2002-01-23 

SCHWEDISCHE ZEITUNGSARTIKEL ZU DEN VERFAHREN UND VERURTEILUNGEN GEGEN DAS INFOTELEFON GÖTEBORG

Göteborgs-Posten 2002-01-16
JUGENDLICHE ANGEKLAGT, WEIL SIE EINEN STEINESCHMEISSER BEFREIT HABEN SOLLEN
Artikel über ein 18- bzw. 19-jähriges Pärchen, das wegen "gewaltsame Versammlung" und Beihilfe zur Flucht angeklagt ist; außerdem ist die 19-Jährige wegen Diebstahl angeklagt. Der Staatsanwalt hält es für erwiesen, dass die Frau bei dem Anzünden von Möbeln vor einem Restaurant beteiligt war und dass sie ein Fußballtrikot geklaut haben soll. Ansonsten behandelt der Artikel sehr ausführlich die Schilderungen eines 57-jährigen Belastungszeugen. Dieser war zufällig auf der Kungsportavenyn, als dort die Krawalle ausbrachen. Als er einen Jugendlichen am Einschmeißen einer Scheibe hinderte, wurde er von zwei Demonstranten überwältigt und der verhinderte Gewalttäter konnte fliehen. Die zwei sollen die beiden Angeklagten gewesen sein. Die Angeklagten haben zugegeben, dass sie zum fraglichen Zeitraum (Freitag, der 15 Juni) sich auf der Avenyn befanden.
[noch mehr infos gibt's unter http://www.klassekampen.no/cgi-bin/nyheter.pl/2002/01/1402.html, http://www.klassekampen.no/cgi-bin/nyheter.pl/2002/01/1402.html, http://www.de.indymedia.org/2002/01/13789.html]

(aus "Dagens Nyheter", 16.01.2002; schwedenweite Tageszeitung)
INFOTELEFON ENTDRAMATISIERT.
GÖTEBORG. Die Linke hört Polizeifunk während Demonstrationen ab. Die Informationszentrale, die während des EU-Gipfeltreffen eingerichtet wurde, hatte keine dunklen Absichten, sagten mehrere neue Zeugen am Mittwoch aus. [...] Anders Svensson, Vertreter der Sozialistischen Partei, der aber auch eine wichtige Rolle in der Dachorganisation "Göteborgsaktion 2001" während des EU-Gipfels spielte, stufte die Bedeutung der Informationszentrale herab als er am heutigen Mittwochvormittag vor Gericht als Zeuge aussagte: "Ich bin 25 Jahre lang Demonstrationsverantwortlicher in meiner Partei gewesen. Es ist gewöhnlich, dass wir den Polizeifunk abhören und wir haben Späher draußen auf dem Feld, die die Demonstrationsleitung über eventuelle Gefahren informieren können." Provokatöre in den eigenen Reihen, Angriffe von Außen von beispielweise Nazis und ungerechtfertigte Gewalt von Seiten der Polizei - das machen Bedrohungen aus, die die Demonstrationsleitung mit Hilfe einer gut funktionierenden Informationszentrale entgegentreten kann. Anders Svensson fand nichts Ungewöhnliches daran, dass eine solche Tätigkeit in Rahmen der großen Demonstrationen in Göteborg stattfand. "Nach meiner Auffassung war es die Antifaschistische Aktion (AFA), die die Zentrale unterhielt. Das ging aus einem Vorbereitungstreffen der Göteborgsaktion hervor. Aber ich habe nie Berichte über den Verlauf der Arbeit erhalten," erklärte er. Svensson hätte selbst Initiative zu einer solche Organisationsstruktur ergriffen, wenn es nicht durch die AFA geregelt worden wäre. Nun wurde aber die Informationszentrale bereits in der Nacht vom Donnerstag, den 14., auf Freitag, den 15 Juni, zerschlagen. "Hätten wir auch in den folgenden Tagen eine funktionierende Informationszentrale gehabt, hätten die Polizeischüsse am Wasaplatz vermieden werden können", vermutet Anders Svensson, der ironischer Weise Programmierer für Anwendungen zum Versand von SMS-Nachrichten ist. Auch Annika Tigerryd, Gewerkschafterin und wie Andres Svensson Hauptfigur in der Göteborgsaktion 2001, sagte zu Gunsten der acht Jugendlichen aus.
Hans Abrahamsson, wortführend bei Attac Göteborg und Hauptverantwortlicher für den Dialog zwischen der EU-Spitze und EU-kritischer Organisationen während des Gipfeltreffens, versuchte bei seiner Aussage dem Gericht ein Bild über die Stimmung, die in Göteborg herrschte, wiederzugeben:
"Es gibt einen enormen Vertrauensmangel bei jungen Menschen den gesellschaftlichen Institutionen gegenüber. Ich bin unter anderem auf eine bedeutende Angst unter jungen Menschen vor Misshandlungen durch die Polizei, wie bei dem EU-Finanzministertreffen in Malmö im Frühling 2001, gestoßen."

