2009-12-02 

Bericht der Klimakarawane

Die Klimakarawane mit TeilnehmerInnen aus sozialen Bewegungen aus Asien, Lateinamerika, Europa und den USA fährt mit zwei Bussen vom WTO-Gipfel in Genf durch Frankreich bzw. Deutschland bis zum Klimagipfel nach Kopenhagen. Ziel ist es, die thematischen Verknüpfungen der Bereiche Weltwirtschaft und Ökologie, insbesondere des Klimaproblems aufzuzeigen.
Hier kommt der erste Bericht von Samstag (Anti-WTO-Demo) bis Dienstag.

Samstag, 28.11.09

Bei strahlendem Sonnenwetter begann am Samstag, den 28.11., auf dem Place Neuve die Demonstration gegen die Welthandelsorganisation. Einige aus der Karawane trugen das Fronttransparent, direkt dahinter folgten mehrere Traktoren der weltweiten Bauernvernetzung Via Campesina mit Plakaten. Eine Saxophonband sorgte mit musikalischer Begleitung für gute Stimmung. Insgesamt umfasste der Demonstrations­zug mindestens 5.000 Menschen, diese vertraten teilweise Gewerkschaften, Bauern­verbände, Umweltgruppen und zahlreiche Nichtregierungsorganisationen.
Schon kurz nach Beginn kippte allerdings die Stimmung: Als in eine Geschäftsstraße eingebogen, begannen einige aus der Demonstration heraus Scheiben von Banken und Juwelieren ein- und mit Farbbeuteln zu bewerfen. Fast zeitgleich feuerte die Polizei Tränengas in den Demozug. In den engen Gassen der Genfer Innenstadt verteilte sich das Gas schnell im ganzen Zug und viele verließen die Demo. Auch die Gewerkschaften und größeren Organisationen zogen sich zurück, weil für die Sicherheit der Teilnehmenden nicht mehr garantiert werden konnte. Hier zeigte sich, dass die einzelnen Blöcke der Mobilisierung vorwiegend unabhängig voneinander agierten, und so löste sich die Demo weitgehend auf. Verhandlungen mit der Polizei blieben erfolglos; diese drohte, bei einem Weiterzug in Richtung WTO alle Teilnehmenden festzunehmen. Die Karawanegruppe zog sich in ein Hausprojekt in der Nähe des Bahnhofs zurück, in dem Mitglieder von Via Campesina untergebracht waren. Die Stimmung blieb angespannt; die Konfrontationen waren so nahe, dass die Fenster geschlossen werden mussten, weil das Tränengas der Polizei eindrang. Einige Stunden wurde so ausgeharrt, bis die Polizei einwilligte, dass die Karawane zur nahe gelegenen Tramhaltestelle gehen konnte, um von dort zum Theater Pitoeff zu fahren, wo das Abendessen vorbereitet wurde. Später am Abend hatte sich die Situation in der Innenstadt beruhigt, so dass alle an der Karawane Teilnehmenden gefahrlos ihre Schlafquartiere erreichen konnten.

Sonntag, 29.11.09

Am nächsten Tag begannen im Theater Pitoeff inhaltliche Workshops, zahlreiche davon von Personen und Organisationen aus der Karawane vorbereitet und durchgeführt. Die Themen drehten sich beispielsweise um die Auswirkungen der WTO-Abkommen in den jeweiligen Ländern, um die ökologische Krise und die Konsequenzen des Klimawandels, die Ursachen und Folgen der Wirtschaftskrise oder die geplanten Verhandlungen der offiziellen WTO-Konferenz. Daneben wurde auch viel über den Verlauf der Demonstration des Vortrags debattiert. Die Meinungen und Einschätzungen gingen sehr auseinander: Während viele bedauerten, dass die Demo nicht bis zum WTO-Gebäude vordringen konnte und sie nicht ihre Reden dort halten konnte, verteidigten andere die Militanz einzelner AktivistInnen, die zu den Konfrontationen geführt hatte. Zwiespältig sahen viele die Rolle der Massenmedien, die bei Ausschreitungen nur negativ über Proteste berichten, aber bei friedlichem Verlauf oft gar nicht – und in jedem Fall meist über Inhalte und Gründe schweigen.
Am Abend fand dann ein offizieller Empfang der Stadt Genf statt. Nicht wenige wunderten sich über den Kontrast zwischen der Polizeikonfrontation auf den Straßen einerseits und dem feierlichen Sektempfang mit Repräsentanten der Stadt anderseits...
Montag

