2009-04-26 

Der Zauberer und das Erdbeben

Von Dietrich Alexander

Italiens Premier Berlusconi verlegt G-8-Gipfel nach L’Aquila

Nicht immer beweist Silvio Berlusconi, 72, ausgeprägtes Gespür für den angemessenen Ton. Seine Einlassungen sind zuweilen peinlich (US-Präsident Barack Obama sei “gut aussehend und sonnengebräunt”), einige Ideen abenteuerlich. Fast immer aber stellt der italienische Premier und Medienmogul sein gut ausgebildetes Sensorium dafür unter Beweis, was ankommt beim Wähler und – ganz wichtig – was sich visuell als Erfolg darstellen lässt. Wenn er schon nicht die Wirklichkeit verändern kann, dann wenigstens ihre Wahrnehmung. Das war so mit dem Müllproblem in Neapel.

Bild: Berlusconi

Und allem Anschein nach ist es auch so mit seiner neuesten Volte, den Juli-Gipfel der größten Industrienationen (G 8) von der idyllischen, aber abgeschiedenen Mittelmeerinsel La Maddalena vor Sardinien just in die vom Erdbeben zerstörte Stadt L’Aquila zu verlegen. Was wie die Schnapsidee eines Scharlatans anmuten mag, entspricht durchaus Berlusconis Auffassung von Politik. Am Wiederaufbau in den Abruzzen will er zeigen, dass er handelt, während andere reden. Er will sich als jener Zauberer präsentieren, als der er stets karikiert wird. Er wird sich an seinem Krisenmanagement messen lassen müssen.

Italiens Opposition weiß nicht, ob sie applaudieren oder spotten soll. Die G-8-Partner jedenfalls machen mit. Eine “Geste der Solidarität” mit den Betroffenen nennt Berlin die Verlegung und will sein Personal offenbar im Hotel von Campo Imperatore unterbringen, wo der faschistische Diktator Benito Mussolini 1943 einige Wochen festgesetzt war, bis ein deutscher Stoßtrupp ihn befreite. Praktischen Nutzen hat sie auch, denn Rom spart 220 Millionen Euro und das Kreuzfahrtschiff “Fantasia”, auf dem der Gipfel stattfinden sollte, könne auch vor Pescara liegen – 70 Hubschrauberkilometer von L’Aquila entfernt. Und es ist ein Versuch, die G-8-Gipfel aus abgelegenen Hochsicherheitstrakten wieder dahin zu bringen, wohin sie gehören: zu den Menschen.