2009-05-12 

Straßburg: 3 Jahre für NATO-Gefangenen

Das heutige Verfahren gegen einen 26jährigen Strasburger endete mit einer dreijährigen Haftstrafe, von denen 2 Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurden. Anlaß war ein Vorfall während des Polizeieinsatzes gegen die Clowns-Armee im Rahmen der Proteste gegen den Nato-Gipfel Anfang April.
Als die Polizei damals die Clownsarmee am Rande des Camps zerstreute und wahllos Leute festnahm, befand sich auch der Strasburger auf seinem Scooter in der Nähe. Ihm wird vorgeworfen, seinem auf dem Rücksitz sitzenden Beifahrer, der einen Feuerwerkskörper in Richtung zweier den Einsatz dokumentierenden Polizisten warf, dadurch geholfen zu haben, das er ihm ein Feuerzeug reichte.

Bild: Strasbourg

Auf diesen Wurf folgend fing die Hose eines Polizisten Feuer und verletzte diesen leicht am Fuß. Während der angebliche Werfer nicht von der Polizei gefaßt wurde, mußte sich der Strasburger, der seit dem Gipfel in Untersuchungshaft sitzt und seit über einem Monat auf seinen Prozess wartet, heute vor dem "Tribunal de grande instance" in Strasbourg wegen "Komplizenschaft bei einer Agression" verantworten. Der Staatsanwalt forderte eine recht hohe Strafe von 12 - 18 Monaten. In seinem Plädoyer wurde - in französischen Gerichtsverfahren erschreckenderweise üblich - deutlich darauf Bezug genommen, dass der junge Mann aus einem Banlieu stammt. Strafverschärfend wurde ins Spiel gebracht, das der Angeklagte schon 6 Strafen erhielt, die teilweise zur Bewährung ausgesetzt waren. Sterotyp wurde von der Staatsanwaltschaft die - für französische Gerichtsverfahren gegen junge Leute aus Banlieus übliche - Argumentation vertreten, dass der Angeklagte die Gipfelproteste nur als Trittbrett nutzen würde, um Agressionen gegen Polizisten zu verüben. Abgesehen von nur einer abfälligen Bemerkung des Staatsanwaltes über die AktivistInnen, indem er diese als "Krawallmacher" bezeichnete, gab es in diesem Verfahren tatsächlich keinerlei verbale Ausfälle in Richtung eines Black Block Konstruktes, der politisch bewußt für Gewalteskalation verantwortlich sei. Stattdessen wurden Gewalttätigkeiten in der Demonstration ausschließlich gewaltbereiten jungen Menschen aus den Banlieus in die Schuhe geschoben.
Der Angeklagte bestritt vor Gericht vehement, das er von dem Ansinnen seines Sozius Kenntnis gehabt hätte.
Seine Verurteilung basierte tatsächlich aber nur auf nicht richtig zu würdigenden Indizien. So konnte das umfangreiche Videomaterial, welches die beiden von dem Feuerwerkskörperwurf betroffenen Polizisten aufnahmen, heute aufgrund kaputter Abspielgeräte nicht angeschaut werden. Die Aussagen des Richters, der sich das Polizeivideo angeschaut hatte, wurden somit als wahr unterstellt. Seinen Ausführungen zufolge hat der Angeklagte den Scooter so gewendet, das sein Sozius besser habe werfen können. Erstaunlicherweise kamen während des Prozesses Polizeiaussagen auf den Tisch, die zu vorherigen im Widerspruch standen. So habe zunächst die Uniform des filmenden Polizisten nur im Bereich des Fusses Feuer gefangen, heute hieß es jedoch, die Hose hätte von dem Fuß bis zum Oberschenkel gebrannt.

Der verteidigende Anwalt hob dem gegenüber hervor, dass der Angeklagte zwar keine politische Nähe zu den Demonstrationen habe, seine Aktionen aber nicht aufgrund eines Wunsches nach Aggression stattfanden, sondern allenfalls Dummheiten waren. Tatsächlich ist das harte Urteil von 3 Jahren Gefängnis für das Reichen eines Feuerzeuges und die "Mitnahme" eines "Täters" schon der Tatsache geschuldet, das dieser Fall nicht von der harten Repression in den Banlieus losgelöst betrachtet werden kann.

Zu dem 1 Jahr abzusitzender Haftstrafe und den weiteren 2 Jahren Haft auf Bewährung muß der Strasburger noch die Polizisten entstandenen Kosten tragen. Zudem legte der Richter fest, dass die Strafe sofort angetreten werden muß.