Göteborgs-Posten 2002-01-16 (Zusammenfassung)
ZUSAMMENHANGSZENTRALE WAR NICHT GEHEIM
Inhaltlich vergleichbar mit dem "Dagens Nyheter"-Artikel aus der letzten Mail: Aussage Anders Svensson (Sozialistische Partei), der Infozentralen als normal und notwendig beschreibt und zugibt, dass seine eigene Partei ebenso eine solche unterhielt. Nach Wegfall der Infozentrale übernahm die SAC das Abhören des Polizeifunks. Auf die Frage des Staatsanwaltes nach der Auffassung der AFA von Gewalt antwortet er: "Dieselbe wie die Volkspartei [Folkspartiet]. Mit richtigen Ziel kann man Gewalt anwenden. Das ist eine normale Ansicht in der schwedischen Gesellschaft, soweit ich weiß." Seine Ansicht nach unterscheide sich die Gewalttätigkeit der AFA in Göteborg nicht zu der von anderen linken Organisationen. Der Artikel endet mit: Werden die Jugendlichen auch durch das Oberlandesgericht verurteilt werden, so wird die Polizei wohl schnell gegen andere Teile der AFA-Infozentrale zuschlagen - Kontakte, Späher und andere, die auf verschiedenen Ebenen in die Tätigkeiten einbezogen waren.

LETZTER PROZESSTAG (17.01.2002)
Aus zwei Artikeln aus "Göteborgs-Posten" und "Dagens Nyheter" vom 17.01.2002 über den letzten Prozesstag geht hervor, dass die Staatsanwaltschaft weiterhin auf eine Verurteilung besteht. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Verurteilung wegen Anstiftung zur gewalttätigen Versammlung, wofür die Höchststrafe 10 Jahren Gefängnis vorsieht. Wunsch der Staatsanwaltschaft ist aber, dass die Urteile aus dem Geschworenenverfahren bestätig werden. In der gesamten Verhandlung konnte nicht ermittelt werden, wer was gemacht hat. Laut Staatsanwalt sei das nicht notwendig, da "es offensichtlich ist, dass es im Einverständnis und nach genauer Planung geschehen ist." "Die Zentrale beschäftigte sich in keinster Weise mit gewöhnlichen Informationen. Es gab keinen Anlass eine solche gut durchdachte Organisation, wenn die Absicht nicht das Schüren von Konfrontationen mit der Polizei gewesen wäre." Dass Aussagen, die der Polizei gegenüber gemacht wurden, später teilweise zurückgezogen wurden, wertete der Staatsanwalt als Beweis für die Unglaubwürdigkeit der Angeklagten. Die Verteidigung forderte Freispruch. Die Verteidigung legte als entlastendes Material Ausdrucke von der Internetseiten der Göteborgs-Posten für den betreffenden Tag vor. "Die Informationen, die von der Zentrale verschickt wurden waren allgemein zugänglich und hätten genauso gut von Webseite von Tageszeitungen geholten werden können."

