2007-05-24 

Polizei soll systematisch Post von G-8-Kritikern filzen

Die Hamburger Polizei hat der "taz" zufolge eine stille Post-Kontrolle in einem Briefzentrum installiert. Das Landeskriminalamt fange systematisch Sendungen ab - im Visier: Post von Globalisierungskritikern.

Hamburg/Berlin - Polizisten kontrollieren dem Bericht der "taz" zufolge die in ihren Augen verdächtigen Briefe direkt in einem Hamburger Briefzentrum. Wie das Blatt berichtet, arbeiten Ermittler des Landeskriminalamtes im Briefzentrum Mitte in einem eigens dafür eingerichteten Raum. Dabei würden auch Briefe geöffnet. Der Sprecher der Hamburger Polizei, Ralf Meyer, wollte den Bericht weder bestätigen noch dementieren. Der "taz" und der dpa sagte Meyer, zu polizeitaktischen Fragen mache er aus grundsätzlichen Erwägungen keine Angaben.
Dem Bericht zufolge fangen die Ermittler verdächtige Postsendungen ab und öffnen sie. Die Aktion laufe unter der Federführung des Bundeskriminalamtes (BKA), die Ausführung habe das Landeskriminalamt (LKA) übernommen. Ein Dutzend LKA-Beamte sei im Einsatz. Besonders im Visier seien die Szenestadtteile Altona, St. Pauli und Eimsbüttel sowie das Schanzen- und das Karoviertel. Das BKA verwies auf dpa-Anfrage auf die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Von dort war eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen.
Das Ausmaß der Aktion sei bisher nicht genau bekannt, schreibt die Zeitung. Es gehe aber nicht nur darum, mögliche Bekennerbriefe an die Medien frühzeitig abzufangen. Briefkasten-Entleerern bestimmter Touren seien sogar Briefe aus dem Beutel heraus abgenommen und direkt der LKA-Briefkontrolle zugeführt worden, bevor sie in die Verteilung gelangten.
Hamburgs Datenschutzbeauftragter Hartmut Lubomierski äußerte in der "taz" erhebliche Zweifel, dass es für derartige Maßnahmen eine rechtliche Grundlage gebe. Der Staatsrechtler und Bundestagsabgeordnete der Linksfraktion, Norman Paech, sagte dem Blatt: "Sollte dies durch einen gerichtlichen Beschluss gedeckt sein, dann haben die Richter jedes Maß für Grundrechtsschutz verloren."

Zoff um Schnüffel-Proben
Im Streit um die Entnahme von Geruchsproben von Globalisierungskritikern wird der Ton indes schärfer. Die SPD übte scharfe Kritik an CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla, der zuvor Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) den Rücktritt nahe gelegt hatte. "Roland Pofalla redet wirr. Wolfgang Thierse ist ein hervorragender Bundestags-Vizepräsident", erklärte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil heute in Berlin. Pofalla hatte Thierse zuvor wegen dessen harscher Kritik an Sicherheitsvorkehrungen vor dem G-8-Gipfel den Rücktritt nahe gelegt.
Grund war ein Vergleich des Thierses zwischen der Entnahme von Geruchsproben bei G-8-Gegnern mit Stasi-Methoden. Auch Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) brachte das Vorgehen in einen Zusammenhang mit den Methoden der DDR-Staatssicherheit (mehr...), die Geruchsproben von Regimegegnern gesammelt hatte. Wie Politiker auch von Grünen und Linkspartei wandten sich der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sowie Anwälte und die Stasi-Unterlagenbehörde gegen die Praxis.

Pofalla griff Thierse daraufhin heftig an. "Ein Bundestagsvizepräsident, der Ermittlungen in unserem Rechtsstaat mit Stasi-Methoden vergleicht, ist in diesem Amt fehl am Platz", sagte er der Berliner Zeitung "B.Z.". "Der Stasi-Vergleich von Herrn Thierse ist ein handfester Skandal." Der SPD-Politiker müsse sich für seine Äußerungen entschuldigen.
Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte das Vorgehen der Polizei dagegen verteidigt. Nach Angaben der Regierung wurden im Zuge eines Ermittlungsverfahrens der Bundesanwaltschaft gegen militante G-8-Gegner in fünf Fällen Geruchsproben Beschuldigter genommen. Sie würden ausschließlich als Indiz in den laufenden Ermittlungsverfahren genutzt, versicherte eine Sprecherin des Justizministeriums in Berlin. Nach Beendigung des Verfahrens würden die Proben vernichtet.

[http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,484864,00.html]