2008-06-21 

GENUA 2001: Schlussstrich für Diaz und Bolzaneto

Tartarini, Anwältin der Nebenklage: „Vorladungen und Versetzungen werden die Urteile sprengen“ „Für Diaz und Bolzaneto steht der Schlussstrich bevor“

Von Sara Menafra

Das „Gesetz zur Rettung des Ministerpräsidenten“ birgt die Gefahr, dass auch die G8-Verfahren blockiert werden. Das Komitee „Wahrheit und Gerechtigkeit für Genua“, die italienische Abteilung von Amnesty International und die Anwälte, die in diesen Jahren die Geschädigten in den Verfahren wegen Bolzaneto und der Nacht in der Diaz-Schule vertreten haben rufen es laut. Sieht man von der Fälschung im Amt und der Falschbeschuldigung ab, verjähren in den Verfahren erhobene Tatvorwürfe wie Körperverletzung, Nötigung, Amtsmissbrauch i, Januar 2009. In einem Wettlauf gegen die Zeit, hofften sie auf ein erstinstanzliches Urteil, das diesem Datum zuvorkommen würde: Im Juli für Bolzaneto und noch im Herbst für die Diaz-Schule. Jetzt nicht mehr. Wir befinden uns am Rande des Abgrunds der Tabula Rasa, erklärt die Anwältin Laura Tartarini.

Bild: GE2001

Warum diese Regelung, die ein Zustandekommen der Urteile gefährdet? Ist es nicht einfach so, dass lediglich Gefahr besteht, ein weiteres Jahr warten zu müssen, da auch die Verjährung für die betreffende Zeit ausgesetzt ist?

Die Fristen sind schon jetzt extrem knapp. Als Allererstes gilt, dass das Risiko hoch ist, dass die sechs Monate, die bis zur Verjährung fehlen, von der Zustellung der Vorladungen „geschluckt“ werden. Ist das Aussetzungsjahr einmal abgelaufen, wird das Gericht sämtliche Angeklagten und alle Geschädigten neu vorladen müssen. Weil die Zahl der Opfer sehr hoch ist, und viele von ihnen aus anderen Ländern, wird es sehr lange dauern.

Um wie viele ausländische Opfer geht es?

Von den rund dreihundert Nebenklägern im Bolzaneto-Verfahren ist die Hälfte aus dem Ausland. Von den Hundertfünfzig aus der Diaz-Schule sind es achtzig Prozent.

Aber war das Bolzaneto Verfahren nicht schon abgeschlossen?

Wir sind an der Grenze. Das Urteil wird Ende Juli erwartet, und genau in jenen Tagen könnte das neue Gesetz in Kraft treten.

Wenn aber die Verjährung so kurz bevorsteht, wären die Verfahren doch ohnehin zum Stillstand gekommen.

Schon, wobei ein erstinstanzliches Urteil einen durch den Staat abzuleistenden materiellen und moralischen Schadensersatz ermöglicht hätte.

Nehmen wir an, das Gericht nutzt das Aussetzungsjahr, um sämtliche Vorladungen zuzustellen, damit es im Juli 2009 ohne Verzug weiter gehen kann.

In einem Jahr kann viel passieren. In Genua kommt es durchaus vor, dass sich die Zusammensetzung des Richterkollegiums ändert. Sollte ein Richter 2009 versetzt werden, müsste das gesamte Verfahren von Grund auf neu aufgerollt werden.

Eine grundsätzliche Einschätzung all dessen?

Ich sage nur, dass wir in diesen Verfahrensjahren schon so sehr viel durch gemacht haben. Von den Falschaussagen bis hin zur unterbliebenen Mitwirkung der Angeklagten und Zeugen. Wir dachten, wir wären durch, und nun bleibt der durch diese Regelung nichts als der Beigeschmack des Hohns. Eine Gesellschaft, in der jene, die sich den eigenen Vergehen mit einem zusätzlichem Maß an Verantwortung stellen müssten, weil sie den Staat repräsentieren, wie es bei den Sicherheitskräften der Fall ist, nie büßen müssen, ist eine hässliche Gesellschaft. Und auf der Anklagebank bleiben lediglich die einfachen Bürger.

Il Manifesto, 18.06.2008