Am Montag, dem ersten Tag der WTO-Ministerkonferenz – genau zehn Jahre nach der erfolgreichen Blockade der WTO-Konferenz in Seattle, welche weithin als ´coming out-party´ der Globalisierungsbewegung gilt – versammelten sich TeilnehmerInnen der Karawane bei strömendem Regen in einem Zelt vor den Gebäuden der UNO-Institutionen. Fischerleute aus den Philippinen zogen mit einem Fischerboot ein und kochten ein traditionelles Gericht – welches jedoch überwiegend aus Wasser bestand und kaum nährhaltig war: ein Symbol für den Hunger in ihren Dörfern. Nach einem gemeinsamen Essen begann eine „Sightseeing-Tour“, die „corporate criminals guided tour“, die, einer Touristenführung nachempfunden, über die Verbrechen der Schweizer Banken informierte. Trotz des eisigen Regens zog die Gruppe durch die Genfer Innenstadt, begleitet von mehreren Polizeibussen und -motorrädern. Am Abend fand eine Diskussions- und Informationsveranstaltung der Schweizer Sektion von Via Campesina statt, bei der die aktuellen Verhandlungspunkte und geplanten Abkommen der offiziellen WTO-Konferenzagenda kritisch besprochen wurden.

Dienstag

Landwirtschaft war das Thema des Dienstags als Aktionstag. Schon früh am Morgen versammelten sich TeilnehmerInnen von Via Campesina und der Karawane zu einer Menschenkette vor den Toren der WTO. Zahlreiche KleinbäuerInnen machten ihrer Wut über die WTO und deren Auswirkungen insbesondere im Agrarsektor Luft.
Mittags begann der zweite Teil der „corporate criminals tour“: diesmal mit einer Treckerkarawane, die direkt vor dem Eingang der UN startete. Nicht nur auf den mit Strohballen, Kuhglocken und Plakaten bestückten Anhängern fuhren die über hundert TeilnehmerInnen mit, sondern auch auf zahlreichen Fahrrädern – während eine unermütlich nebenher laufende Frau Flugblätter an Passanten verteilte.
Zwei Freunde aus Japan und aus China schwangen die Schweizer Kuhglocke, ein Bauer aus Indien rief „Our world is not for sale!“ durchs Megafon, die ausgestopfte Kuh zeigte das Che Guevara-Bild, das ihr jemand zugesteckt hatte, und eine Kolumbianerin schwang die Fahne der indigenen Maoris aus Neuseeland – geht das Wort ´Multitude´ anschaulicher?
Thema waren Unternehmen, die sich im Landwirtschaftsbereich einen unrühmlichen Namen gemacht haben. So galt der erste Besuch des Zuges dem Agrarunternehmen Bunge, welches Marta Cecilia Ventura von der Organisation CONIC aus Guatemala wegen seiner massiven Umweltzerstörungen und Vertreibungen von indigenen Gemeinschaften in Lateinamerika anklagte. „Wir wollen nicht zulassen, dass noch mehr Menschen an der Politik dieses Unternehmens sterben!“, fügte sie hinzu, und die Demo stimmte das Lied „Our seeds are not for sale my friend“ nach der Beatles-Melodie ´Can´t buy me Love´ an. Danach ging die Tour zu dem ´global player´ Cargill, welcher seine dominante Marktposition im Weltagrarhandel massiv gegen KleinbäuerInnen einsetzt, um diese in Abhängigkeiten und Verschuldung zu bringen und von ihrem Land zu vertreiben: „Zuerst gibt Cargill Pestizide und Saatgut zu Schleuderpreisen ab, und dann, wenn der Bauer immer mehr Pestizide braucht und kein eigenes Saatgut mehr hat, erschaffen sie auf diese Weise eine moderne Form der Sklaverei“, berichtete Javiera Rulli aus Paraguay. Gleichzeitig würden Regierungen bestochen, um die für die Multinationalen notwendige Infrastruktur aufzubauen und um ungestraft, wie in vielen Städten geschehen, das Trinkwasser zu kontaminieren. Damit erwirtschaftete das Unternehmen 2008 trotz der Wirtschaftskrise einen Rekordgewinn von fast vier Milliarden US-Dollar. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass der Expräsident von Cargill maßgeblicher Verfasser der WTO-Agrarabkommen ist – welches wohl nicht zufällig nur die Positionen und Forderungen der Agrarmultis wie Cargill widerspiegelt.
Die letzte Station ging dann zu einem Migros-Supermarkt. Migros benutzt seine Marktmacht als größte Supermarktkette der Schweiz, um die Preise für die Erzeuger massiv zu drücken. So sind innerhalb der letzten 15 Jahre die Preise für die Produzenten um 25 Prozent gesunken – während gleichzeitig die Preise für die Konsumenten um 12 Prozent stiegen. Eine solche Marktmacht aber ist erst nach der Konzentration möglich – was in Europa in den Siebzigern und in Lateinamerika in den Achtzigern und Neunziger Jahren stattgefunden habe, geschehe gerade in Indien, berichtete Dharmendra Kumar von Indian Foreign Direct Investment Watch.

Zum Abschluss fuhren die Demonstrationsteilnehmenden auf Einladung der Kooperative Les Charrontons in die beginnenden Berge etwas außerhalb von Genf, wo sie mit einem Buffet aus eigenen Erzeugnissen sowie einem heißen Tee empfangen wurden.

http://www.climatecaravan.org