2009-01-07 

Berlusconi: Geheimplan zur G 8

Die Wunder des heiligen Silvio

Wein, Weib und Gesang: Ein Geheimdossier enthüllt, wie Silvio Berlusconi die G 8 im Jahr 2009 auf Vordermann bringen will. Der Clou: Italiens Regierungschef singt selbst.

Eine Beobachtung von Hans-Jürgen Jakobs

Manchmal haben Enthüllungsreporter einfach nur Glück. So wie jüngst in der italienischen Hauptstadt Rom, als einem jungen Journalisten auf der Eckbank eines Lokals im Viertel Trastevere eine mit lila Schutzpapier eingebundene Kladde auffiel, die überschrieben war mit dem Titel: "Amore Mio G 8–Forza Europa“. Sie war hier versehentlich liegengelieben.

Bild: Berlusconi

Ein kleiner Vorspann machte klar, dass hier eine Taskforce innerhalb der großen italienischen Regierungspartei "Volk der Freiheit“ Grundgedanken für das neue Jahr 2009 zusammengetragen hatte. Offenbar hatte diese Gruppe in dem römischen Restaurant kurz zuvor getagt. Was in den Papieren besonders auffiel, war ein längeres Statement des Parteichefs und Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, 72.

Manches davon hatte man in dieser oder ähnlicher Form schon von ihm gehört oder gelesen, manches aber ist neu und entspricht einer höheren Form der Wahrheit.

Das Statement beginnt ("Liebe Freunde der Freiheit, liebe Mitkämpfer“) mit einer Beschreibung des Status quo: "2009 muss das Jahr Italiens, muss unser Jahr, muss mein Jahr werden. Da unsere Nation die Führung der wichtigsten politischen Vereinigung der Welt, der G 8, übernimmt, haben wir die Chance, jede Woche in die großen Hauptnachrichtensendungen auf dem Globus zu kommen. Deshalb dürfen wir uns nicht auf die wenigen G-8-Treffen beschränken, sondern müssen immer wieder mit Vorschlägen und Initiativen aufwarten. So habe ich mich beispielsweise entschlossen, das Internet zu regulieren und von Kinderpornos und Ähnlichem zu befreien. Er selbst plane, heißt es in einem mit "streng vertraulich“ gekennzeichneten Teil, dabei als Sänger aufzutreten. “Wie alle Welt weiß, habe ich mit Vokalkünsten schon in der Jugend als Künstler auf Kreuzfahrten viel Erfahrung gemacht. Ja, ich habe auch Staubsauger verkauft, aber noch besser habe ich gesungen. Wir wollen diesmal zielgenau und termingerecht eine neue CD herausbringen, auf der ich erstmals selbst eines meiner Lieder singen werde. Die anderen werden wie gewohnt von meinem Freund Mariano Apicella aus Neapel zur Aufführung gebracht. Der Erfolg sollte um einiges größer sein als bei unserem ersten Werk ‘Meglio una canzone’ (”Besser ein Lied“, Anm. d. Red.). In der Arbeitsgruppe sollten wir rechtzeitig erörtern, wer von den G-8-Kollegen sich für die Show von Maddalena am besten für welches gemeinsame Lied eignen könnte. Es ist ja bereits die Idee aufgekommen, dass ich zusammen mit Angela Merkel und Barack Obama ein eingängiges deutsches Volkslied singen könnte, das ‘Schwarzbraun ist die Haselnuss’ oder so ähnlich heißt. Das muss aber noch genauer recherchiert werden."

Preiset die schönen Frauen

Mehrere Seiten des "Amore“-Papiers beziehen sich auf die unterschiedlichen Kulturen der G-8-Staaten Italien, USA, Großbritannien, Frankreich, Japan, Kanada, Russland und Deutschland. "Es gibt aber eines, das ist in allen Ländern gleich: die Liebe zu schönen Frauen. Das müssen wir ausnutzen“, heißt es in dem Konvolut. "Schon mit meinem Freund Putin habe ich in der Öffentlichkeit mit großem Erfolg die Frage erörtert, welches Land die attraktiveren Frauen hat. Ich schlage deshalb eine Ländershow der G 8 mit Elementen einer Miss-Wahl im Fernsehen vor.“

