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2007-06-07

Kein Augenzeugenbericht?

Augenzeuge war ich auch. Aber was heißt das schon? Das was Du mit eigenen Augen siehst ist nicht das Ganze. Was ich sah, waren sehr viele junge schwarz gekleidete, verkleidete Menschen in einem kämpferischen, aber gewaltfreien Demozug durch die Innenstadt gehen, laufen und tanzen. Mehr Loveparade als autonome Demo. Phantasievoll im Ausdruck mit gut formulierte Botschaften und Forderungen auf Transparenten. Später flogen Steine zweifellos. Doch wer warf wirklich den ersten Stein??? War es wirklich ein Polizeiauto das ich demoliert auf der Seite liegen sah? Warum stand das Auto, das am nächsten Tag ausgebrannt durch die Medien ging, allein an der Hafenrandstrasse? Wer bestimmt die Eskalation und die sog. Deeskalationsstrategie? Wo waren da die Polizisten mit ihren grellgelben "Anti-Konflikt" Westen? Wo die Beobachter vom Komitee für Grundrechte und Demokratie?

Später konnte Mensch - auch ich - vom nahen Feldherrnhügel aus das Geschehen gut beobachten. Wie früher die Militärs, wenig Einzelheiten, aber das vor und zurück der "Gegner" und ihre Gewaltmittel. Es erinnerte auch an alte Zeiten. Brokdorf. Startbahn West. Häuserkampf. Selbst eine kleine Polizeitruppe weithin sichtbar umringt von Demonstranten erinnerte an einen Polizeieinsatz in Göttingen vor Jahren, als sich eine Gruppe von Polizisten in Unkenntnis der Innenstadt in die falsche Strasse verirrt hatten. Quasi auf Feindesland. Ein polizeitaktischer Fehler, mehr nicht.
Wir - alten Erfahrenen - hätten uns autonom wie am 4.11.06 auf der Anti-Nazidemo in Bremen als "grauer Block" mit einer konfliktreduzierenden Haltung frühzeitig und gut sichtbar zwischen Polizei und jugendlichen Heisspunte stellen sollen. Bevor die Adrenalin und testerongeschwängerte Atmosphäre das Geschehen bestimmte. Das Bremer Konzept "Graue vor" wäre auch in Rostock zum Tragen gekommen. Es ist zwar nicht so sexie und dramaturgisch medial, aber wirksam. Es hätten auch die roten Erlassjahr-Ballons sein können. Am 4.11.06 in Bremen konnten wir Steine und Wasserwerfereinsatz maßgeblich verhindern, weil wir präventiv vorher dazwischen standen. Aber auch in Rostock wäre eine Eskalation verhindert worden, wenn wir uns nicht auf die Kundgebungsorganisatoren verlassen hätten und uns der Illusion hingaben: die haben es im Griff. Das scheint nicht der Fall gewesen zu sein. Worüber wurde zu dem Zeitpunkt mit der Polizei verhandelt? Nur über den Hubschrauber oder auch über das Geplänkel am Rande der Kundgebung.
Die Wasserwerfer praktizierten bereits ab ca. 16.30 Uhr eine Spaltung in vermeintlich gute KundgebungszuhörerInnen und böser Schwarzer Block. Der, jetzt politisch zementiert werden soll und eine Distanzierungsorgie ohne Hemmungen gefeiert wird. Kein Thierse, der den Stasivergleich prominent verkündet. Keine Diskussion: Welche Absprachen wurden genau wann, von wem, nicht eingehalten? Wilde Thesen lassen sich medial gut vermarkten, zumal wenn man sie dem Muster folgen: ich hab es immer schon gewusst. Alle haben Fehler gemacht.
Ich finde es seit langem erstaunlich wie friedlich ruhig und diszipliniert es sich der sog. Schwarze Block gefallen lässt, von schwer ausstaffierten Polizisten umringt zu demonstrieren, sich mit Platzverweisen am demonstrieren hindern zu lassen, das Durchsuchen ihrer Rucksäcke geduldig zu ertragen, mit anzusehen zu müssen wie einzelne aus der Demo zumindest scheinbar willkürlich herausgeprügelt werden und abgeführt werden.
Schäuble ist der wirkliche Gewinner des 2.Juni in Rostock. Kaum einer redet noch über den Zaun in Heiligensdamm, über die Geruchsprobenentnahme im Vorfeld. Schäuble hat es geschafft, er hat recht gehabt, mit dem was er zur Normalität werden lässt, sagt die Mehrheit. Innere Sicherheit hat Schäuble jetzt machtvoll definiert. Nun kommen Gummigeschosse, GSG 9 und nicht tödliche Waffen. Fein. Oder? Die Bildzeitung titelte wie immer zugespitzt am 4.06. "Wollt ihr Tote - ihr Chaoten" Wer nimmt denn hier Tote in Kauf????
Die Scheibchen-Taktik der schwarzen Kohlregierung hat in den 90iger Jahren bei den sog. Out of Area "Friedenseinsätzen" schon gut geklappt. Sie wird auch im Inneren aufgehen, heute zieht die SPD mit. Der 2.Juni in Rostock. wird die Argumentation dazu liefern. Dem sollten wir ganz autonom etwas entgegen setzen, ob schwarz gekleidet oder bunt.

Andrea Kolling, Bremen den 5.06.07 BUKO-Kampagne: Stoppt den Rüstungsexport!