2008-08-09 

Die (Re)Konstruktion einer Anti-Kriegs-Bewegung

geschrieben von David Zlutnick und Ian Paul vom Friendly Fire Collective am 25. April 2008

Als Anti-Kriegs-Bewegung stecken wir Zeit und Energie in Mobilisierungen, die zu isolierten Tagen spektakulärer Aktionen führen. Wir streben es an kurzfristige Ziele zu erreichen, ohne jedoch über notwendigen kollektiv entwickelten langfristigen Visionen zu verfügen, die eine nachhaltige Anti-Kriegs-Bewegung braucht. Manchmal können diese Aktionen für sich selbst genommen etwas erreichen, doch müssen wir uns vergewissern, dass sie auf möglichst effktive Weise durchgeführt werden und uns zugleich unseren weitreicherenden Zielen näherbringen. Wenn es unsere Strategie ist, eine Bewegung zu schaffen – eine Bewegung, die dazu imstande ist das Vermögen des Staates Krieg zu führen zu zerstören – dann müssen wir unsere Organisierung kritisch daraufhin abklopfen und sie danach bewerten, inwieweit sie es effektiv vermag eine erfolgreiche Anti-Kriegs-Bewegung aufzubauen. Im Folgenden schildern wir unsere Sicht der Aktionen zu M19 (dem Jahrestag des Irakkrieges), unsere Erfahrungen der Organisierung innerhalb von DASW (Direct Action to Stop the War), welche Fehler unserer Ansicht nach gemacht wurden, und wie wir denken weiterzugehen im Bestreben einen radikalen Raum für radikale Aktionen zu schaffen.

Bild: Plakat

Kurzfristige Ziele

Zu Beginn sollten wir unserer Ansicht nach die beiden kurzfristigen Ziele untersuchen, die mit den Aktionen an diesem Tag erreicht werden sollten: Aufmerksamkeit für den fünften Jahrestag des Krieges herzustellen und den Normalbetrieb von Kriegsprofiteuren in unserer Stadt unterbrechen.

Das erste ausdrückliche Ziel, warum speziell an diesem 19.März ein Aktionstag organisiert wurde lag darin Aufmerksamkeit für den fünften Jahrestag des Krieges zu erregen. Während wir damit recht gut erfolgreich waren – verschiedene Zeitungen und Fernsehsender brachten die Ereignisse des Tages – so hatten die meisten Berichte doch einen gönnerhaften und paternalistischen Ton, klopften uns dafür auf den Rücken, nicht allzu viel Ärger verursacht zu haben oder stellten unsere magere TeilnehmerInnenzahl heraus. Entsprechend der Struktur der bürgerlichen Presse war es nur in sehr begrenztem Umfang möglich Einfluss auf den Ton der Berichterstattung zu nehmen – was uns zu der Frage führte, welchen Wert es überhaupt hatte, im Vorfeld enorm viel Energie ins Entwickeln einer Strategie für den Umgang mit bürgerlichen Medien gesteckt zu haben. Allerdings führt uns die große Menge an Berichten in den Mainstream Medien dazu zu gleuben, dass die Medienstrategie ziemlich erfolgreich damit war, die Aufmerksamkeit auf den Jahrestag zu richten und somit die selbst gesetzten Ziele erreichte.

In Bezug auf das Ziel, die Kriegsprofiteure zu stören, kamen eine Reihe unterschiedlichster Taktiken zum Einsatz: ein Schlangenmarsch (eine sich von Punkt zu Punkt voranbewegende Unterstützungsdemo, die sich nicht festnehmen lässt, sondern immer kurz davor weiterzieht), einen Fahhradblock, Farbbomben, U-Schlösser an Eingangstüren, v.a. aber Sit-Ins, Lock-Ons und Die-Ins – ihnen allen war unterschiedlicher Erfolg beschieden. Lasst uns zuerst sehen inwieweit diese Aktionen es vermochten die Geschäfte der Kriegsprofiteure zu unterbrechen. Die Frage ist: Wurde dieses Ziel erreicht und wurde es auf bestmögliche Weise getan?

