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2007-06-04

Spiegel: Heftige Debatte um Strategie in Heiligendamm

Knapp 1000 Verletzte, 130 Festnahmen, Straßenschlachten in Rostock: Die Krawalle am Rande der Anti-G-8-Demonstration haben einen Streit über das Vorgehen der Polizei beim Gipfel in Heiligendamm ausgelöst.

Hamburg - Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz forderte in der "Berliner Zeitung" ein Festhalten an der Deeskalationsstrategie. Es dürfe nun "kein weiteres Benzin ins Feuer gegossen werden", sagte Wiefelspütz. Polizei und Veranstalter müssten sich aber fragen lassen, warum ein solcher Ausbruch an Gewalt im Vorfeld nicht verhindert werden konnte.

Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner (SPD) sagte in der "Frankfurter Rundschau", es gebe keine Alternative zur Deeskalationsstrategie. "Es ist ganz schwer, gegen Gewalttäter vorzugehen, die sich hinter friedlichen Demonstranten verstecken", sagte er. Die Beamten könnten lediglich Präsenz zeigen und Schlimmeres verhindern. Stegner appellierte an die Organisatoren der Demonstrationen in Heiligendamm, die Gewalttäter zu isolieren.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Renate Künast, sagte, der Staat "sollte sich im weiteren Gipfelverlauf nicht zu Überreaktionen provozieren lassen". Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) plädierte in der "Berliner Zeitung" für eine "Deeskalation durch Stärke".

Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Wolfgang Speck, äußerte in der "Passauer Neuen Presse" angesichts der Ereignisse in Rostock Zweifel an der Deeskalationsstrategie. Im Umfeld von Demonstrationen gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm sei "ein energischeres Auftreten und mehr Präsenz" erforderlich. Die bisherige Strategie habe nicht funktioniert. "Mit einer solchen Brutalität, solchem Hass hatten wir nicht gerechnet. Es ist schlimm, wie hier auf Polizistinnen und Polizisten losgegangen wurde."

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, sagte, er rechne für Heiligendamm "mit dem Schlimmsten": "Das ist eine Spirale der Gewalt", sagte er der "Bild"-Zeitung. Freiberg forderte eine härtere Gangart gegen Gewalttäter. "Es müssen Vorkontrollen dort stattfinden, wo sich die Chaoten treffen. Wer Steine, Messer oder Knüppel dabei hat, muss sofort in Polizeigewahrsam." Freiberg forderte auch eine harte Bestrafung der Gewalttäter: "Wer mit einem Messer auf einen Menschen einsticht oder Gehwegplatten wirft, will verletzen oder sogar töten. Er nimmt es jedenfalls in Kauf. Die Täter müssen hart bestraft werden!"

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte, die Polizei müsse in Heiligendamm "noch vorsichtiger" sein. In der ARD kritisierte er gestern Abend, diejenigen, die im Vorfeld Deeskalation forderten, würfen der Polizei anschließend vor, nicht energisch genug eingegriffen zu haben. Schäuble bezeichnete die Randalierer in Rostock als "schlimme Verbrecher", gegen die mit aller Härte vorgegangen werden müsse. Wer Pflastersteine breche, habe die klare Absicht, Gewalttaten zu begehen.

Werner Rätz vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac entschuldigte sich für die Ereignisse. "Was geschehen ist, hätte so nicht passieren dürfen", sagte er laut der Online-Ausgabe der "Frankfurter Rundschau". Die Organisatoren müssten sich bei den Rostockern entschuldigen. Die Schwierigkeiten beim Umgang mit den Linksautonomen würden von vielen unterschätzt. Viele Attac-Mitglieder wüssten nicht, wie sie mit den militanten G-8-Gegnern zurechtkommen sollten: "Ein konkretes Konzept gibt es nicht." Rätz, der für die Organisation der Kundgebung mitverantwortlich war, warnte allerdings davor, den sogenannten Schwarzen Block auszugrenzen: "Dann kommen die erst recht."

Bei den Ausschreitungen waren am Samstag in Rostock fast tausend Menschen verletzt worden, darunter 433 Polizisten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte im ZDF, Deutschland werde eine Null-Toleranz-Politik gegenüber gewalttätigen Demonstranten verfolgen.

[http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,486411,00.html]