2009-06-26 

Abruzzen offene Baustelle. Für den Wiederaufbau? Nein: bloß Aufruhr wegen dem G8.

Von Angelo Venti

3. Juni 2009

Trotz der beschwichtigen Erklärungen über einen "schnellen und Transparenten Wiederaufbau", mit denen der Premier und Spitzenvertreter der Regierung die Öffentlichkeit schon seit den ersten Tagen nach dem Beben bedacht haben, wachse die Zweifel und die Sorgen der vom Erdbeben getroffenen Bevölkerungen. "Einige Aufträge sind schon vergebe worden" hat Berlusconi bei einer der rituellen aquilanischen Pressekonferenzen kürzlich erklärt, während der Zivilschutz mitgeteilt hat, dass man "die Namen der Firmen erst nach dem 6. Juni erfahren wird".

Pic: Contra Impregilo

Aber um was für Aufträge es sich handelt, wer hat wie die Ausschreibungen gemacht hat, und wer die Arbeiten durchführen wird, das bleit ein Rätsel. Und doch wurde mit einigen Arbeiten begonnen, und Dutzende Millionen Euro fließen gerade in die Kassen von privaten Unternehmen.Es geht nicht um Behausungen für die Erdbebenopfer oder um den vielgepriesenen Wiederaufbau. Es geht um die Arbeiten für en G8. Wer versucht hat, dem Zivilschutz Fragen zu stellen, hat zuerst vor einer Mauer des Schweigens gestanden, dann vor einer Mauer aus Omertá* und zuletzt vor der unüberwindbaren Mauer des "Staatsgeheimnisses".

Aber warum darf man der Regierung und dem Zivilschutz nach die Namen der Firmen erst hinterher erfahren? Um das G8 Treffen zu beherbergen werden Kilometerweise neue Straßen gebaut, Anpassungsarbeiten in der Finanzpolizeischule in Coppito** und auf dem Flughafen in Preturo vorgenommen. Das gesamte Gebiet - in dem sich auch archäölogische Stätten befinden - ist de facto in vier Zonen mit unterschiedlichen Sicherheitsstufen aufgeteilt.

Im äußeren Ring werden imposante Straßenbau-Arbeiten durchgeführt. Dort arbeiten unter der Aufsicht eines Generals und der Techniker der Armee externe Unternehmen. Den Auftrag hat Valentina bekommen, ein römisches Unternehmen mit Sitz in Ciampino. Der Umfang der durchzuführenden Arbeiten aber, der knappe Zeitrahmen und die Firmenausstattung sollen aber keine rechtzeituge Übergabe der Arbeiten zulassen. Es ist nicht einmal möglich, Unterverträge abzuschließen. Was tut man also? Man "mietet Männer und Fahrzeuge" von anderen Unternehmen, darunter, Ridolfi, Di Marco, Tullio und Palmerini, die gezwugen sind, Schichtarbeit aufzuzwingen und ein hohes Arbeitstempo. Das nötige inerte Material*** wird aus den Steinbrüchen von Tornimparte, Paganica und in der Umgebung von L' Aquila entnommen und für den Straßenbelag ist die Firma Valente in Sulmona im Gespräch.

Im zweiten Ring werden der Kontrollturm erneuert sowie die Umzäunung des Flighafens und es werden Bürogebäude saniert. Die militärische Kontrolle ist weit strenger, externe Unternehmen sind kaum beteiligt und der Zugang von Zivilisten, die nicht unabwendbar für die Verrichtung der Arbeiten nötig sind ist verboten.

Der dritte Ring steht unter ausschließlicher Kontrolle der Militärs. Die vorhandene Startbahn wird angepasst und erweitert und eie weitere wurd neu gebaut. Die Arbeiten werden unter Einsatz eigener Männer ud Mittel direkt von den Pioniertruppen durchgeführt: weil die Zeit drängt, sind sie jedich gezwungen, für den Transport von Baumaterial, das stets in mit Planen bedeckten Behältern unterwegs ist, Fahrer und Lkw auch von privaten Unternehmen zu mieten.