Berlusconi nennt auch gleich drei große potentielle Sender: Canale 5, Rete 4 und Italia 1. "Da sie alle mir gehören, dürfte eine Realisierung des Programms kein Problem sein. Wir haben mit Miss-Wahlen schon viel Erfolg gehabt. Außerdem habe ich in den Gremien des Staatsfernsehens Rai bekanntermaßen Einfluss und kann dort relevante G-8-Themen anstoßen.“ Auf jeden Fall sollten Tänzerinnen in Maddalena auftreten, es könnten auch jene Bauchtänzerinnen sein, die "mein Freund Putin für mich in Sankt Petersburg hat tanzen lassen“.

Dick unterstrichen ist in der Akte "Amore Mio“ ein Kapitel über die Bedeutung Italiens als Reiseland. "Hier liegen unsere klassischen Vorteile, deshalb müssen wir immer wieder Fachkonferenzen in verschiedenen schönen Städten unseres geliebten Landes austragen. Viel verspreche ich mir vom Treffen der G-8-Umweltminister in Neapel, das ja noch bis vor kurzem im Müll versank und das ich gesäubert habe. Rechtzeitig vor dem Termin sollten wir in Frankreich anfragen, wie das Sarkozy mit dem "Kärchern“ in der Banlieue gemacht hat und ob wir hiervon lernen könnten.“ Auch solle das "leider noch stark verunreinigte Meer“ vor der Amalfi-Küste mit Hydrauliksystemen bearbeitet werden, so dass sichtbare Müllbestandteile wie "Plastikflaschen, Tüten, Gummikörper und Ähnliches verschwinden und ich den Gästen auf meiner Yacht ein ungetrübtes Bild Italiens bieten kann.“Wir brauchen mehr Reformen solchen Kalibers.“

Bitte nicht zu ernst

Zu ernst aber dürfe alles nicht geraten, führt Berlusconi aus, es würden "Injektionen der Seriosität“ genügen. Denn: “Lachen ist die beste Medizin. Gegebenenfalls hilft ein lockerer Spruch von mir, so wie ich vor Wochen über meinen künftigen G-8-Freund Barack Obama sagte, er sei ‘jung, ansehnlich und sogar gebräunt’. Solche Witze funktionieren in den Medien immer. Wer Lacher hat, hat keine Feinde.” Was das G-8-Jahr unter italienischer Ägide angeht, so müssten die Leute immer fragen: "Wo steigt hier die Party? Wann kommt Silvio?“

Er scheue sich nicht, schreibt Berlusconi weiter, mit vollem Einsatz die eigene Person ins Scheinwerferlicht der internationalen Medien zu bringen: “Ich ziehe die Pfeile auf mich so wie Jesus Christus die Nägel am Kreuz ertragen hat.“ Schließlich habe er schon 1994 und 2001 die G-8-Präsidentschaft innegehabt (”ein absoluter Rekord, weil Kohl und Mitterrand nur zweimal Präsident waren"). Mit vielen Reisen in die G-8-Länder, aber auch in wichtige Staaten wie China, Indien, Brasilien, Mexiko oder Südafrika, die enger an die G 8 angebunden werden sollen, könne von dem Rekord verkündet werden: "Ich reise, also bin ich“, führt der Autor einmal scherzhaft an.

Auch wisse er genau, wie Persönliches zu Politik werden kann, so Berlusconi weiter: "Jahrelang habe ich wertvolle Freundschaften aufgebaut, gerne auch in meiner Villa an der Costa Smeralda auf Sardinien. Das hat das Verhältnis Italiens zu einem Tony Blair oder einem Wladimir Putin enorm gestärkt. Mein Haus steht allen offen! Der heilige Silvio kann noch viele Wunder vollbringen.“

