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2007-06-03

"Es ist nur ein glücklicher Zufall, dass kein Polizist von Demonstranten ermordet wurde"

Rostock und die Demokratie
VON FRANZ SOMMERFELD, 03.06.07, 17:13h, AKTUALISIERT 03.06.07, 17:14h

Es ist nur ein glücklicher Zufall, dass am 2. Juni 2007 in Rostock kein Polizist von Demonstranten ermordet wurde, – just an dem Datum also, an dem alle Zeitungen an den vor vierzig Jahren von einem Polizisten erschossenen Demonstranten Benno Ohnesorg erinnerten. Dagegen ist es kein Zufall, dass NPD-Aktivisten die Rostocker Ausschreitungen mit einer illegalen Demonstration durch das Brandenburger Tor in Berlin unterstützten. Denn die Neonazis und die Autonomen vom schwarzen Block verbinden die Verachtung für diese Republik und die Geringschätzung menschlichen Lebens. Dass sie sich bekämpfen oder genauer, miteinander konkurrieren, ändert an den inhaltlichen Übereinstimmungen nichts.

Trotzdem konnte sich das Attac-Bündnis nicht einmal nach den bürgerkriegsähnlichen Ereignissen von Rostock zu einer grundsätzlichen Ablehnung des schwarzen Blocks durchringen. Dieselben Demonstranten, die Nationaldemokraten in ihren Reihen nicht dulden, halten die Autonomen doch noch irgendwie für ihresgleichen. Vornehm verurteilt Attac die Eskalation „auf beiden Seiten“, um „insbesondere“ die Polizei wegen „der Übergriffe“ zu kritisieren. Wenn dann noch Demonstrationsorganisator Monty Schädel den fehlenden Einsatz polizeilicher Deeskalationsteams beklagt, klingt das nur noch zynisch. Andere Sprecher der Demonstranten ergänzten vorwurfsvoll, die Polizei habe Demonstranten „geschubst“.

Mögliches Fehlverhalten der Polizei ist nicht zu rechtfertigen. Doch alle Beteiligten wissen, dass es sich bei den Autonomen nicht um einen Zirkel besonders sensibler, vom Elend der Welt gezeichneter Menschen handelt, sondern um Gewalttäter, die gut organisiert und vernetzt die Auseinandersetzung mit dem von ihnen bekämpften Staat suchen. Sie brauchen keinen Anlass, um Polizisten anzugreifen und schwer zu verletzen, sie schaffen sich diese Anlässe selbst.

Am 2. Juni hat der Berliner Polizeipräsident Dieter Glietsch einen Kranz an dem Ort niedergelegt, an dem Ohnesorg starb, und damit sein Bedauern ausgedrückt. Das ist sicher zu spät. Attac muss nicht so lange warten. Werden die Sprecher des Bündnisses die verletzten Polizisten im Krankenhaus besuchen, um ihnen ihr Mitgefühl auszusprechen, wenn sie sich schon nicht für ihren Einsatz bedanken wollen?

Die Rostocker Krawalle sind ein Einschnitt. Sie liefern die Rechtfertigung für den dämlichen Zaun rund um Heiligendamm, das Symbol dieses deutschen G-8-Gipfels, und die – unter normalen Verhältnissen – unangemessenen Demonstrationsverbote. Jeder hat das Recht, gegen einen solchen Gipfel zu protestieren. Niemand hat das Recht, ihn zu verhindern oder auch nur zu blockieren. Demonstrationen dienen in Demokratien dazu, öffentliche Meinung zu beeinflussen, Mehrheiten zu gewinnen und Wahlen zu beeinflussen. Dort liegt die Scheidelinie gegenüber den Autonomen.

Denn diese bekämpfen die Demokratie und ihre Institutionen. Wie einst die Terroristen von der Baader-Meinhof-Gruppe gefallen sie sich in der totalitären Anmaßung, Herren des Geschehens zu sein. Wenn sich die Protestbewegung nicht deutlich von ihnen abgrenzt, wird sie vom antidemokratischen Geist des schwarzen Blocks angesteckt werden. Dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch die NPD gegen die Globalisierung mitmarschieren darf.

[http://www.ksta.de/html/artikel/1179819733373.shtml]