2008-12-01 

Bolzaneto: Es war Folter. Die Urteilsbegründung.

von Checchino Antonini

Da steht es, schwarz auf weiß: In Bolzaneto wurde gefoltert. Die Lektüre der Begründung des Urteils, das am vergangenen 14. Juli gesprochen wurde, erlaubt es besser als die Urteilsverkündung - lediglich 15 von 45 Angeklagten sollen verurteilt worden sein - die Vörgänge zu fokussieren, die im Juli 2001 in Bolzaneto vollzogen wurden.

Der 451-seitigen Rekonstruktion der Geschichte entnimmt man, dass sich die Untersuchungen wegen der Omertá* extrem schwer gestalteten. Ein merkmal, das ebenfalls von den Staatsanwälten hervor gehoben wurde, die den Strafantrag im Diaz-Verfahren stellten. Es mit einem Bürger in Uniform zu tun haben, ist für die Staatsanwaltschaft genau so beschwerlich, wie die Auseinandersetzung mit einem Vergewaltiger und/oder einem Mafioso. Eine "Grenze", die den Richtern zufolge, auf "missverstandenen Korpsgeist" zurückzuführen ist, und in der die Ursache für die Umöglichkeit liegt, die für die vor Gericht nachgewiesenen Misshandlungen Verantwortlichen zu identifizieren. Es soll weder möglich gewesen sein, "Er Tigre" - eine Gefängniswache, die sich beim Schikanieren besonders hervortat - zu identifizieren, noch den Spezialisten für Beschimpfungen deutschsprachiger Gefangener aus Südtirol.

Pic: Bolzaneto

Und es kam, in jenen Tagen und Nächten in der zur Haftanstalt umfunktionierten Kaserne Bolzaneto im Norden von Genua, zu "politisch gearteten Äußerungen, die im Munde von Angehörigen der Polizeikräfte eines demokratischen Staates, der den Wert der Ächtung des Nazifaschismus unter den Grundwerten der eigenen Verfassung anführt schon per se nicht tolerierbar sind", das bestätigte das Urteil. In jenem Zusammenhang, mit jungen Menschen, die gezwungen waren, mit gespreizten Beinen, Händen über den Kopf und Gesicht zur Wand waren jene Äußerungen "um so abstoßender und schikanöser". "Beschimpfungen aller Art, die von besonders an Frauen gerichteten Beschimpfungen mit sexuellem Hintergrund bis hin zu solchen mit politischem Inhalt reichten. Drohungen, die zwischen solchen variierten, die Schläge und sogar den Tod in Aussicht stellten und solchen, bei denen Vergewaltigung das Leitmotiv war, und die Nötigung zum Aufsagen von die eigene Würde verletzenden Sprüchen, und von Sprüchen und Hymnen auf Mussolini und Hitler, bis hin zur Nötigung, im so genannten Stechschritt den Gang hinabzumarschieren und dabei den Hitlergruß zu machen, dem vielleicht als Handyklingelton abgespielten Motiv "Faccetta nera"** und antisemitischen, dem faschistischen Regime und der Diktatur des Generals Pinochet huldigenden Sätzen zu lauschen".

