicherheitsbehörden andererseits gegeben. Das geht aus einer Antwort des Justizministeriums von Ulrich Goll (FDP) auf eine Anfrage der SPD-Fraktion hervor. Darin hatte sich der Abgeordnete Rainer Stickelberger aufgrund eines StZ-Berichts (31. Oktober) besorgt über die

“Aufhebung der Gewaltenteilung” erkundigt.

Laut Ministerium gab es für Justiz und Polizei im Blick auf erwartete Massenfestnahmen zwei zentrale “Informationsveranstaltungen”. Bei der ersten im Oberlandesgericht Karlsruhe hätten die Polizeivertreter über ihre Einschätzung der Lage berichtet und die Justizvertreter “ihre Erwartungen an die Polizei” erläutert. Bei der zweiten im Innenministerium sei es ebenfalls um diese Themen sowie konkret um die geplanten Gefangenensammelstellen in Kehl und Karlsruhe gegangen. Diese waren auch Gegenstand bei den meisten der 14 weiteren Besprechungen, die das Ressort auflistet. Entgegen den Befürchtungen hatte es auf deutscher Seite bekanntlich keine Ausschreitungen und nur vereinzelte Festnahmen gegeben.

Bild: Cops in Offenburg

Ulrich Goll verteidigte die Zusammenarbeit gegen Kritik aus der Justiz, dadurch sei gegen das Prinzip der Gewaltenteilung verstoßen worden. Nur so habe der “grundgesetzliche Schutz der Bürger vor Freiheitsbeschränkungen” gewährleistet werden können. Bei Großereignissen sei es “zwingend geboten, sich bereits im Vorfeld über die Lage zu informieren”. Dazu seien Kontakte zwischen Gerichtspräsidenten und Polizeidienststellen “erforderlich und wichtig”. Die richterliche Unabhängigkeit werde dadurch nicht beeinträchtigt. Wie bei der Fußball-WM 2006 habe die Justiz auch beim Nato-Gipfel bewiesen, dass sie auch in Ausnahmesituationen “effektiven richterlichen Rechtsschutz” bieten könne, bilanzierte der Minister.

Justiz ist Gehilfe polizeilicher Belange

Der SPD-Rechtsexperte Stickelberger zeigte sich dagegen irritiert über die zahlreichen Besprechungen. Dadurch könne der Eindruck entstehen, die Justiz sei “der Gehilfe der polizeilichen Belange”. Die Gerichte müssten jedoch schon den Anschein der Voreingenommenheit vermeiden. Dazu wäre mehr Transparenz bei den Kontakten geboten gewesen, sagt der Abgeordnete. Er will nun klären, inwieweit die Richter – wie von Goll angegeben – über die Ergebnisse der Treffen informiert waren.

Mit den Bürgerinitiativen hat es laut Ministerium vor dem Nato-Gipfel keine Kontakte gegeben. Diesen hätte man sich “nicht verweigert”, sagte der Sprecher des Friedensnetzes Baden-Württemberg, Dieter Lachenmayer. Er sieht sich in seiner Einschätzung bestätigt, dass die Sorge vor Gewalt unbegründet gewesen sei und die Behörden “vollkommen überreagiert” hätten. Ihnen sei es auch darum gegangen, den Protest gegen die Nato “zu delegitimieren und zu kriminalisieren”, sagte Lachenmayer. Klagen der Bürgerinitiativen gegen das “Übermaß an Auflagen” sind beim Verwaltungsgerichtshof anhängig.