Wenn wir uns fragen, ob es an diesem 19. März zu bedeutenden Unterbrechungen der Kriegsprofiteure kam, muss die Antwort “nein” lauten. Es war aufregend den größten Einsatz Zivilen Ungehorsams in San Franzisko seit Beginn des Krieges zu sehen, doch blieben die meisten Aktionen rein symbolisch, die Geschäfte der Profiteure blieben offen. Die meisten Aktionen gab es auf der Market Street und obwohl die angestrebten Ziele in Sichtweite lagen, scheiterten sie doch darin den Normalbetrieb zu unterbrechen. Diese Aktionen blockierten die Market Street erfolgreich für lange Zeit, aber Ziel war es anders als 2003 diesmal nicht gewesen, den Finanzdistrikt lahmzulegen, sondern die Geschäfte der Profiteure. Darüber hinaus befanden sich die Büros häufig in großen Bürogebäuden, deren Türen z.T. zwar erfolgreich außer Funktion gesetzt werden konnten, die Arbeit in den Büros selbst aber ungestört fortgesetzt werden konnte.

Ein Großteil der Strategie dieses Tages konzentrierte sich auf den Einsatz ausdrücklich gewaltfreier Direkter Aktionen, die durch Massenfestnahmen die Zielgebiete lahmlegen sollten – gekoppelt mit einem Schlangenmarsch zur Unterstützung der Blockaden und als Möglichkeit für die allgemeine Öffentlichkeit, sich bei den Protesten einzuklinken. Wenn wir die Ereignisse des Tages untersuchen, sehen wir verschiedene Wege, wie die verwendeten Methoden verbessert werden könnten.

Zu Beginn müssen wir die Tatsache feststellen, dass viele der potentiellen Ziele aus zwei Gründen verfehlt wurden: 1) Einem Mangel an Kommunikation und schlechter Koordination zwischen Bezugsgruppen, und 2) das Gefühl in einigen Gruppen, dass sie aufgrund taktischer Differenzen bei den DASW Aktionen nicht willkommen sein könnten (Zu beiden kommen wir später ausführlicher).

Ein Beispiel drückt unserer Ansicht nach gut den vorhandenen Mangel an taktischen Synergien aus: Der Schlangenmarsch erreichte das Chevron Gebäude, um dort eine Aktion zu unterstützen, bei der verschiedene Individuen die Eingänge mit Ölfässern blockierten, in denen sie sich festgekettet hatten. Die Blockade war schnell aufgelöst, die Gruppe festgenommen. Die Eingänge blieben aber auch nach den Festnahmen durch den Marsch selbst blockiert, ein nicht beabsichtigter Effekt, der definitiv effektiver darin war, das Gebäude zu blockieren als das Anketten. Nach diesem Ereignis kehrte der Schlangenmarsch zu seiner Rolle als Unterstützung zurück und entfaltete niemals sein volles Potential. Dies zeigt, dass die Festnahmen höchstwahrscheinlich unnötig waren und welche Kraft der Schlangenmarsch gehabt haben könnte, wäre er auf andere Weise gedacht worden, sprich: als eigenständiges Mittel der Unterbrechung statt als Unterstützung.

Indem der Schlangenmarsch von vorn herein darauf beschränkt war ein Unterstützungsstruktur zu sein, entstand eine Athmosphäre ZuschauerInnen zu sein, während die “echte” Aktion in Form Zivilen Ungehorsams stattfindet. Viele von denen, die am Marsch teilnahmen und erwarteten selbst zu stören, fanden sich als ZuschauerInnen vorher geplanter Direkter Aktionen wieder, was die Möglichkeiten bei mitzumachen stark einschränkte. In Zukunft sollten wir Taktiken entwickeln, die darauf zielen konkrete Ziele zu erreichen und dennoch offen sind und die Möglichkeit bieten teilzunehmen.

Die Bewegung aufbauen

Unser Eindruck in der Vorbereitung auf M19 war, dass die Aktionen des Tages und ihre Organisierung als langfristiges Ziel hatten zur allgemeinen (Re) Konstruktion der Anti-Kriegs-Bewegung beizutragen. Trotz dem es offensichtlich positiv ist, wenn solche Formen der Organisierung wieder auftauchen, wurde dieses Ziel dahin gehend nicht erreicht, neue Leute in die Anti-Kriegs-Bewegung zu bringen.