Und Perugini wusste es. Der einstige Vizequästor, der zu 2 Jahren und vier Monaten verurteilt wurde - der Polizist, der in einer Straße von Genua dabei verweigt wurde, wie er sich anschickte, einen von anderen Beamten festgehalrenen Minderjährigen zu treten, "hatte von dem, was in der Anstalt geschah, sichere Gewissheit". Einen Vorgang nicht zu unterbinden, den man zu unterbinden rechtlich verpflichtet ist, kommt dem Veranlassen jenen Vorgangs gleich. Paragraph 40 des Strafgestzbuches. Die höchste Strafe - 5 Jahre - hat ein ehemaliger Inspektor der Gefängnispolizei bekommen: Biagio Gugliotta. Ihm wurden anhaltender Amts- und Machtmissbrauch anhaltende Gewaltanwendung, Körperverletzung, Beleidigung, Bedrohung, Nötigung und einzelne, spezifische Vorfälle angelastet. Er war die Person, die zur Gewährleistung der Ordnung und der Wahrung der körperlichen Unversertheit und der Würde der in jenem Kontext festgehgaltenen PÜersonen abgestellt. Also hat "Gugliotta von der ihm übertragenen Macht schlechten Gebrauch gemacht, in dem er es den Untergebenen erlaubte, missbräuchliche Handlungen und Gewaltanwendungen jeder Art zu vollziehen. in dem er ebensolche gelegentlich auch persönlich vollzog und in dem er das quälerische und unterdrückende Klima förderte, in dem die Opfer ohne Schutz und der Anmaßung und Gewalt derer ausgesetzt waren, die hingegen deren persönliche Sicherheit hätten gewährleisten müssen". "In einem demokratischen System unvorstellbare" Straftaten, wobei "das Fehlen eines einschlägigen Tatbestands der 'Folter' in unserem Strafrecht" (Italien ist der internationalen Verpflichtungen säumig, red.) die Staatsanwaltschaft gezwungen hat, die unmenschlischen und abwertenden Vorgehensweisen einzugrenzen". Vorgehensweisen. merken die Richter an, die "man ohne jeden Zweifel in dem in internationale Konventionen aufgenommenen Begriff von Folter hätte wiederfinden können und die dieses Kollegium für vollkommen erwiesen befunden hat".

Was die Ereignisse in der Diaz-Schule betrifft, so hat 'Famiglia Cristiana' *** aufs Neue die Untersuchungsausschussfrage aufgeworfen. In einem Editorial von Adriano Sansa, Staatsanwalt und vormals Bürgermeister von Genua, der sich in den Auszügen, die wir veröffentlichen fragt: "warum hat man nicht die durch das Gesetz selbst vorgesehenen und im Sinne der politischen und moralischen Verantwortung zwingenden Mittel umgesetzt? Wenn so viel Vollzugsbeamte und leitende Beamte Straftaten begangen haben, muss sich doch irgendwer verantworten, und sei es außerhalb des Gerichtsverfahrens". Stattdessen, "hat unter denen, die in den höchsten Rängen führten, niemand gebüßt: unfähig, abwesend, würdelos. Im Gegenteil: sie alle wurden befördert - einige in Ämter mit höchstem Verantwortungsgrad". Und weiter: "Niemand entschuldigt sich". "Vielleicht meint die Regierung, so als 'polizeifreundlich" in Erscheinung zu treten. Vielmehr vernichtet sie dabei deren Bild bei den Bürgern und beleidigt deren loyalen Anteile. Der parlamentarische Untersuchungsausschuss stellt die letzte Möglichkeit dar, um den Verrat von Genua endlich aufzuhalten". Der bekannte Staatsamann Gasparri, Fraktionschef des Pdl****, machte dem Staatsanwalt klar: "Finden Sie sich damit ab, dazu wird es nie kommen".

Wenige Stunden zuvor, weiterhin am Mittwoch, hatte der stellvertretende Generalstaatsanwalt beim Kassationshof Alfredo Montagna bei der Verhandlung wegen den Auseinandersetzungen vom 11. März 2006 auf dem Corso Buenos Aires in Mailand bekundet, dass "die Polizei eine abweichlerische Ermittlungskultur hat, weil sie meint, dass die Identifikation einer Person, die an einer Demonstration Teil nimmt es gestatte, dieser anschließend sämtliche im Rahmen der selben Demonstration begangenen Straftaten anzulasten" Nichtdestotrotz hat der oberste Gerichtshof die Berufung der Antifaschisten abgewiesen

A.d.Ü. :

* Das "Gesetz des Schweigens" der Mafia, siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Omert%C3%A0

** Faschistisches Kampflied, siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Faccetta_Nera

*** Katholische Wochenzeitschrift, siehe auch: http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/und_sie_bewegt_sich_doch_1.975646.html

**** Popolo della Libertà = "Volk der Freiheit" siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Popolo_della_Libert%C3%A0 , http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/ressorts/reisen/europa/index,page=1131278,chunk=6.html http://de.indymedia.org/2008/11/233305.shtml und http://de.indymedia.org/2008/11/233325.shtml