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2009-05-07

Täglich 15 Stunden unter Strom

Ostalb-Polizisten unterstützen Hubschrauberstaffel der Polizei bei Großeinsätzen – jüngstes Beispiel Nato-Gipfel

Er war einer von etwa 16 000 beteiligten Polizisten, er hat für den Einsatz in drei Monaten mehr als 10 000 Kilometer zurückgelegt, er hat in dieser Zeit 13 Stunden und 26 Minuten mit dem Handy telefoniert: Gmünds Polizeichef Helmut Argauer gehörte – an leitender Stelle – zu denen, die den Nato-Gipfel in Kehl und Straßburg sicherten. In enger Zusammenarbeit mit der Hubschrauberstaffel der Polizei Baden-Württembergs.

Bild: Cop

Schwäbisch Gmünd / Stuttgart. US-Präsident Barack Obama überquert mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die Europabrücke von Kehl nach Straßburg. Beide werden von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy empfangen. Bilder, die Millionen Fernsehzuschauer weltweit sahen. Was dahinter steckt? Eine gigantische Logistik für Verpflegung und Unterkunft, 16 000 Sicherheitskräfte aus ganz Deutschland, 8000 davon allein aus Baden-Württemberg. Dies sahen die Fernsehzuschauer nicht.
Helmut Argauer war einer von ihnen, er war – mit 230 Polizeikräften vom Boden aus – für Luftraumschutz zuständig. „Für mich war das eine völlig neue Materie und hat mit meinem Alltag in Gmünd nichts zu tun“, erzählt er. Er hatte sich für diesen Einsatz an der deutsch-französischen Grenze freiwillig gemeldet – mit insgesamt etwa 30 weiteren Kollegen der Polizeidirektion Aalen.

Brenzlig: Wenn jemand in den Luftraum eindringt
Der gesamte Luftraum zwischen Freiburg und Speyer war des Nato-Gipfels wegen gesperrt, berichtet er. Und ergänzt: alle Flug- und Landeplätze, auch solche für Gleitschirme. Zwar rechne man nicht unbedingt mit einem Vorfall. Doch vorbereitet sein müssten die Sicherheitskräfte auf alle Eventualitäten. Die brenzligste: dass jemand in den Luftraum eindringt.
Und in der Tat: In zwei Fällen mussten die Polizisten aktiv werden. Zwei Heißluftballone mussten bei Kehl zur Landung gezwungen werden, unmittelbar bevor Merkel und Obama über die Europabrücke gingen. Und im Raum Speyer waren drei Flugzeuge verbotenerweise im Luftraum unterwegs und wurden zu einer Landung auf dem Flugplatz Speyer gezwungen. Alle drei Piloten bekamen eine Strafanzeige.
„Man steht 14 bis 15 Stunden am Tag unter Strom, bis zur Grenze der Belastbarkeit“, erinnert sich Gmünds Polizeichef an die Gipfeltage. Was erschwerend dazu kam: Vieles musste mit Frankreich abgestimmt werden. Was, obwohl den Polizisten Dolmetscher zur Seite standen, schwierig war. Denn allein durch den französischen Zentralismus und den deutschen Föderalismus ergaben sich Unterschiede bei den Entscheidungen: Während auf französischer Seite manche Fragen in Paris entschieden weden mussten, hatten die Deutschen – mit der Zuständigkeit des Landes Baden-Württemberg – den Vorteil des oftmals schnelleren Weges.
Eng zusammen gearbeitet hat Argauer in diesen Wochen mit der Hubschrauberstaffel der Polizei des Landes. Schwierig war dies nicht, denn bei der am Stuttgarter Flughafen angesiedelten Staffel sitzt kein Unbekannter: Der Heuchlinger Gerald Jüngel ist zweiter Chef dort. Jüngel ist verantwortlich für Einsatzplanung und Einsatzmanagement der acht Hubschrauber der Staffel. Beim Nato-Gipfel war er auch für den Schutz des Luftraumes zuständig, leitete einen der insgesamt 13 Einsatzabschnitte des gesamten Gipfels.
Die Hubschrauberstaffel ist normalerweise zuständig für ganz Baden-Württemberg. Die beiden Lastenhubschrauber EC 155 für schnelle Transporte und die sechs MD 902 Explorer, amerikanische Modelle, werden eingesetzt für die Vermisstensuche oder bei der Verfolgung von Straftätern, aber auch bei Großveranstaltungen, zur Verkehrsüberwachung und Verkehrsaufklärung und bei Naturkatastrophen wie etwa der Flut im Killertal im Zollernalbkreis.
Zudem fliegen die Piloten der Hubschrauberstaffel auch gefährliche Straftäter, die in Gotteszell inhaftierten Täterinnen des Drückermords beispielsweise waren solche Passagiere oder der Ulmer Konvertit der Sauerlandgruppe, der mit weiteren Islamisten Terroranschläge gegen amerikanische Einrichtungen in Deutschland geplant haben soll und dessen Prozess gerade läuft.
Dabei schafft der amerikanische Hubschrauber, der etwa 5,5 Millionen Euro kostet und in zwei Stunden Flugzeit etwa 550 Liter Kerosin braucht, bis zu 220 Kilometer in der Stunde. Gerald Jüngel erzählt: Die Staffel hatte 1920 Einsätze im Jahr 2008. Allein mit 750 Einsätzen wurden Vermisste gesucht, und 347 Mal wurden die Hubschrauber zur Strafverfolgung eingesetzt. In 17 Fällen haben die Mitarbeiter der Staffel Straftäter aufgegriffen, in 52 Fällen Vermisste gefunden. Die Zahl der Einsätze steigt tendenziell. Alles in allem, sagt Jüngel, sei es ein anspruchsvoller Job, bei dem der Druck groß ist. Deshalb müssen die 64 Mitarbeiter der Staffel – 44 davon sind Piloten – bereits Erfahrung als Polizisten gesammelt haben und bilden sich sozusagen weiter zu „fliegenden Polizisten“.

Beim Amoklauf die Einsatzkräfte geflogen
Die jüngsten Einsätze, die der Hubschrauberstaffel viel abverlangten, waren der Amoklauf von Winnenden und eben der Nato-Gipfel. Beim Amoklauf verfolgten die Hubschrauber den Täter im entführten Fahrzeug und transportierten die Einsatzkräfte. Während des Nato-Gipfels war die komplette Staffel – bis auf einen einzigen Hubschrauber zur Bereitschaft – „mit Mann und Maus“ im Rheingraben im Einsatz. Dabei waren die acht Hubschrauber Baden-Württembergs gerade mal ein knappes Fünftel der insgesamt 50 Maschinen aus dem ganzen Bundesgebiet.
Bereits Mitte des vergangenen Jahres hatte für die Hubschrauberstaffel die Vorbereitung des Nato-Gipfels begonnen. „Dieser Einsatz hat unser tägliches Dasein dominiert“, sagt der gebürtige Hüttlinger Jüngel. Und findet – nicht ohne Stolz: „Die Polizei Baden-Württembergs hat das gut hingekriegt.“ Dies sieht auch Helmut Argauer so, der überzeugt ist, dass der Nato-Gipfel für die deutsche Polizei „eine gute Werbung“ war. „Es hat Spaß gemacht, doch wir waren auch froh, als die Last weg war“, sagen beide übereinstimmend über den Abend, an dem der Nato-Gipfel vorbei war, der Druck einer ordentlichen Müdigkeit gewichen ist und für Gerald Jüngel und Helmut Argauer – über kurz oder lang – der Arbeitsalltag in Stuttgart und in Gmünd wieder begann.

Source: http://www.schwaebische-post.de/416665/