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2007-05-30

Welt: Werbekampagne: Bionade umgarnt die durstigen Gipfel-Gegner

Das familiäre Unternehmen aus der Röhn will in diesem Jahr seinen Absatz um über 100 Prozent steigern. Mit Plakaten zielt die Brauerei mit der Bio-Brause auch auf Herz und Kehle der G-8-Demonstranten. Diese finden das nicht nur lustig.

Der korrekte G-8-Gegner trinkt nicht irgend eine Brause, sondern Bionade. Das ist ein Klischee, mit dem sich werben lässt. “Bionade. Das offizielle Getränk einer besseren Welt”, heißt der Werbespruch, den die Brauerei aus Ostheim in der Röhn wenige Tage vor dem Treffen der acht mächtigsten Regierungschefs in Heiligendamm in 15 Großstädten bundesweit und in einigen Metropolen wie Berlin, Frankfurt am Main und Hamburg auf Riesenpostern an Hausfassaden plakatieren lässt.
“Das passt genau zum G-8-Gipfel, wirklich super, oder?”, sagt Angelika Kuhnert, die bei Bionade das Marketing verantwortet. Das ist als Witz gemeint, hat aber - wie das Klischee vom Bionade-Demonstranten - einen wahren Kern. Als Lieblingsgetränk der Globalisierungskritiker zu gelten, damit hat das mittelständische Unternehmen kein Problem. “Wir können damit durchaus leben”, sagt Kuhnert. Sie weist aber darauf hin, dass die Zielgruppen für die Trendlimonade, die inzwischen in Luxus-Restaurants und an Bord von ICEs der Deutschen Bahn Einzug gehalten hat, nicht nur aus G-8-Gegnern bestünden: “Darunter fallen genau so Diskogänger, Anti-Alkoholiker, Sportler, Ältere oder Kids ab zwei Jahren.”

Nach Angaben von Kuhnert erhält die Bionade-Brauerei inzwischen täglich euphorische Fan-Post. “Den Claim haben wir von den Verbrauchern geradezu in den Mund gelegt bekommen.” Kürzlich habe jemand geschrieben: “Darauf hat die Welt gewartet”, und meinte tatsächlich die Brause mit den ökologisch produzierten Zutaten. Eine Mutter habe angerufen und gesagt: “Toll, was ihr da gemacht habt.”

Deshalb habe sich Bionade entschlossen, bei der Werbekampagne auf eine eigene Werbewelt zu verzichten und wolle mit dem Spruch jedem “seine eigene Lebenswelt im Kopf lassen”. Bionade-Mitgesellschafter Wolfgang Blum formuliert das staatstragender: “Es geht hier um eine Welt, in der die Menschen mit sich selbst und der Umwelt einfach besser und bewusster umgehen.” Dafür stehe Bionade als Getränk und als ein Unternehmen, das soziale und ökologische Verantwortung schon immer praktiziere. Um das zu unterstreichen, hat Blum sogar einen Werbe-Blog namens “Stille Taten” gestartet - mit fünf Beiträgen in den vergangenen zehn Wochen.

Begonnen hatte das Unternehmen mit einer Radiokampagne im März und “Anrufen für eine bessere Welt”: In den Spots geht es um einen Mann, der in einem Elektroladen anruft und den Diebstahl von Batterien zugibt sowie bizarre Dankesworte für das freundliche Bürgeramt, für die Beschwerdestelle der Bahn wegen der pünktlichen Züge und ein glückserfülltes Feedback nach dem “sehr angenehmen Aufenthalt” im Imbiss um die Ecke.

Mit der Plakatserie, deren Kosten laut Unternehmen im einstelligen Millionenbereich liegt, soll nun das Produkt hinter den Spots sichtbar werden. Bionade hat laut Angelika Kuhnert in Deutschland inzwischen einen Bekanntheitsgrad von zehn Prozent. Nach einem Verkauf von 73 Millionen Flaschen 2006 will das Unternehmen den Absatz in diesem Jahr mehr als verdoppeln.

Gipfel-Gegner gegen Kommerzialisierung

In einem anderen Werbefilm hat Bionade bereits mit dem Bezug auf Konflikte mit der Staatsgewalt geworben: Zu sehen sind einige Sekunden lang Einsatzfahrzeuge mit Blaulicht und behelmte Polizisten, dann wird der Bionade-Schriftzug eingeblendet. In der linksalternativen Lebenswelt trägt solche Werbung anscheinend Früchte. So heißt es in einem Aufruf zu einer Anti-Nazi-Demo, die parallel zum G-8-Gipfel geplant ist: Nach der erfolgreichen Gegendemo könne man in einer nahe gelegenen Alternativ-Kneipe “gemütlich ein Bier oder eine Bionade trinken oder immer noch nach Rostock oder Heiligendamm fahren”.

Gleichwohl lässt sich der Bionade-Absatz im Umfeld der G-8-Proteste, bei denen laut den Veranstaltern Hunderttausende erwartet werden und zum Teil auf Feldern vor den Toren Rostocks übernachten, diskutieren und feiern, vermutlich nicht messbar steigern. Auf den Protest-Camps haben die Veranstalter kommerziellen Getränkeverkauf verboten. “Wir lehnen jegliche Vereinnahmung durch Kommerz ab und lassen uns nicht von Unternehmen einspannen”, sagt Carl Kemper, Sprecher der G-8-Gipfelgegner in Rostock. Bier und Bio-Limonade zu “moderaten Preisen” für die durstigen Gipfel-Gegner gibt es aber trotzdem.

[http://www.welt.de/wirtschaft/article903228/Bionade_umgarnt_die_durstigen_Gipfel-Gegner.html]