2008-07-20 

Genova 2008: City of riots

Heute fand in Genua die jährliche Gedenkdemonstration für die Ermordung von Carlo Giuliani statt. Die Demonstration war dieses Jahr eingebettet in zahlreiche Veranstaltungen rund um die Urteile im „Bolzaneto-Verfahren“. Letzte Woche wurden Urteile gegen 15 Cops wegen der Mißhandlungen in der Polizeikaserne Bolzaneto verhängt. 30 wurden mangels Beweisen freigesprochen.

An der Demo beteiligten sich schätzungsweise gut 500 Menschen aus unterschiedlichen Spektren. Zuvor hatte es eine Aktion vor dem Rathaus in der Via Garibaldi gegeben, um auf die Verfahren gegen 25 AktivistInnen aufmerksam zu machen die letzten November zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden. Die genueser Bürgermeisterin hat eine Einladung kurzerhand rückgängig gemacht.

Pic: Genoa 080720

Vor dem Rathaus Genua

Die Bürgermeisterin, Marta Vincenzi, hatte auf Initiative des Comitato Veritá e Giustizia alle Betroffene der Verfahren wegen der Polizeikaserne Bolzaneto sowie der Razzia in der Diaz-Schule zu einem „Versöhnungstreffen“ eingeladen. In der Zeitung “Repubblica” erläuterte sie, die Eingeladenen wären willkommen weil sie Opfer seien. Mit dieser Zuschreibung allerdings waren die „Opfer“ nicht einverstanden und haben eine Erklärung verfaßt, in der sie die Verantwortlichen für die Polizeigewalt durchaus auch in der Politik ausmachen. Mit einer symbolischen Aktion sollte zudem auf die hohen Urteile gegen die 25 italienischen AktivistInnen aufmerksam gemacht werden. Die meisten der Eingeladenen erschienen mit T-Shirts, auf denen die Zahl „25“ prangte. Daraufhin hatte die Bürgermeisterin die Lust an einem Treffen verloren und verweigerte den Eintritt ins Rathaus, was zu einem kurzen Gerangel führte.

Die Aktion endete mit einer einstündigen Kundgebung vorm Rathaus und einer Diskussion mit dem Vize-Bürgermeister, der nicht verstehen wollte wieso die „Opfer“ den ihnen zugewiesenen Platz nicht annehmen wollten. Genua bewirbt die Stadt seit einer Weile mit „Genoa – City of Rights“. Darauf angesprochen, dass jene Rechte schon beim Tragen eines T-Shirts als Meinungsäußerung zum Ausschluß führen hatte er nicht mehr viel zu sagen.

Die Urteilsverkündung zu Bolzaneto sollte am am 22. Juli stattfinden. Wegen Berlusconis neuem Gesetzespaket, das diese Woche vom Staatspräsident unterzeichnet werden soll und die Urteilsverkündung womöglich wegen einer Teil-Amnestie annulliert hätte, haben die AnwältInnen das Verfahren beschleunigt und auf ihr Schlußplädoyer verzichtet. Trotzdem sind viele AktivistInnen und NebenklägerInnen aus europäischen Ländern angereist, darunter aus Schweden, Frankreich, Spanien, Großbritannien und Deutschland.

Die Gedenkdemonstration für Carlo war kleiner als in den vorangegangenen Jahren, als Gruppen aus anderen italienischen Städten mit Bussen anreisten. Der Stimmung tat das keinen Abbruch. Auf der Piazza Alimonda wurden etliche Redebeiträge gehalten und auch auf die Kampagne gegen die Ankündigung Berlusconis, Roma-Kindern auf der Straße Fingerabdrücke abzunehmen, aufmerksam gemacht. Am Ende wurde von Valérie Vie der offene Brief der NebenklägerInnen an die Bürgermeisterin verlesen. Valérie Vie aus Frankreich war 2001 die einzige Aktivistin der es gelang, den Zaun zur „Roten Zone“ zu überklettern. Dafür wurde sie bereits 2004 zu einer fünfmonatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Sie legte Berufung ein, worauf das Urteil im Mai diesen Jahres bestätigt wurde, nun ohne Bewährung. Auch hiergegen prozessiert sie weiter in der letzten Instanz, dem italienischen Kassationsgericht.

