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2007-05-25

Regierungserklärung Merkel: Gipfel der Unverbindlichkeiten

Die Debatte um den G8-Gipfel hat jetzt auch den Bundestag erreicht

In einer Regierungserklärung stellte Bundeskanzlerin Merkel gestern im Bundestag die Ziele der deutschen Ratsmitgliedschaft vor. Überraschendes hatte sie erwartungsgemäß nicht zu vermelden. Merkel ging noch einmal auf die Themen ein, die in Heiligendamm im Mittelpunkt stehen sollen. Neben der Förderung eines weltweiten Aufschwungs sind das der Klimaschutz und der Umgang mit Afrika.

Diese Themenbereichte gliederte Merkel in sieben Punkte, wobei sich die vier ersten Tops um Wirtschaftsthemen drehen. Dabei geht es um mehr Transparenz bei den Hedge-Fonds, den verstärkten Kampf gegen Produktpiraterie, dem Abbau protektionistischer Hindernisse für die Wirtschaft und die soziale Gestaltung der Globalisierung. Von Heiligendamm müsse auch ein starkes Signal für die sozialen und ökologischen Standards ausgehen, betonte Merkel.

Der fünfte Punkt drehte sich um den Klimaschutz. Merkel sprach von Regularien für den "Post-Kyoto-Prozess". Gerade dieser Punkt ist durch die Debatten um die Klimaveränderung in den letzten Monaten stark in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. Erwartungen wurden von Merkel aber sogleich gedämpft: Sie wisse noch nicht, ob es gelingen kann, ein gemeinsames Verständnis für die wirkungsvolle Bekämpfung des Klimawandels zu entwickeln. Optimistischer zeigte sie sich beim sechsten Punkt, einem Durchbruch in den festgefahrenen Verhandlungen um eine Liberalisierung des Welthandels.

Der letzte Punkt in Merkels Rede war Zukunft Afrikas. Diese Thematik stand ursprünglich weit oben auf der Gipfelagenda, ist aber durch die Klimadebatte etwas in den Hintergrund getreten. Nach Merkels Rede könnte man vermuten, dass es auf den Gipfel in erster Linie um die Liberalisierung der Weltwirtschaft gehen wird, die Themen Klima Afrika aber vor allem mit schönen Absichtserklärungen bedacht werden.
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Warnung vor Verwässerungen

Davor warnten verschiedene Redner der Oppositionsparteien in ihren [extern] Erwiderungen auf die Regierungserklärung. So mahnte Claudia Roth für die Grünen konkrete Maßnahmen beim Klimaschutz an. "Wir wollen, dass niemand Heiligendamm verlässt, ohne zugesagt zu haben, die CO2-Emissionen um 30 Prozent zu senken. Wir wollen, dass die Energiewende konkret angegangen wird." Dabei war die Rede von Roth allerdings in erster Line ein Appell an Merkel, Bestrebungen der USA die Klimaziele zu verwässern, zurück zu weisen.

Schärfere Kritik an Merkels Regierungserklärung kam von den Sprechern der globalisierungskritischen Organisation Attac Pedram Shahyar und Sven Giegold. Sie sprachen von einer [extern] Erklärung der Scheinheiligkeit und werfen Merkel vor, in erster Linie "Vorfahrt für das Kapital" zu propagieren. In der Attac-Erklärung wurde auch bemängelt, dass die Agenda der Regierung bei den Punkten Klimaschutz und Afrikapolitik unverbindlich bleibe.

Einen großen Stellenwert in Merkels Regierungserklärung nahmen auch die Sicherheitsmaßnahmen rund um Heiligendamm ein, die nicht nur von Gipfelgegnern, sondern auch von vielen Bürgerrechtsorganisationen wie [extern] Amnesty International und dem [extern] Komitee für Grundrechte kritisiert wurden. Merkel verteidigte die Maßnahmen als Schutz vor Gewalt, betonte aber gleichzeitig, dass friedlicher Protest Gehör findet. Vor allem Redner der Linkspartei warnten hingegen vor einer Kriminalisierung der Protestbewegung gegen den Gipfel und stellten die Legitimität der G8 als von niemanden gewähltes Gremium, bei dem ein Großteil der Staaten ausgeschlossen ist, [extern] grundsätzlich in Frage. Gregor Gysi schlug hingegen eine reformierte UNO als Ersatz für die G8 vor. Gefordert wird überdies eine Begrenzung des Wettrüstens. 5 Prozent der Ausgaben für Rüstung sollen in die weltweite Armutsbekämpfung gehen. Die Bundesregierung solle auch Initiativen zur atomaren Abrüstung starten.

Zweierlei Globalisierungskritik

Was bei Merkels Regierungserklärung auffiel, waren weniger die längst schon bekannten Inhalte. Bemerkenswert war, dass sie in vielen Bereichen, bis in die Wortwahl hinein, die Unzufriedenheit mit der Globalisierung zum Ausdruck bringt, wie dies auch die G8-Kritiker machen, allerdings mit einer anderen Zielrichtung. So heißt es an einer Stelle:

Und doch weckt die fortschreitende Globalisierung bei vielen Menschen in Deutschland wie in anderen Ländern erhebliche Ängste. Diese Ängste nimmt die Bundesregierung ernst. Viele Menschen stellen bohrende Fragen: Kann die Globalisierung überhaupt noch politisch gestaltet werden? Gibt es Alternativen zur Globalisierung, so wie sie abläuft? Wird Europa seinen Wohlstand in diesem Wettbewerb bewahren können?

Hier geht Merkel auf eine Stimmung ein, die in Teilen der Bevölkerung weit verbreitet ist. Mit den Umwälzungen in der Weltwirtschaft und dem Aufkommen neuer Global Player wie China und Indien wird ein Ende der europäischen Wohlstandsinseln befürchtet. Eine solche Globalisierungskritik unterscheidet sich allerdings von den Bestrebungen von vielen Initiativen, die ihre Kritik an dem Gipfel in Heiligendamm gerade mit einer ungerechten Globalisierung verbinden und die bisherige Rolle Westeuropas als Ausdruck dieser Ungerechtigkeit empfinden.

[http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25365/1.html]