Übersetzt aus "Göteborg-Posten" vom 18.01.02
UNEINIGKEIT BEI GERICHT ÜBER ABSICHT DER INFOZENTRALE
Anklage und Verteidigung war sich in einem Punkt einig als gestern [17.01.02] der Prozess gegen die heimliche Infozentrale der Antifaschistischen Aktion (AFA) sein Ende fand: Viele von denen, die die Tätigkeiten geplant und ausgeführt hatten, waren nicht vor Ort.
"Es gibt eine Anzahl Personen im Hintergrund und wir wissen nicht, welche Rolle diese gespielt haben", sagte einer der Verteidiger. Unter den Hintergrundfiguren, die der Verteidiger erwähnte - und deren Rollen in der Infozentrale bisher nicht geklärt sind - war ein 46-jähriger Syndikalist, der die Wohnung in der Skäpplandsstraße [in der sich die Infozentrale befand] gemietet hat und an den Vorbereitungstreffen teilgenommen hat, eine Frau, die eine Wohnung in der Götaholmsstraße, in der sich ein weiterer Teil der Organisation befunden haben könnte, gemietet hat, zwei AFA-Aktivisten, die an der 'Göteborgsaktion 2001' beteiligt waren und weitere Personen, die ergriffen wurden, als die Polizei gegen die Infozentrale vorging, aber bisher nicht angeklagt sind. "Die Ermittlungen laufen in dieser Richtung weiter", sagte der Staatsanwalt Peter Larsson.
Die Anklage und Verteidigung waren sich auch einig, dass die acht Jugendlichen, die bereits von einem Geschworenengericht zu Haftstrafen zwischen drei und vier Jahren verurteilt wurden, sich mit Zusammentragen von Informationen aus Massenmedien, von Spähern und aus dem Polizeifunk beschäftigt haben und die Informationen weitergeleitet haben.
"Nicht ganz unähnlich der Tätigkeit, mit der sich die 'Göteborg-Posten' beschäftigte", behauptete die Verteidigung und legte Ausdrucke von der Webseite der Göteborg-Posten vor um zu belegen, dass die Infozentrale ungefähr genauso schnell über das Geschehen berichtete wie die Zeitung.
Ansonsten waren sie sich über das meiste uneinig und vor allem über:
- Die Anklage behauptete, dass der Zweck der Betätigung war, Konfrontationen mit der Polizei zu schaffen, zu schüren und zu unterstützen. Die Verteidigung behauptete, dass der Zweck in der Vermeidung von Ärger war.
- Die Anklage sah es als nicht notwendig an, exakt angeben zu können, was jeder einzelne in der Wohnung getan hat, da weil sie im Einverständnis agiert haben, alle gewusst haben müssen, was in der Wohnung passierte und eine gemeinsame Verantwortung trugen. Ein jeder der Verteidiger behauptete, dass sein Klient nicht wusste, was die anderen taten oder wer die Nachrichten, mit denen zum Aufruhr aufgerufen worden sollen, verschickt hat.
- Die Anklage behauptete, dass die Zentrale mit Rat und Tat die gewalttätigen Versammlungen bei dem Hvitfeldska-Gymnasium und im Wasapark am 14 Juni angestiftet oder zumindest gefordert hat. Die Verteidigung behauptete, dass die Anklage keinen Ursachenzusammenhang zwischen der Betätigung der Infozentrale und den Ausschreitungen habe aufzeigen können. Während die Anklage von einer sophistizierenden Verbindungszentrale, von gründlicher Planung und Organisation, von systematischer Kartographierung von Bewegungen und Absperrungen der Polizei und von Heimlichtuerei um nicht entlarvt zu werden, redete, so sprechen die Verteidiger von Gespensterseherei, von Fehlinterpretationen und davon, dass gewisse Personen innerhalb der Linken nun mal übertrieben konspirativ veranlagt sind und "eine unglückliche Neigung zur Heimlichtuerei haben", von "übertrieben ambitionierte Papierverwalter" und von dem "totalen Unvermögen für die Art und Weise der Jugendlichen zu diskutieren, zugänglich zu sein".
Welcher Darstellung der Wirklichkeit das Oberlandesgericht folgen wird, wird sich am 8. Februar herausstellen, da dann das Urteil gefällt wird. Die Anklage möchte keine Änderung der Strafen, die von dem Geschworenengericht gefällt wurden, während die Verteidigung Freispruch fordert.

INFOTELEFON GÖTEBORG: 3 BIS 4 JAHRE HAFT
Eltern von etwa 40 Protestierenden die an den Protesten in Göteborg teilgenommen haben werden sich am Dienstag selbst stellen. Sie protestieren damit gegen die Urteile im Prozess gegen das sogenannte "Infotelefon Göteborg".
Parents protest against riot sentences
Parents to around 40 of the demonstrators participating during the protests in Gothenburg will this tuesday turn themselves in. They do it in a protest against the sentences in trial of the so-called "information agency".
The youths in the trial were sentenced to between three and four years of imprisonment for dealing with collecting information from mass media, own observers and the police radio along with forwarding the information via cell phone calls and SMS. Last week the case was brought up in the court of appeal.
- The sentences are terribly severe. We felt that we had to protest in some way, says Margreth Heirås, parent and initiator of today's action. The protests concern partly the length of the imposed sentences and partly that the young people were sentenced as a group and that no case was brought up by itself.
Like many other parents Margreth Heirås was in the streets during the EU summit and followed what happened. In connection with Hvidtfeldtska school being surrounded, she rang around to folks encouraging them to walk up to the school to observe what was happening. Margreth considers she made exactly the same thing as the young people in the information agency.
- Are they criminals then I am too, she says and continues:
- Information centrals have always existed at demonstrations. In my days we had those too. Back then we didn't have cell phones but we called each other via phone lists.
The police reports will be made at the police office at 16.00 Tuesday afternoon. The parents participating in the action are part of the network "Parents 2001" that was formed after the EU summit to support and help the young people that were participating in the demonstrations and got in trouble.
- We are around forty people participating. There are both parents and a few young people, says Heirås.
(Petra Kanvall, GP, translated by Anton Andreasson)
Also of note: A petitition against the sentences have been signed by around 1600 people.
[Auf indymedia gepostet; 23.1.2002. Mehr Infos: Aufruf für Gerechtigkeit nach Göteborg: http://de.indymedia.org/2001/12/12845.html, Call for Justice: http://w1.874.telia.com/~u87406675/upprop/english.html, Homepage: http://sweden.indymedia.org/front.php3?article_id=14915&group=webcast]