Der offene Brief endet mit der Formulierung: „Für uns kann Genua keine „Stadt der Rechte“ sein, wenn der Wert von Schaufensterscheiben und Autos höher angesetzt wird als jener von Menschenleben“.

Bis Dienstag finden weitere Veranstaltungen und Treffen statt, darunter eine Ausstellung im Palazzo Ducale, Videoscreenings und eine Konferenz zur Entwicklung der Repression gegen Protestbewegungen in Europa seit dem G8 2001.

Hier der Text des Offenen Briefes an die Bürgermeisterin; Übersetzung und weitere Berichte folgen in Kürze:

Lettera alla sindaco di Genova: siamo tutti testimoni della violenza e non vittime

Siamo qui perché la Sindaco e il Comune ci hanno offerto un’opportunità per raccontare la nostra storia.

Nel luglio duemilauno eravamo tra le trecentomila persone venute a Genova per protestare contro il vertice G8 con ogni possibile mezzo. Siamo stat* in strada giovedì diciannove, venerdì venti e sabato ventuno per opporre resistenza alla globalizzazione neoliberale e al dominio del profitto sulle nostre vite.

Gran parte di noi si è confrontata direttamente con la brutalità delle Forze dell’ordine. Tutti coloro che erano a Genova in quei giorni sono stati l’oggetto privilegiato delle attenzioni di Polizia e Carabinieri. Siamo stati arrestat* e picchiat* per strada; siamo stat* accusat* di tentato omicidio, detenzione di armi (tra cui armi da guerra), associazione a delinquere. Siamo stat* espuls* dal paese e a lungo siamo stat* definit* pericolos* agitatori. L’azione repressiva delle Forze di polizia si è rivolta a tutto il movimento, non solo verso alcun* di noi. Oggi veniamo ricevuti come delle vittime, ma allo stesso tempo siamo trattati da terroristi come è accaduto ad esempio con la condanna lo scorso dicembre a 25 di noi.

Come i 25, siamo tutti testimoni della violenza e non vittime. Siamo venuti qui per ricordarvi che siamo semplicemente persone impegnate politicamente contro un sistema che quotidianamente devasta e saccheggia le nostre vite.

Lei ci chiede di riconciliarci con questa città e di voltare pagina, noi dal luglio 2001 non abbiamo mai voluto voltare pagina.

In questi 7 anni ci siamo incontrati, sostenuti, tenuti in contatto, informati, voluti bene, rivisti all’estero e a Genova. Niente della nostra storia comune merita di essere una pagina voltata. Lei, Signora Sindaco, ha forse qualche pagina che vorrebbe voltare, ma noi pensiamo che il nostro avvenire si costruisca onorando e assumendo il nostro passato comune, e non falsificandolo e occultandolo.

Dalle istituzioni non vogliamo scuse, vogliamo risposte politiche. Finora non ne abbiamo ricevute. L’intero sistema politico italiano ha una grande responsabilità per quanto è avvenuto in quei giorni e ha il dovere di trarne conclusioni politiche.

Per noi Genova non può essere una città dei diritti finché i responsabili delle violenze e delle torture del G8 continueranno ad occupare posizioni di comando ed ad essere promossi.

Per noi Genova non può essere una città dei diritti, fino a quando il valore delle vetrine e delle auto sarà superiore al valore delle vite umane.

Pic: Genoa 080720
Vor dem Rathaus Genua /
Pic: Genoa 080720
Vor dem Rathaus Genua /
Pic: Genoa 080720
Piazza Alimonda /
Pic: Marta Vincenzi and G8
Marta Vincenzi, damals... /
Schablone
Sprühschablone /