2008-06-26 

Urban Ops - Italien setzt Keimling an

Stark vereinfacht und in Anlehnung an der Wikipedia-Definition für “Gendarmerien”, stellen die Carabinieri eine bestimmte Form von Militärpolizei dar, die GEGENÜBER ZIVILISTEN POLIZEIBEFUGNISSE HAT. Gerade die Sache mit den Befugnissen gegenüber Zivilisten sorgt dafür, dass sie zahlenmäßig die stärkste unter den 4 Teilstreitkräften Italiens ausmachen.

Etwa 110.000 Carabinieri stehen 190.000 Männern und Frauen der anderen Teilstreitkräfte Heer, Marine, Luftwaffe und 40.000 zivilen Mitarbeitern gegnüber – Das ergibt sich aus einem ganz besonderen Kernauftrag: der Territorialkontrolle. Carabinieri agieren quasi im Sinne der Verteidigung der staatlichen Stabilität im Inneren durch Aktivitäten, die dem Schutz und der Aufrechterhaltung von Sicherheit, Ruhe und Ordnung dienen.

Bild: Genua

Siehe hierzu:

Basics italienisches Polizeisystem: http://www.mein-italien.info/wissenswertes/polizeisystem.htm

Basics zu den Carabinieri: http://www.provinz.bz.it/ABI/wrkf_work_d.aspx?BERF_ID=185&BERF_NAME=Carabiniere

Den Rang einer Teilstreitkraft erhielten die Carabinieri erst vor wenigen Jahren, was viel mit bestimmten Legitimationsnotwendigkeiten in Verbindung mit militärischen Auslandsmissionen zu tun hat, bei denen sie ja ebenfalls mit Schwerpunkt Territorialkontrolle unter starkem Bezug auf den “zivilen” Raum agieren.

Das ist EIN Ansatz unter denen, die bestimmte Entwicklungen unserer Zeit kennzeichnen. Die Carabinieri liefern u.a. militärisch organisierte POLIZEILICHE Kontrolle im zivilen Raum. Sie verfolgen, vollstrecken, bewachen, überwachen etc. Das tun sie, wie andere auch, u.a. im auch Rahmen von so genannten “peacekeeping” Einsätzen. Was es auf sich hat, ist u.a. hier gut nachzulesen:

Rüsten für den globalen Bürgerkrieg
http://www.imi-online.de/download/IMI-Studie-2007-08.pdf

Der Einsatz von Soldaten in “Mischpatrouillen”, wie er in Italien jetzt vorgesehen ist, kann als ein erster Vorstoß in die andere Richtung gewertet werden. Aber Vorsicht: besagter Vorstoß ist zunächst noch weit entfernt von dem, was planmäßig am Ende des Weges eine ganz wesentliche Komponente darstellen dürfte, wenn es nach dem harten Kern der Kriegstreiber gehen soll: die “asymmetrische” Kriegsführung samt FEINDBEKÄMPFUNG im “ZIVILEN” Raum, Stichwort: “urban warfare”.

Die aktuelle Entwicklung in Italien ist etwas, das sich noch stark in der propagandistischen Phase befindet, die Rechtfertigung für erste Einsätze – die ganz sicher auch Trainings- und Testfunktion haben – und allererste Rechtsgrundlagen schaffen will. Die Träger der entsprechenden Zukunftsvisionen stecken immer noch tief in der Konzeptentwicklungsarbeit.

Gerade rechtzeitig und ganz passend endeckte Italien in jüngerer Zeit ihre doch schon so lange existierenden Favelas und Müllberge. Krisen, Unruhen, Not- und Ausnahmezustände sind die – unlauter und hetzerisch – propagierten Reizworte, mit denen die dortige Bevölkerung psychologisch zur Akzeptanz von (wenn auch vorerst noch eingeschränkter) militärischer Aktivität im öffentlichen, vorwiegend urbanen Raum vorbereitet werden soll und die Schlagworte für eine noch im Grundaufbau befindliche “rechtliche” Rechtfertigung des Ganzen.

Hier wird nicht “polizeiliche Sicherung der zivilen Ordnung” in mehr oder weniger “herkömmliche” Kriegsgebiete getragen, sondern militärische Präsenz (und damit potenzielle militärische Gewalt) in die Städte als Orte verschärfter bis katastrphenträchtiger sozialer, politischer, ethnischer Unruhe. Das ist der QUANTENSPRUNG: Das Militär als Instrument zur Aufrechterhaltung einer “öffentlichen Ordnung”.

Vorerst dürfen italienische Soldaten im öffentlichen, “zivilen” Raum z. B. Kontrollen durchführen und gegebenenfalls sogar Menschen festnehmen, wenn auch bloß “provisorisch”, weil – noch – nur Carabinieri, Polizia usw. durch ihre “rechtsstaatlich” begründeten Polizeibefugnisse die nötigen Verfolgungsmandate besitzen. Noch ist es nicht so weit, dass Soldaten Menschen bei ihren urbanen “pecekeeping” Aktivitäten im zivilen inneren Raum “gefangen” nehmen oder gar töten. Kracht es aber irgendwann zu sehr, könnte diese “Option” mittelfristig durchaus bedrohlich in den Bereich des Möglichen rücken, auch wenn es im Fall Italien erst einmal bei einem noch deutlich davon entfernten ersten, propagandistisch gefärbten, aber gleichwohl schrecklichen Vorstoß in eine schrecklich gefährliche Richtung bleibt.

Mal sehen, wann und wo das Militär erstmals repressiv zuschlägt. Val di Susa? Neapel? Vicenza? G8?

Die Nato arbeitet jedenfalls emsig daran, Militäreinsätze in städtischen Räumen weltweit salonfähig zu machen. Sie geht offenbar davon aus, dass bereits 2020 im Kontext einer dramatischen Weltkrise die Städte die eigentlichen Kriegsschauplätze der Zukunft sein werden. Entsprechend rüstet sie sich, das legen Dokumente nahe, wie der “RTO TECHNICAL REPORT 71 – Urban Operations in the Year 2020” aus dem Jahr 2002 und: “The Need for Interoperability for Urban Training in the Live Environment – The Work of the Urban Combat Advanced Training Technology (UCATT) Group in NATO” von 2006.

Mehrere Länder haben sich bei der Konstruktion der strukturellen und rechtlichen Voraussetzungen verpflichtet, Italien gehört dazu.