Besser ein Lied

In einer längeren Fußnote nennt Autor Berlusconi dann noch einige weitere seiner "Aphorismen“, die angeblich zu den weltweit am meisten zitierten Politikerweisheiten gehörten. Dann beschreibt er in einem längeren Absatz, worauf es seiner Meinung nach in Italiens G-8-Jahr ankomme: "Das Wichtigste ist: Atmosphäre, Atmosphäre und noch einmal Atmosphäre. Ein nettes Gesprächsklima, mit Amüsement und Animation, bügelt auch schwere diplomatische Krisen aus. Deshalb habe ich Anweisung gegeben, dass unser G-8-Gipfeltreffen Anfang Juli auf der kleinen Inselgruppe La Maddalena im Norden Sardiniens heitere Spiele des freien Worts werden.“

Er selbst plane, heißt es in einem mit "streng vertraulich“ gekennzeichneten Teil, dabei als Sänger aufzutreten. “Wie alle Welt weiß, habe ich mit Vokalkünsten schon in der Jugend als Künstler auf Kreuzfahrten viel Erfahrung gemacht. Ja, ich habe auch Staubsauger verkauft, aber noch besser habe ich gesungen. Wir wollen diesmal zielgenau und termingerecht eine neue CD herausbringen, auf der ich erstmals selbst eines meiner Lieder singen werde. Die anderen werden wie gewohnt von meinem Freund Mariano Apicella aus Neapel zur Aufführung gebracht. Der Erfolg sollte um einiges größer sein als bei unserem ersten Werk ‘Meglio una canzone’ (”Besser ein Lied“, Anm. d. Red.). In der Arbeitsgruppe sollten wir rechtzeitig erörtern, wer von den G-8-Kollegen sich für die Show von Maddalena am besten für welches gemeinsame Lied eignen könnte. Es ist ja bereits die Idee aufgekommen, dass ich zusammen mit Angela Merkel und Barack Obama ein eingängiges deutsches Volkslied singen könnte, das ‘Schwarzbraun ist die Haselnuss’ oder so ähnlich heißt. Das muss aber noch genauer recherchiert werden."

Preiset die schönen Frauen

Mehrere Seiten des "Amore“-Papiers beziehen sich auf die unterschiedlichen Kulturen der G-8-Staaten Italien, USA, Großbritannien, Frankreich, Japan, Kanada, Russland und Deutschland. "Es gibt aber eines, das ist in allen Ländern gleich: die Liebe zu schönen Frauen. Das müssen wir ausnutzen“, heißt es in dem Konvolut. "Schon mit meinem Freund Putin habe ich in der Öffentlichkeit mit großem Erfolg die Frage erörtert, welches Land die attraktiveren Frauen hat. Ich schlage deshalb eine Ländershow der G 8 mit Elementen einer Miss-Wahl im Fernsehen vor.“

Berlusconi nennt auch gleich drei große potentielle Sender: Canale 5, Rete 4 und Italia 1. "Da sie alle mir gehören, dürfte eine Realisierung des Programms kein Problem sein. Wir haben mit Miss-Wahlen schon viel Erfolg gehabt. Außerdem habe ich in den Gremien des Staatsfernsehens Rai bekanntermaßen Einfluss und kann dort relevante G-8-Themen anstoßen.“ Auf jeden Fall sollten Tänzerinnen in Maddalena auftreten, es könnten auch jene Bauchtänzerinnen sein, die "mein Freund Putin für mich in Sankt Petersburg hat tanzen lassen“.

Dick unterstrichen ist in der Akte "Amore Mio“ ein Kapitel über die Bedeutung Italiens als Reiseland. "Hier liegen unsere klassischen Vorteile, deshalb müssen wir immer wieder Fachkonferenzen in verschiedenen schönen Städten unseres geliebten Landes austragen. Viel verspreche ich mir vom Treffen der G-8-Umweltminister in Neapel, das ja noch bis vor kurzem im Müll versank und das ich gesäubert habe. Rechtzeitig vor dem Termin sollten wir in Frankreich anfragen, wie das Sarkozy mit dem "Kärchern“ in der Banlieue gemacht hat und ob wir hiervon lernen könnten.“ Auch solle das "leider noch stark verunreinigte Meer“ vor der Amalfi-Küste mit Hydrauliksystemen bearbeitet werden, so dass sichtbare Müllbestandteile wie "Plastikflaschen, Tüten, Gummikörper und Ähnliches verschwinden und ich den Gästen auf meiner Yacht ein ungetrübtes Bild Italiens bieten kann.“