Auch in der Schule der Finanzpolizei in Coppito, die als Gipfelstandort ausgewählt wurde, wird gearbeitet. Nach dem Erdbeben in eine "Zitadelle der Institutionen" umgewandelt, beherbergt sie das Dicomac**** des
Zivilschutzes, die KOmmandantur der Feuerwehr, das Pressezentrum, die Staatsanwaltschaft, die Provinz- und die Gemeindeverwaltung und andere öffentliche Ämter: die Anlage war schon ziemlich militarisiert, von den Funktionen ziviler Institutionen hatte sie wenig an sich. Mit den Anpassungsarbeiten für den G8 verzeichnet an seit einigen Tagen aber eine weitere Verschärfung. Um mit einen Technker des Staatsfernsehens zu arbeiten, das zusammen mit dem Großteil der großen Informationsorganen seinen operativen Sotz in der Schule installiert hat, sah man sich gezwungen, es in Anwesenheit von vier dem "Gespräch" beiwohnenden Finanzpolizisten durch das geöffnete Tor zu tun, das als eine unsichtbare, unüberwindbare Barriere wirkte.

Der Hyperaktivität bei den Arbeiten, die mit dem G8 zusamenhängen entspricht jedoch kein vergleichbares Engagement bei denen für den Wiederaufbau. Fast zwei Monaten nach dem Erdstoß vom 6. April steht im Wesentlichen alles still. Die Gutachten zur Feststellung von Schäden und zur Überprüfung der Begehbarkeit der Wohnungen kommen schleppend vora und alles lässt unter Berücksichtigung der Zahl der eingesetzte Sachverständigen und der Dimensionen der Katastrophe vermuten, dass es mehrerer Monate brauchen wird, um zur Ausarbeitung eines Plans zur Rückführung in die begehbaren bzw. in die wieder aufzubauenden Häuser ausreichende Daten zu bekommen.

Der Konflikt zwischen Zivilschutz und Lokalbehörden bezügliche der Feststellung der Areale, auf denen Häuschen für die Evakuierten gebaut werden sollen, ist sicher kein förderlicher: in Paganica hat er bereits den Verlust von 170 Wohnungen verursacht, die von der Provinzverwaltung Trento gestiftet worden waren. Ganze Dörfer laufen Gefahr, verlassen zu werden, um in wenigen Kilometern Entfernung von den Ursprungsstandorten wieder aufgebaut zu werden, während viele es satt haben, auf das Regierungsdekret zu warten und beginnen, "selbst anzupacken": hunderte sind inzwischen die Holzbaracken, die überall vom Boden sprießen und eine Verwüstung des Territoriums produzieren, die man nur schwerlich wieder rückgängig machen können wird. Der Winter, der hier in der zweiten August-Hälfte beginnt, naht derweil unaufhaltsam, und der nicht in die Gänge kommende Wiederaufbau trägt dazu bei, die zu Zehntausenden in 160 Camps eingepferchten Erdbebenopfer zu beängstigen.

A.d.Ü.:

* Das Gesetz des Schweigens der Mafia

** Die Schule der Finanzpolizei liegt in Coppito, einem Stadtteil am Rande von L' Aquila. Sie ist derzeit der Ort, von de aus das "Katastrophenmanagement" des Zivilschutzes und der Sicherheitsbehörden betrieben werden. Auch ist die Kaserne der logistische Stützpunkt Sivio Berlusconis. Dort finden im Zuge dessen u.a. die Pressekonferenzen oder aber politische Treffen statt - etwa mit Unternehmern. Die Kaserne soll während des G8 die wichtigsten Gipfelteilnehmer beherbergen. Siehe dazu u.a.: http://www.gipfelsoli.org/Home/La_Maddalena_2009/6897.html , http://www.gipfelsoli.org/Home/La_Maddalena_2009/6894.html

*** Baumaterial

**** http://www.g8italia2009.it/vivisimo/cgi-bin/query-meta.exe?query=Direzione+di+Comando+e+Controllo&x=16&y=13〈=1199882116809&v%3Aproject=g8-en