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2009-05-02

Friedensbewegung sucht nach Straßburg neuen Aktionskonsens

Nach der Feuerprobe

Von Ines Wallrodt

Nach den NATO-Protesten fordern Teile der Friedensbewegung eine deutlichere Abgrenzung von sinnloser Zerstörung. Der Preis könnte eine Verkleinerung der Bewegung sein.

Nachdem die Großdemonstration gegen die NATO in Flammen und Tränengas eindrucksvoll unterging, brechen die Differenzen auf, die die Friedensbewegung für die gemeinsame Mobilisierung zurückgestellt hatte. In den nächsten Monaten wird sich zeigen, wie belastbar die Spektren übergreifende Koalition ist.

Bild: Strasbourg

Abgesehen vom gemeinsamen Gegner scheinen die politischen Spektren, die in Straßburg vertreten waren, wenig zu teilen. Während viele NATO-Gegner die Exzesse am 3. April für ein Desaster halten, feiern andere das brennende Zollhäuschen als »grenzüberschreitenden Festakt« und beschweren sich überdies, dass ihr »Fanal« nicht gewürdigt, sondern als das Werk von Polizeiprovokateuren oder »unpolitischen Jugendlichen« dargestellt wird.

Die mehr oder weniger gemeinsame Aufarbeitung hat gerade begonnen. Die Bündnisse für die NATO-Proteste, die es auf verschiedenen Ebenen gab, haben die ersten Nachbereitungstreffen hinter sich. Ansonsten sind Beiträge auf Indymedia oder gipfelsoli.org zu lesen und die Spektren veröffentlichen in ihren jeweiligen »Hausblättern« ihre Sicht: die Interventionistische Linke (IL) im Hamburger »AK«, gewaltfreie Anarchisten in der »Graswurzelrevolution«. Im Mittelpunkt stehen die Fragen, ob man alles der Polizei in die Schuhe schieben kann – die, und da sind sich immerhin alle einig, die Eskalation wollte – und was künftig anders laufen muss.

Im traditionellen Friedensspektrum mehren sich nach Straßburg die Stimmen, die klare Ansagen wollen. »Die ›Toleranz der Aktionsformen‹ hat ihre Grenzen, wo durch die Militanz einiger die gesamte Bewegung in eine militante Auseinandersetzung gedrängt wird«, schreibt Andreas Speck von der War Resisters’ International, der eine explizit gewaltfreie Blockade mit organisiert hat. Er stellt Bedingungen für eine zukünftige Zusammenarbeit. Diese sollen klare Absprachen enthalten, und – hier steckt der Knackpunkt – die Bereitschaft, diese auch gegenüber anderen durchzusetzen. Das könnte vor allem die Interventionistische Linke unter Druck bringen, die der zentrale Partner aus der linksradikalen Szene im Anti-Nato-Bündnis ist.

Die IL organisiert seit den G8-Protesten in Heiligendamm zwar vor allem nicht-eskalative Blockaden, will sich aber von keinen Aktionsformen distanzieren. »Alle gehören unter den Schutzschirm der Solidarität«, umarmt Christoph Kleine den Schwarzen Block. Manchen platze eben der Kragen, wenn die Polizei versucht, jeglichen Protest zu verhindern; für Kleine ein Recht auf Gegenwehr.

Die IL, in der sich einige postautonome Gruppen koordinieren, gilt als Scharnier zwischen der klassischen Friedensbewegung und der linksradikalen Szene, wo die Kriegsgegnerschaft einer antikapitalistischen Haltung entspringt. Die Friedensbewegten hatten die Hoffnung, sie würde die Randalierer im Zaum halten. Doch die IL will diesen Job nicht machen.

Einige stellen das Bündnis mit den Linksradikalen noch deutlicher in Frage als Speck. Sie raten der Friedensbewegung, lieber ihren eigenen Stiefel durchzuziehen, statt sich ihre Pläne von nicht planbaren Kräften vermasseln zu lassen. »Ein möglichst breites Bündnis, wie es dem Koordinierungskreis der NATO-Proteste vorschwebte, kann das Bewegungsspektrum auch verengen«, warnt etwa Peter Strutynski vom Bundesausschuss Friedensratschlag.

Im internationalen Bündnis ICC habe es für Abgrenzungsbeschlüsse keine Mehrheit gegeben, sagt Reiner Braun von der Kooperation für den Frieden. Viele hätten aber die Einschätzung geteilt, die Randalierer seien »Handlanger« der Regierungen gewesen und hätten sie in der »Diskreditierung der großen friedlichen Demonstration unterstützt«. ICC-Sprecher Braun hält sich dennoch mit Forderungen zurück. Er verfährt nach dem Motto Wandel durch Annäherung. Da müsse man »reindiskutieren«, sagt er, nicht sich abschotten. Klar ist, dass die Anti-Kriegs-Koalition einen neuen Aktionskonsens finden muss. Die Formel »Alle Aktionsformen sind gleichberechtigt« hat sich aus Sicht der gewaltfreien Gruppen als nicht tragfähig erwiesen. Bis zur nächsten großen Runde soll noch etwas Zeit ins Land gehen. Erst für Oktober hat das ICC, das eine dauerhafte internationale Vernetzungsstruktur der NATO-Gegner werden soll, eine Konferenz in Berlin anberaumt.

Source: http://www.neues-deutschland.de/artikel/148129.nach-der-feuerprobe.html