Schließlich geht es in dem Dokument auch um Fußball. "Ist es nicht strategisch wertvoll, dass bald auch David Beckham in meinem Verein AC Mailand spielt?“, fragt Berlusconi rhetorisch. "Er fügt sich doch wunderbar zu all den anderen Spielern, die wir aus der G 8 und anderen wichtigen Staaten haben. Es ist ein wahres All-Star-Team, so etwas wie früher die Harlem Globetrotters im Basketball – eine solche Mannschaft sollte auf Tournee gehen.“ Konkret schlägt Berlusconi Spitzen-Begegnungen mit Klubs wie FC Chelsea, Zenit Sankt Petersburg, Olympique Lyon oder Bayern München aus den G-8-Ländern vor. Auf der Tribüne sitze er dann neben den jeweiligen Staatschefs und werde von den TV-Kameras gezeigt.

Mit Haut und Haaren

Als “Manko” nennt Berlusconi an einer Stelle, dass es leider zu wenige Auftritte mit Papst Benedikt XVI. gebe. Der Vatikan habe sich zu Jahresbeginn ja sogar von der italienischen Gesetzgebung gelöst, "da wir angeblich zu viele Gesetze erlassen und sie oft auch noch im Widerspruch zu Grundsätzen der Kirche stünden“, erzürnt sich Berlusconi, "dabei bin ich doch im Schoß der Kirche großgeworden, liebe Opus Dei und habe die Zahl der Gesetze strikt auf jene reduziert, die mir nutzen“. Vielleicht wäre es doch besser, einen Papst aus Italien und nicht aus Deutschland zu haben, merkt der Autor an: "Gleichwohl, er muss mit mir vor die Kamera.“

Präzise schreibt Berlusconi gegen Ende auf, dass bei Sitzinterviews nach wie vor genau darauf geachtet werden müsse, dass ein Stapel Bücher unter das Kissen geschoben wird und dass er regelmäßig Termine zum Haar-Check bekomme: "Nur in Ausnahmefällen gelten Männer mit Glatze als sexy. Darauf will ich es nicht ankommen lassen. Alle mögen mich mit Haut und Haaren.“

Es gibt in dem Geheimpapier zu Italiens G-8-Führung auch einen kleinen Annex unter der Überschrift "Risiken“. Dort heißt es, dass die Strategie “Amore mio” mit hundert Prozent Wahrscheinlichkeit aufgehen werde, "wenn man Italien lässt, wenn man auf das System Berlusconi setzt“. Es könne aber sein, dass Eifersucht entstehe, dass der berlusconische G-8-Rekord angefeindet wird und es zu "Ego-Problemen“ komme. Noch gebe es keine Klarheit, wie Barack Obama einzuschätzen sei: "Bei George W. Bush, meinem Männerfreund, wussten wir, woran wir waren. Er sprach meine Sprache. Aber was ist mit dem Nachfolger? Was ist, wenn er unter Zwang steht, sich intellektuell profilieren zu müssen?“

Das größte Problem aber mache mit Sicherheit Nicolas Sarkozy aus Frankreich, ist in dem Papier zu lesen. "Der Mann aus dem Élysée-Palast hat uns und mir schon bei der Mittelmeerunion die Show gestohlen, er will auch die Finanzkrise à la française lösen. Vor allem ist nicht zu verkennen, dass er in den Medien eine gute Figur macht und mit seinem Jogging-Outfit einfach jung wirkt. Dem müssen wir den Faktor Erfahrung entgegensetzen.“

Ein gravierender Nachteil aber bleibt, jammert Berlusconi zu guter Letzt: “Das ist Carla Bruni. Sie wird beim Damenprogramm der G 8 allen klar den Rang ablaufen. Sarkozy hat einfach die schönste Frau.” Der Regierungschef aus dem römischen Palazzo Chigi liefert aber auch gleich die rettende Idee mit: "Können wir in unseren Medien nicht viel stärker herausstellen, dass die Dame aus Italien stammt?“