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2007-10-19

MdL Peter Ritter: G 8-Gipfel – unverzüglich Konsequenzen ziehen

Landtag Mecklenburg-Vorpommern 17. – 18. Oktober 2007

Es gilt das gesprochene Wort

Fraktion DIE LINKE

Drs. 5/912

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
meine Damen und Herren,

in der aktuellen Stunde des Landtages am 13. Juni 2007 hat der Innenminister dem Landtag zugesagt, den Innenausschuss – ich zitiere – „umfassend, offen, nichts beschönigend und selbstkritisch“ über den Ablauf des G 8-Polizeieinsatz zu unterrichten.
Herr Innenminister, der vorliegende Antrag meiner Fraktion gibt Ihnen Gelegenheit, dieses Versprechen einzulösen.

Meine Damen und Herren,

der Innenausschuss hat sich inzwischen, teilweise gemeinsam mit dem Rechts- und Europaausschuss, intensiv mit Ereignissen, Fragen, Problemen, Verantwortlichkeiten rund um den G 8-Gipfel in Heiligendamm beschäftigt.
Grundlage waren Aussagen bzw. Berichte von Vertretern des Bundesverteidigungsministeriums bzw. der Bundeswehr, von Anwaltsvereinen, vom Komitee für Grundrechte und Demokratie, der GdP des Landes und des Bundes, des Landesdatenschutzbeauftragten und des Innenministers.
Dies alles war richtig und nützlich.

Aber, meine Damen und Herren,
ich bin froh darüber, dass meine Fraktion den vorliegenden Antrag in den Landtag eingebracht hat und zwar verfahrensmäßig einreichen musste, bevor der Innenminister seinen Abschlussbericht dem Innenausschuss vortragen konnte.
Der Antrag hat nämlich vor dem Hintergrund dieses Berichtes nichts an Aktualität und Dringlichkeit eingebüßt, im Gegenteil.

Herr Innenminister, meine Damen und Herren,
bevor ich zu einzelnen Problemstellungen komme, die notwendigerweise Bestandteil der von uns geforderten Unterrichtung des Landtages sein müssen, gestatten Sie mir drei Anmerkungen zu Ihrem Abschlussbericht vor dem Innenausschuss am 4. Oktober, und zwar zu Stil, Form und Inhalt.

Erstens. Zeichnete sich Ihr Zwischenbericht, Herr Innenminister, vom 28. Juni durch das Bemühen aus, sachlich aufklären und informieren zu wollen, nachzuarbeiten und nachzureichen, so war das Motto des Abschlussberichtes Nachtreten.

Herr Innenminister, gegenüber nahezu allen vom Innenausschuss angehörten Gremien bzw. Institutionen haben Sie sich ausfallend bzw. herablassend geäußert.
Das ist nicht nur schlechter Stil, das ist gar kein Stil.

Zweitens. Zur Form Ihrer Berichterstattung hat sich der Vorsitzende des Innenausschusses bereits deutlich und kritisch geäußert.
Dem Synchronschwimmen mag man sportlichen Beifall zollen; ein Synchronlesen hoher Spitzenbeamter im Innenausschuss dagegen ist dreist und frech, zumal die Abgeordneten den schriftlichen Bericht erst eine Woche nach dieser hochdotierten Lesestunde der Polizeiabteilung erhalten haben.
Das Bundesverteidigungsministerium jedenfalls hatte keinen Bammel davor, seinen Bericht bereits im Vorfeld einzureichen.

Drittens, meine Damen und Herren,
eine prinzipielle inhaltliche Anmerkung zur Berichterstattung des Innenministers.
Wenn der Innenminister meint, seinen Bericht nachträglich als VS-NfD einstufen zu müssen, wird er wissen warum.

Ich weiß es nicht.

Nur, Herr Innenminister, wenn Sie die Schwachstellen, Versäumnisse und Ungereimtheiten des Polizeieinsatzes in Ihrem schriftlichen Bericht mit einem Geheimhaltungsgrad überziehen, dann sollten Sie sich gleichzeitig mit öffentlichem Eigenlob zurückhalten; Sie werden sonst unglaubwürdig.
Der Bericht selbst sollte Sie etwas bescheidener auftreten lassen.

Herr Innenminister, im Zusammenhang mit dem G 8-Polizeieinsatz werde ich Ihnen kein verantwortungsloses Handeln vorwerfen.
Folgt man allerdings Ihrer eigenen Berichterstattung, dann waren Sie so etwas wie ein Minister ohne Verantwortung; entweder wurde diese – so Ihre Darstellungen – von der Bundesebene oder aber von der KAVALA getragen, eine Ministerverantwortung kennt der Bericht nicht.