Zunächst hatten die meisten, wenn nicht alle, die sich unter der Fahne DASW zusammenfanden schon einige Erfahrungen in der Organisierung von Anti-Kriegs-Protesten gesammelt. Zweitens kann davon ausgegangen werden, dass diejenigen, die am 19. März zu den DASW Aktionen kamen höchstwahrscheinlich schon vorher an Anti-Kriegs-Protesten teilgenommen haben uns es zweifelhaft ist, dass sie nun aktiver an der Organisierung teilnehmen werden, wenn sie dies nicht ohnehin an irgendeinem Punkt in den letzten 5 Jahren passiert ist. Zur gleichen Zeit müssen wir anerkennen, dass es für die ausgewählten Wenigen, für die es der erste Protest war, eine großartige Erfahrung gewesen sein mag (was es für einige mit denen wir gesprochen haben tatsächlich war) die sie hoffentlicht dazu ermutigt aktiver zu werden. Dennoch müssen wir ebenfalls sehen, dass dies ohne Zweifel eine extrem wenige waren. Für den Rest der Anwesenden lässt sich folgern, dass M19 sie nicht zu einer aktiveren Position bringen wird, was die Frage aufwirft, woran das liegt.

Wir glauben, dass es vor allem zwei Gründe gibt, warum sich jenseits der mit DASW verbundenen Leute die wenigsten TeilnehmerInnen der M19 Proteste an der weiteren Organisierung beteiligen werden: 1.) Der ausschließende Nebeneffekt der zentralen Taktik der Massenfestnahmen, und 2.) war bei den gewählten Methoden war eine tatsächliche Störung der Kriegsmaschine kaum zu spüren.

Auch wenn dies so deutlich nie gesagt wurde, empfanden viele, dass die zentralen Aktionen des Tages, die von DASW offiziell geduldet wurden in Ankett-Aktionen, Die-Ins und Sit-Ins usw. bestanden, die allesamt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu Festnahmen führen würden. Als Ergebnis hatten diejenigen unter uns, welche wie wir bereit sind Festnahmen zu riskieren, nicht aber an Aktionen teilnehmen, die unter Garantie zu Festnahmen führen, das Gefühl, dass wir an diesem Tag nicht wirklich teilnehmen können, weil wir uns nicht anketten wollen. Es war unklar, wie wir und andere uns am besten in effektiver Weise mit anderen Aktionen koordinieren könnten, insbesondere da wir annehmen mussten, dass viele unserer Ideen zu Störungen nicht geduldet oder als Teil von DASW erachtet werden würden, da sie nicht in die Kategorie “Zivilen Ungehorsams” passen würden.

Als Ergebnis blieb vielen nichts anderes übrig als in den öffentlichen Aktionen wie dem Schlangenmarsch teilzunehmen. Auch wenn es die Idee des Schlangenmarsches war, all jene einzubinden, die nicht an den kleinen Aktionen teilnehmen, hatten viele das Gefühl, einen Nebenrolle zugewiesen bekommen zu haben. Außerdem fühlten sich viele, darunter auch wir, von den Die-Ins abgekoppelt, da wir auf eine Zuschauerrolle reduziert beobachten mussten, wie die Leute festgenommen und weggezerrt wurden, eine immer kleiner werdende Menge ohnmächtiger GefährtInnen auf dem Gehweg zurücklassend.

Aus Diskussionen, die wir seit M19 mit einigen Individuen führten – insbesondere Leuten, die nicht an den bedeutenden Anti-Kriegs Organisierierungen beteiligt waren, die aber bereits vor Kriegsbeginn 2003 aktiv waren und am fünften Jehrestag teilnahmen – folgern wir, dass viele in der Anti-Kriegs-Community es müde sind immer wieder auf die alten Taktiken zurückzugreifen, die bewiesenermaßen keinen Effekt haben. Dies wird sowohl von den Militantesten wie den eher “Liberalen” (gegenüber den Radikalen) so gesagt. Auch wenn sie diesmal den Aktionstag von DASW unterstützten, wird fortgesetzte Enttäuschung sie nicht dazu ermuntern, sich am Organisierungsprozess zu beteiligen, geschweige denn an künftigen Aktionen teilzunehmen.

Neben der Strategie des “Zivilen Ungehorsams” hatten wir auch beim Schlangenmarsch den Eindruck “alte Taktiken” zu wiederholen. Da der Marsch entschlossen war, unerlaubt zu bleiben (und dank fantastischer darbietungen von Theatergruppen und Marching Bands) war es möglich, die Energie auf hohem Niveau zu halten. Nichts desto trotz erinnerte der Anspruch alle einzubinden – was ein Verbot aller Aktionen voraussetzt, die den Marsch zu gefährden scheinen – stark an die typische San Francisco Anti-Kriegs-Demo, die zwar einen Anfang und ein Ende hat, deren Zweck oder zu erreichendes Ziel aber unklar bleibt. Wenn dies der Fall war, und dies die einzige “einbeziehende” Aktion des Tages war, würden unglücklichrweise viele vorziehen, nach der Arbeit an der ANSWER Demo teilzunehmen, was weit mehr Menschen taten.

