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2007-04-29

"Brennende Autos helfen"

Wie erreicht man Massen für ein politisches Anliegen? Mit gutem Entertainment? Mit Gewalt? Jan Delay, frischgebackener Anti-G8-Aktivist, im Zuender-Gespräch.

ZUENDER: Wann hast du dich das letzte Mal über etwas gefreut, das du in der Zeitung gelesen hast?
Jan Delay: Das war vor ein paar Tagen. Werder hat 1:0 gewonnen.

Und politisch?
Das ist lange her. 2003, als auf dem taz-Cover unter der Überschrift "Die Achse des Bösen" Schröder zwischen Castro und Gaddafi abgebildet war.

Du beteiligst dich an der Kampagne "Move on against G8". Die fordern eine Menge Dinge, vom Umweltschutz bis zum Ende der Kriege. Wo liegt für dich der Schwerpunkt?
Den gibt es nicht. Ich finde es grundsätzlich Scheiße, dass die Herrscher der acht reichsten Nationen festlegen, wie die Welt auszusehen hat. Wobei diese Nationen auch nur deswegen so bedeutsam sind, weil sie alle anderen ausbeuten. Ich bin Musiker, von der Hälfte der Themen habe ich keine Ahnung. Ich will unterstützen, die dazu detaillierte Kenntnisse haben und dort protestieren.

Sollten sich die Großen Acht also gar nicht erst treffen?
Was dort besprochen wird, ist das Thema aller Nationen. Also sollten auch alle Staaten dabei sein. Es darf kein Diktat von acht selbsternannten Weltherrschern geben.

Machst du dabei einen Unterschied zwischen Angela Merkel und George W. Bush?
Nein. Beide sind Lakaien.

Heißt das, Bush hat den Irakkrieg nicht aus eigener Überzeugung vom Zaun gebrochen?
Darüber müssen wir nicht ernsthaft diskutieren, oder? Dahinter stecken nicht seine Interessen. Er hat Freunde und Verwandte, die an der aktuellen Situation sehr gut verdienen.

Wen kann die attac-Kampagne gegen den G8-Gipfel eigentlich erreichen?
Die Unwissenden. Das Problem ist nur, dass solche Aktionen meistens nur die Wenigen erreichen, die ohnehin schon davon wissen. Die Mehrheit dagegen macht die Schotten dicht. Deswegen muss Protest Entertainment sein, unterhalten, wie ich es mit meiner Musik versuche. Sacha Cohen ist der Grösste: Er konfrontiert die Leute mit ihren Vorurteilen, er hinterlässt Fragen, er stellt Rassisten bloß. Als Ali G. hat er das noch besser gemacht als in der Borat-Rolle.

Welche Kompromisse gehst du ein, um jemanden politisch zu erreichen? Würdest du bei "Wetten dass...?" auftreten?
Ich glaube schon. Wenn ich da sagen könnte, was ich wollte. Ich bin mit den Beginnern sogar schon bei "nur die Liebe zählt" mit Kai Pflaume aufgetreten.

Stefan Raab?
Klar, Raab ist cool.

Neun Live?
Da ist die Grenze. Zu Neun Live würde ich wirklich niemals gehen.
Thema RAF: Soll der Ex-Terrorist Christian Klar freigelassen werden?
Ja. Ich verstehe die formaljuristische Argumentation, warum der Fall anders als bei Mohnhaupt liegt. Ich finde nicht, dass er Reue zeigen muss, um rauszukommen. Ich frage mich, ob sie nicht einen anderen Vorwand finden würden, ihn im Gefängnis zu behalten, wenn er Reue zeigen würde.

Welchen Eindruck hattest du von der Debatte um sein Gnadengesuch?
Es hat sich nichts geändert. Abgesehen davon, dass dieses Mal niemand die Todesstrafe gefordert hat, ist das dieselbe Debatte wie in den Siebzigern. Das wird sich erst ändern, wenn die, die das miterlebt haben, gestorben sind. Ich kann mir gut vorstellen, dass dann die Kids Baader-Meinhof-Shirts statt Che-Guevara-Shirts tragen werden.

Ist das wünschenswert?
Auf keinen Fall. Besser wäre es natürlich, wenn man sich mit den Gedanken dieser Leute auseinandersetzen und daraus ihre Lehren ziehen würden. Sonst wäre das ein Ausverkauf wichtiger Ideen.

Was bleibt denn von knapp zwanzig Jahren RAF?
Das waren keine zwanzig Jahre. Die dritte RAF-Generation ist eine Erfindung. Alfred Herrhausen zum Beispiel: Wieso hätten die RAF-Leute jemanden töten sollen, der sich als erster Bankchef für die Entschuldung der Drittweltstaaten stark gemacht hat? An den Tatorten wurden im Gegensatz zu früher keine Fingerabdrücke der RAF-Leute gefunden. Der war anderen Leuten ein Dorn im Auge. Der Terror der angeblichen "Dritten Generation" rechtfertigte nur neue polizeiliche Überwachungsmaßnahmen.

Das sind Indizien. Reicht dir das?
Ziemlich viele Indizien. Lies die Bücher und du wirst mir zustimmen.
In Hamburg haben inzwischen wieder Autos gebrannt. Die Täter haben sich auf den Kampf gegen den G8-Gipfel berufen.
Ich begrüsse das, solange keine Menschen zu Schaden kommen, sondern nur Symbole. Das sind keine gezielten Anschläge auf Personen. Sie zeigen, dass es immer mehr Menschen gibt, die die Schnauze voll haben. Und haben zur Folge, dass über sie und damit ihr Anliegen berichtet wird. Vielleicht gibt es keinen anderen Weg, um das in die Medien zu bringen.
Und Innenpolitiker beginnen wieder mit der Hatz nach linksradikalen Terroristen.
Das ist doch gut. Dann haben die Kids wieder Idole.

[http://zuender.zeit.de/2007/15/jan-delay-interview]