Meine Damen und Herren,

der vorliegende Antrag fordert eine Unterrichtung des Landtages und damit auch der Öffentlichkeit.
Die Auswertung dieses Großereignisses beschäftigt inzwischen die Bundeswehr mit entsprechenden Konsequenzen, sie beschäftigt Gerichte und wird zu entsprechenden Urteilen führen und in Kürze wird sich wohl auch das Bundesverfassungsgericht erneut mit diesem Ereignis befassen.
Nur am Ort des Geschehens scheint nichts zu geschehen: Insgesamt sei der Polizeieinsatz trotz kleinerer Fehler ordnungsgemäß abgelaufen. Punkt.

Meine Damen und Herren,

eine selbstverständliche fachliche Nachbereitung des G 8-Gipfels unter polizeitaktischen Aspekten ersetzt keine kritische Gesamtwürdigung durch Landtag und Landesregierung und das schrittweise Eingeständnis kleinerer Pannen ist nicht zu verwechseln mit dem Ziehen notwendiger Konsequenzen.
Zu diesen Konsequenzen zählt wohl unstrittig eine Überprüfung der rechtlichen Instrumentarien insbesondere der Polizei und damit wichtiger SOG-Befugnisse.

Das Sicherheits- und Ordnungsgesetz M-V ist seit seinem In-Kraft-Treten im Jahre 1992 durch vier Änderungsgesetze zum Teil erheblich modifiziert worden.
Vor allem das Verhältnismäßigkeitsprinzip fordert für SOG-Befugnisse nicht allein die Darlegung der Funktionsfähigkeit, sondern die fortlaufende Überprüfung der Tauglichkeit.
Der Gesetzgeber ist verpflichtet zu beobachten, wie sich sein gesetzliches Sicherheits- und Ordnungskonzept im Einzelnen in der gesellschaftlichen Wirklichkeit auswirkt.

Der G 8-Gipfel sollte Prüfanlass sein, ob sich Mängel der Regelungen oder deren praktischer Durchführung offenbaren oder auch, ob vorgenommene Regelungen angemessen und weiterhin notwendig sind.
Die Geeignetheit und Notwendigkeit etwa des Automatischen KfZ-Kennzeichen-Lesesystems, also § 43 a SOG, wird durch den G 8-Bericht des Innenministers nicht sonderlich unterstrichen.
Hier erwarte ich eine sachliche Gesamtanalyse des zuständigen Fachministeriums als Bestandteil der Unterrichtung des Landtages.

Meine Damen und Herren,

zu den Kosten dieses Großereignisses ist schon häufig etwas und viel Unterschiedliches gesagt und mehr noch spekuliert worden.
Es dürfte sich von selbst verstehen, dass weitgehend erschöpfende Aussagen zu den finanziellen Belastungen Bestandteil der Unterrichtung des Landtages durch die Landesregierung sein werden.
Und wenn ich dann berücksichtige, dass statt der geplanten 16.000 Polizisten diese Zahl im laufenden Einsatz auf 17.800, also um mehr als zehn Prozent erhöht werden mussten, dann wird diese Unterrichtung eventuell für die Landesregierung selbst aufschlussreich sein, denn eine Kabinettsbefassung gab es hierzu offenbar nicht.

Meine Damen und Herren,

der Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der geforderten Amtshilfe wird höchstwahrscheinlich auch ein verfassungsgerichtliches Nachspiel haben.
Das ist wichtig und richtig, denn ansonsten legitimieren sich Bundeswehreinsätze im Innern durch sich selbst; vergleichbare Anlässe, die zur Legitimation herangezogen werden, sind dann nicht nur die FIFA WM, der Besuch des Papstes oder des US-Präsidenten, sondern künftig auch G 8-Heiligendamm.
Auf Seiten der Bundeswehr haben die besonders kostenträchtigen Tornadomissionen, die von KAVALA ohne Kenntnis des Bundesverteidigungs- und des Landes-Innenministers geordert wurden, eine Überprüfung der Meldeverfahren und Befehlswege ausgelöst.
Völlig anders verfährt unser Innenminister.
Statt wie angekündigt selbstkritisch diese wohl einmaligen Vorgänge aufzuarbeiten, überrascht er den Innenausschuss mit der Mitteilung, gegenüber den militärischen Begehrlichkeiten der KAVALA keinerlei Ministervorbehalt formuliert zu haben.

Herr Minister,

das ist ein sehr gewöhnungsbedürftiges Verständnis von Verantwortung.
Zu den Widersprüchen Ihres Berichtes zur Amtshilfe und den jeweiligen Verantwortlichkeiten komme ich in der Diskussion zurück.
Auch dazu erwarten wir im Rahmen einer kritischen Gesamtwürdigung Aufklärung, denn bisher widersprechen Erklärungen des Innenministers des Landes M-V den Darstellungen des Bundesverteidigungsministeriums.

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