Nach M19 gab es den ANSWER leuten gegenüber feindliche Gefühle, die in der Wahrnehmung endeten, diese seien unserem Tag in die Quere gekommen. Selbst wenn das der Fall wäre u8nd wir kollektiv das Bedürfnis hätten den fünften Jahrestag zu monopolisieren (was ein schrecklicher Fehler wäre), können wir es ANSWER nicht vorwerfen, Leute zu ihrer Demo gezogen zu haben. Das ist eben, was ANSWER macht: Sie organisieren Massendemonstrationen, um all jene einzubeziehen, die irgendwie zeigen wollen, dass sie die US Besatzung ablehnen. Als DASW möchten wir etwas anderes sein – eine Organisierung, die auf Direkte Aktion zielt. Mehr als nur gegen den Krieg zu demonstrieren ist es unser definitives Ziel ihn zu stoppen. Sollten wir also nicht andere Taktiken anwenden?

Eine andere wichtige Frage in Bezug auf M19 ist: Wen wollen wir in unsere Aktionen einbeziehen? Idealerweise, ja, hätten wir gerne alle dabei, aber realistischerweise können wir nicht davon ausgehen, dass ein repräsentativer Querschnitt aller Leute in San Francisco, vom Marina-Yuppie bis zur TagelöhnerIn mitmacht. Als Gruppe mit dem Namen “Direct Action to Stop the War” die mit einen Aktionstag ankündigt “die Profiteure des Krieges lahmzulegen” sprechen wir, ob wir wollen oder nicht, ein sehr spezielles Publikum an: AktivistInnen. Wenn wir das im Kopf haben, müssen wir nicht nur neue Wege finden, uns zu organisieren, die diese Community dazu bringt, sich entweder mit uns zusammen zu (re)organisieren oder auch unabhängig. In jedem Fall sollten wir diese Gruppe in unseren Planungen berücksichtigen in dem Wissen, dass sie nicht nur da sind, um ihre Opposition gegen den Krieg zu zeigen, sondern um dagegen zu handeln.

Wenn wir nochmal auf die Taktik des “Zivilen Ungehorsams” sehen: Wenn es tatsächlich unsere Absicht ist diejenigen Gruppen einzubeziehen, deren unmittelbare Anliegen wir am häufigsten mit dem Krieg in Zusammenhang bringen – namentlich die ImigrantInnen, die Communities of Color, und allgemeiner gesprochen die ArbeiterInnenklasse – müssen wir den ausschließenden Effekt beachten, den diese Methode speziell auf diese Teile der Bevölkerung hat. Dieser nicht beabsichtigte Ausschluß hängt häufig mit zusätzlichen Pflichten zusammen, die Menschen in schlecht bezahlten Jobs nicht auf sich nehmen können, etwa die Unmöglichkeit sich den ganzen Tag frei zu nehmen, oder auch aus familiären Gründen, die einen längeren Gefängnisaufenthalt undenkbar erscheinen lassen. Ein anderes Mal hängt es mit dem Status zusammen, wenn Leute keine Papiere oder andere rechtliche Probleme haben. Aber oft ist diese Unfähigkeit, oder das mangelnde Bedürfnis an Protesten teilzunehmen finanzieller Natur. Selbst jene, die bereit wären, das Risiko einer Vorladung oder anderer rechtlicher Konquenzen einzugehen, würden aufgrund ihrer finanziellen Situation nicht an einer Aktion teilnehmen, welche definitiv zu einer Festnahme führt – die mit einer massiven Geldstrafe, Gerichts- oder Anwaltskosten, oder auch nur mit Verdienstausfall verbunden ist. Um es noch einmal zu wiederholen: Diese Gruppen wären durchaus bereit an Aktionen teilzunehmen, die zu Festnahmen führen können, und oftmals tun sie das auch, aber da die Konsequenzen für sie potentiell schwerwiegender sind, ist es weniger wahrscheinlich, dass sie dieses Risiko für Aktionen eingehen, die häufig rein symbolischer Natur sind. So bleibt festzustellen, dass bei den Massenfestnahmen am 19. März hauptsächlich jene Personen, oder zumindest die gleichen Kreise, beteiligt waren wie bei zahllosen anderen Aktionen der letzten Jahre.

