2009-08-11 

Nato-Gipfel-Gegner: Hat Justiz zu hart geurteilt?

Ein Offenburger Rechtsanwalt wirft der Justiz in Straßburg Schwarze-Block-Hysterie vor. Sein Argument: Deutsche Gegner des Nato-Gipfels würden härter bestraft als andere. Jetzt wurden zwei Urteile gegen Studenten korrigiert.

STRASSBURG/COLMAR. “Dass die Deutschen hier härter angefasst wurden als andere, das sagen die Fakten.” So kommentiert der Offenburger Rechtsanwalt Reinhard Kirpes die Entscheidungen des Berufungsgerichtes in Colmar. Zum zweiten Mal hat dort die Justiz ein Urteil gegen einen deutschen Studenten korrigiert, der vor dem Nato-Gipfel im Frühjahr in Straßburg festgenommen und zu einer sechsmonatigen Haftstrafe verurteilt worden war.

Bild: Knast in Strasbourg

In einem ersten Revisionsfall Ende Juli war ein 23-jähriger Student aus Dresden freigesprochen worden. Kirpes’ aus Berlin stammender Mandant wurde vergangene Woche zumindest bis zu einer erneuten Verhandlung seines Falls im Oktober auf freien Fuß gesetzt – nach vier Monaten Haft. Drei Polizisten wollten ihn gesehen haben, wie er Steine auf Polizisten warf. Vor Gericht in Colmar wurde aber nur die Aussage eines Polizisten verlesen, der den 25-Jährigen in schwarzer Kleidung gesehen haben wollte.

“In Deutschland wäre jemand aus stabilen Verhältnissen und ohne Vorverschulden niemals zu einer Haftstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt worden”, glaubt Reinhard Kirpes, der auch die beiden Männer verteidigen wird, die bei der Hauptdemonstration in Straßburg ein Hotel angezündet haben sollen. Kirpes prangert eine “Schwarze-Block-Hysterie” im Zusammenhang mit den Ausschreitungen während des Gipfeltreffens in der französischen Justiz an: “Bei meinem Mandanten hat man weder eine Maske noch ein schwarzes Tuch gefunden und trotzdem hat der Staatsanwalt von schwarzen Blocks schwadroniert.”

An der gewalttätigen Demonstration auf der Europabrücke, die in der Brandschatzung mehrerer Gebäude und des alten Zollpostens mündete, seien die beiden Deutschen aber gar nicht beteiligt gewesen, so Kirpes.

Das Straßburger Legal Team, eine Gruppe von Juristen, die den verurteilten Gipfelgegnern Rechtsbeistand leistet, kritisiert deshalb, dass die, die schon vor der Demonstration festgenommen wurden, später für die Ausschreitungen hätten büßen müssen – trotz dürftiger Beweise. Vielleicht fühlte sich die Justiz auch unter Druck: Präsident Sarkozy hatte ein hartes Vorgehen gegen Gipfel-Störenfriede gefordert. Hat die Straßburger Justiz darum besonders hart geurteilt?

“Wir geben grundsätzlich keinen Kommentar zur Entscheidung des Gerichts”, so der stellvertretende Staatsanwalt des Landgerichts, Claude Palpacuer. “Man war der Überzeugung, dass die Beweislage ausreichend war.” In Straßburg sind noch fünf verurteilte Nato-Gegner in Haft, unter ihnen drei Deutsche.