Gruppendynamik

Die Entschiedenheit, sich auf nicht-hierarchische Weise zu organisieren ist zusammen mit dem Fokus auf Dezentralisierung die größte Stärke von DASW. Zur gleichen Zeit mussten wir durch unsere Erfahrungen in der Arbeit innerhalb dieser Struktur feststellen, dass es immer wieder einen Mangel an Kommunikation gab, der zu vermeidbaren Problemen führte.

Erstens gab es in der Koordinierung der Aktionen einen Zusammenbruch der Kommunikation zwischen Bezugsgruppen darüber, welche Ziele gewählt wurden und welche Aktionen dort stattfinden würden. Zumindest in unserer Bezugsgruppe führte dies zu einem zu langen Zögern, sich auf M19 vorzubereiten, genug herauszufinden, um nicht den Aktionen anderer Gruppen ins Gehege zu kommen, was unsere Einsatzmöglichkeiten an diesem Tag ernsthaft herabsetzte. Die Methode, auf die sich geeinigt worden war sah vor, dass sich die Bezugsgruppen vermittels eines “doppelt-blinden” Knotenpunktes über Ziele und Zeitpunkte verständigen. Sicherlich bedürfen einige Aktionen äußerster Geheimhaltung, und können manchmal gar nicht kommuniziert werden, aber selbst die freundlichsten und öffentlichsten Aktionen machten von diesem System nicht effektiv Gebrauch, oder wenn sie es taten, wurde die Information nicht effektiv verbreitet.

Auch der Schlangenmarsch war aufgrund schlechter Kommunikation von einer Menge Verwirrung umgeben. Noch wenige Nächte vor der Aktion schien es eine allgemeine Verwirrung darüber zu geben, wie viele Schlangenmärsche es letztlich geben würde, wer die anderen gerüchteweise existierenden Märsche koordinieren würde, wo diese hinführen würden, und sogar was ihre Ziele wären. Und das wiederum führte zumindest in unserer Bezugsgruppe dazu, dass wir über unsere Aktion erst in letzter Minute konkret entscheiden konnten. Diese Art Unsicherheit resultierte vom Mangel an Kommunikation, die nötig gewesen wäre, um erfolgreich zu sein – sich in einer dezentralen Organisierung wechselseitig mit den wichtigsten Informationen zu versorgen.

Der dezentrale Charakter von DASW ist Schlüssel ihrer Organisierungsstruktur ist, führte aber auch dazu, dass einzelne Individuen und Bezugsgruppen großen Mengen Arbeit übernehmne mussten, wodurch sie über unverhältnismäßig großen Einfluss verfügten. Dies führte zu einem Mangel an Transparenz, was wiederum zur Folge hatte, dass Individuen und Bezugsgruppen ihre eigenen Entscheidungen trafen, vorbei an notwendigen allgemeinen Diskussionen, die hätten stattfinden sollten, und so den Charakter der Aktionen des Tages prägten – allerdings sollten diese Gruppen nur dann zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie mehr oder weniger von DASW delegiert waren. Das hervorstechendste Beispiel war das Komm(unikations)-Team, das sich weigerte Informationen über den “text-loop” [ticker, sms?] zu verbreiten, dass ein Bürohaus mit Farbbomben beworfen worden war, weil sie diese Aktion nicht richtig fanden und nicht “zu dieser Art Verhalten ermutigen” wollten. Soweit wir wissen wurde das Recht Informationen auszuwählen, welche Informationen verbreitet werden würden und welche nicht niemals auf einem allgemeinen Treffen bestimmt. Es sollte aber auch gesagt werden, dass der Komm-Vorfall selbst einem Mangel an Kommunikation innerhalb DASW über Parameter und Verwendung geschuldet sein mag.

Eine weitere Angelegenheit, die wir in diesen Abschnitt ansprechen möchten ist das Fehlen einer Diskussion über einige zentrale Punkte, die für Teilnahme und Effektivität des ganzen grundlegend sind:

- Mit welchen Taktiken können wir am effektivsten unsere Ziele erreichen? – Sollte DASW Aktionen entlang der Maßgabe dulden oder verurteilen, ob sie an Gewaltfreiheit festhalten? – Was genau ist mit dem Begriff “gewaltfrei” gemeint? (Ist zum Beispiel Sachbeschädigung oder Umgestaltung gewaltfrei? Sind Materialblockaden gewaltfrei? Sollte es nötig werden, was ist mit Selbstverteidigung? Sollte dies akzeptiert werden?)

Statt dessen entwickelte DASW eine rigides Festhalten an einem vagen Konzept von Gewaltfreiheit, ohne tatsächlich durchzudenken, was dies hinsichtlich der Möglichkeiten bedeutet außerhalb der Gruppe teilzunehmen oder auch was den Erfolg im erreichen unserer Ziele betrifft.

Voran!

Der 19 März war ein wichtiger Tag für die Anti-Kriegs-Bewegung in San Francisco. Welche Kritik wir in unserem Text auch ausbreiten, so haben wir doch das Gefühl, dass der Tag in dem Sinn ein Erfolg war, als er einen Neubeginn des Widerstands gegen den Krieg in der Region bedeutet. Er hat gezeigt, dass es noch immer eine Menge Leute gibt, die mit Leidenschaft dabei sind. Wir wollen keine Kraft sein, die Aktionen im Nachhinein auseinandernimmt, sondern wollen teilnehmen am dringend nötigen (gefühlt abwesenden) kritischen Dialog über unsere Bewegung. Wenn wir es schaffen wollen eine radikale Bewegung aufzubauen, eine bedeutende gesellschaftliche Kraft, müssen wir bereit sein sowohl unsere Ideen als auch unsere Taktiken daran zu entwickeln, wie sich Situation und Kontext ändert. Wir haben das Gefühl, dass M19 in weiten Teilen die gleichen Fehler wiederholte, die wir bereits vor und seit der Invasion im Irak gemacht haben, und es ist an der Zeit, dass wir über neue Wege nachdenken, wie wir Schraubenschlüssel ins Getriebe des Krieges werfen können. Denken wir positiv aber kritisch über vergangene Organisierungen nach.

Auch wir denken darüber nach, wie wir uns fünf Jahre nach Kriegsbeginn die (Re)Konstruktion einer effektiven Strategie vorstellen können – eine Strategie, die als Katalysator des Widerstands nicht nur in den Köpfen von AktivistInnen funktioniert, sondern in jedem und jeder Person, die gegen den Krieg ist. Zunächst müssen wir feststelllen, dass wir nicht alle “Antworten” haben, und das wir vehement gegen alle stehen, die solches behaupten – wir denken, dass der Weg nach vorne irgendwo im Raum zwischen all den verschiedenen Positionen existiert, die vorgeschlagen werden mögen. Wir hoffen, dass unser Artikel als Blitzlicht dienen kann, das weitere Diskussionen darüber anregt, wie wir am besten weitermachen, und noch wichtiger, welche Strategien wir einsetzen können, um die Kapizität zum Führen von Kriegen von Anfang an zu demontieren. Nach dieser Vorrede möchten wir euch die folgenden Schlussfolgerungen unterbreiten, die als Ausgangspunkte aus der Untersuchung einer Strategie in Zukunft nützlich sein könnten.

Es sollte anerkannt werden, dass die dezentralisierte Struktur von DASW eine ihrer größten Stärken ist, was ihr erlaubt offen für die Teilnahme aller Arten von Widerständigen zu sein. Unglücklicherweise haben wir das Gefühl, dass der deutliche Mangel an effektiver Kommunikation und Koordination zwischen verschiedenen Arbeitsgruppen und Bezugsgruppen eingehend untersucht werden muss, wenn wir an künftige Aktionen denken. Wir müssen Strukturen entwickeln, die sowohl Gruppendiskussionen als auch taktische Absprachen ermöglichen. Dies vor allem müssen wir im Kopf haben, wenn wir Treffen leiten. Das Bezugsgruppenkonzept war erfolgreich, auch wenn das Fehlen einer großen Massenaktion , die dazu beigetragen hätte, die Profiteure lahmzulegen ein Problem war, und vielen ein Gefühl der Ohnmacht vermittelt hat. Unsere horizontalen und dezentralisierten Netzwerke haben sich rund um die Welt als von unschätzbaren Wert erwiesen, und wir denken, dass wir diese Strukturen und Strategien kontinuierlich weiterentwickeln müssen, wenn wir erfolgreich voranschreiten wollen.

Wir sehen M19 als einen Aktionstag, der sich fast ausschließlich auf die Taktik der Massenfestnahme als Form des Zivilen Ungehorsams beschränkte, oft unterstützt vom Empfinden, dass andere Aktionsformen Polizeigewalt provozieren würden. Während DASW die Mittel für Aktionen des Zivilen Ungehorsams zur Verfügung stellte, entwickelte sich de facto ein Verbot aller Taktiken jenseits des Bereichs von Massenfestnahmen, das sehr schnell militantere Teile der Bewegung ausschloss. Diese inoffizielle Verdammung führte nahezu zu einem Monopol des Gebrauchs von Festnahmen als Strategie der Störung. Dies beschränkte die Möglichkeitenunser Ziel zu erreichen und wurde doch glaich beantwortet – trotz Anwendung komplett gewaltfreier Taktiken wurde die Demonstration von der Polizei angegriffen. Dies zeigt, dass wir für Polizeigewalt nicht einfach “Provokateure” oder den militanten Widerstand verantwortlich machen können, als ob dieser die Repression irgendwie verdient hätte, weil er ihn provoziert – der Staat wird stets die Kapazität und den Wunsch haben, Gewlt gegen jene auszuüben, die sich gegen ihn wenden. Wir müssen zusammenarbeiten und Strategien entwickeln, mit denen wir diese Repression nicht nur überleben, sondern uns dagegen verteigen können.

Wir haben das Gefühl, dass der vielleicht größte Fehler während dieses fünften Jahrestages das Fehlen von Akzeptanz für eine vollständige und offene Vielfalt an Taktiken war. Teile unserer Bewegung aufgrund interner Widersprüche aktiv auszuschließen heißt den Job des Staates zu übernehmen. Wir müssen anerkennen, dass jede Aktion gegen den Krieg ein weiterer Schlag dagegen ist. Wir müssen allen Formen des Widerstands Raum und Möglichkeiten bieten. Vom Gehweg oder auf der Strasse, von Die-Ins zu Materialblockaden, vom Protestspaziergang zum Black Bloc. Wir sollten uns mehr anstrengen, Platz für all diese unterschiedlichen Taktiken zu schaffen, nicht gegeneinander zu handeln, sondern sich auf der Strasse so gut es geht gegenseitig zu unterstützen.

Wir glauben, dass die Strategie an M19 weitgehend in einer Widerholung von Taktiken bestand, die immer wider gezeigt haben, dass sie das gewünschte Ziel auch nur irgendeines der gewählten Ziele effektiv lahmzulegen nicht erreichen. Die 2003 eingesetzten Taktiken, insbesondere Lock-Ons, abbiegende Demos usw. wurden vom San Francisco Police Department weitgehend neutralisiert und haben die einstige Schlagkraft eingebüßt. Wenn wir uns bestimmte Ziele für eine Aktion setzen, sollten wir in unserer Organisierung offen an die Frage herangehen, welche Taktiken im speziellen Kontext Erfolg versprechen. Das Beharren auf Ankett-Aktionen und andere Formen von Massenverhaftungen steht der Möglichkeit im Wege, effektivere Taktiken zu entwickeln. Manchmal mag dies nach wie vor die beste Methode sein, unser Ziel zu erreichen, zu anderen Zeiten möchten wir vielleicht was anderes machen.

Wir hoffen, dass wir mit dem, was wir mit dem, was wir hier geschrieben haben einen positiven Einfluß auf DASW nehmen können, dass unsere Gedanken eine Diskussion in der Organisation, wie in der Anti-Kriegs-Bewegung als solche anzustoßen vermag. Es gibt nichts was wir lieber sehen möchten, als dass DASW ein stärkeres Cluster von Individuen und Personen, mit verschiedenen Hintergründen und vielen unterschiedlichen Strängen politischen Denkens. Dass es ein Raum wird, wo diejenigen, die entschlossen sind, den fortgesetzten US Militarismus zu beenden in einer effektiven Kampagne Direkter Aktion zusammenkommen können – eine Kampagne, die unsere Regierung dazu zwingt es sich zweimal zu überlegen, bevor sie militärische Aktionen unternimmt. Um das zu erreichen brauchen wir einen offenen Dialog im organisatorischen Raum über Themen und Strategien. Deshalb ermutigen wir alle, die diesen Text lesen, zu diskutieren und ihre eigenen Gedanken beizusteuern in der Hoffnung unsere Bewegung voranzubringen.

[friendlyfirecollective.info]