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2006-12-28

"Haidi Giuliani kritisiert Polizei in Rostock"

Pressemitteilung Gipfelsoli Infogruppe
28. Dezember 2006

Haidi Giuliani kritisiert Polizei in Rostock

„Es ist nicht nur legitim, sondern unabdingbar gegen die G8 zu protestieren“

Haidi Giuliani, die Mutter des beim G8 in Genua 2001 erschossenen Carlo Giuliani, verfasste diese Woche eine Stellungnahme zur Polizei-Vorbereitung auf den G8 in Heiligendamm.

Haidi Giuliani ist Vorsitzende des „Komitee Piazza Carlo Giuliani“. Zusammen mit anderen Nichtregierungsorganisationen, Verbänden, Anwälten und Aktivisten arbeitet das Komitee an der Aufklärung der Todesschüsse auf Carlo Giuliani. Seit Herbst 2006 ist sie Senatorin im Parlament in Rom.

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Haidi Giuliani

Die Polizeiführung in Genua hält daran fest, das die tödlichen Schüsse von Mario Placanica, einem damals 19jähriger Carabiniere, abgegeben wurden. Er habe aus Notwehr gehandelt.

Seine Polizeieinheit hat allerdings nach Auflösung einer angemeldeten Demonstration eine Gruppe von Aktivisten gezielt angegriffen, darunter Carlo. Giuliano Giuliani, der Vater von Carlo, geht davon aus, dass sein Sohn nicht aus Notwehr erschossen wurde. Die These belegt er mit einem Video, das 2006 fertiggestellt wurde.

Brisant: Kürzlich gab Placanica einer kalabrischen Zeitung zu Protokoll, dass er zwar schoß, aber nicht auf Carlo Giuliani. Dies untermauert die These, dass entgegen polizeilichen Behauptungen weitere Personen in dem Jeep fuhren, aus dem Carlo erschossen wurde.

Polizei und Carabinieri gingen in Genua massiv gegen jede Art von Protest vor. Es gelang zumeist nicht, die Polizisten zu identifizieren und anzuklagen. In Italien gibt es – wie in Deutschland – keine Kennzeichnungspflicht von Beamten.

„Immerhin laufen seit 2 Jahren Hauptverhandlungen gegen 78 Polizeiführer und Einsatzleiter wegen Beweismittelfälschung, Falschaussagen, Misshandlungen, Benutzung nicht legitimer Waffen etc.“, sagt Andrea Brigante von der Gipfelsoli Infogruppe. Mehrere Hundert Globalisierungskritiker aus aller Welt wurden bereits als Zeugen angehört.

„Vor dem G8-Gipfel in Genua haben deutsche Politiker und Polizeibehörden die Stimmung angeheizt“, erklärt Brigante.

Die italienische Polizei bekam Datensätze polizeibekannter deutscher Globalisierungskritiker. Vielen Deutschen wurde sogar von deutschen Sicherheitsbehörden die Ausreise nach Italien verwehrt. Berlins Innensenator Körting damals: „Es gibt in Deutschland kein Grundrecht auf Ausreise“.

„Die größte Unverfrorenheit war die Sicherheitskonferenz SECON, die im November in Rostock stattfand“, so die Infogruppe weiter.

Auf Einladung des Innenministeriums Schwerin trafen sich Vertreter der G8-Staaten um Verabredungen gegen den Protest zu treffen. Nach Medienberichten haben ‚Polizei- und Sicherheitsexperten’ über ‚Sicherheitskonzepte früherer und künftiger Gastgeberländer’ gesprochen und ‚Erfahrungen und Planungen ausgetauscht’. Reisesperren für ausländische und deutsche Demonstranten wurden verabredet.

„Nun wird die italienische Polizei durch den G8-Einsatzleiter Knut Abramowski als kompetenter Gesprächspartner zur Bewältigung von Gipfelprotest gehandelt. Das ist ein Schlag ins Gesicht für viele, die sich seit 5 Jahren um Aufklärung der Polizeigewalt in Genua bemühen“, schließt die Gipfelsoli Infogruppe.

[Andrea Brigante, Mandy Hartmann, Matthias Monroy]

Erklärung von Haidi Giuliani im Wortlaut

Mit Sorge habe ich gehört, dass die Polizei in Deutschland bereits seit einem Jahr mit über 100 Polizisten an der Vorbereitung des G8 2007 arbeitet. Wozu braucht es 1 1/2 Jahre vor einem Gipfel so viele Polizisten? Woran arbeitet der Sonder-Stab ‚Kavala’?

In Genua hat die Polizei vor dem G8-Gipfel 2001 eine Atmosphäre der Angst und Spannung verbreitet. In Pressemitteilungen wurde suggeriert, der Protest gegen den G8 sei gewalttätig. Das Gerücht wurde verbreitet, die Polizei hätte vorsorglich 100 Leichensäcke bestellt. Eine kleine Bombe explodierte unter einem Kleinwagen; diese dubiose Aktion wurde nie aufgeklärt, stattdessen zur Delegitimierung der anreisenden Demonstranten benutzt.

Am Ende war es die Polizei, die die Situation eskalierte: Durch den Angriff auf eine genehmigte Demonstration, 6.200 Gasgranaten in 2 Tagen, brutale Prügellattacken gegen jeden Protest, einen Überfall auf schlafende Demonstranten in der Diaz-Schule.

Carlo hat versucht, sich gegen einen dieser Polizeiangriffe zu wehren. Dafür wurde er erschossen.

In einer Pressekonferenz hat der Chef von ‚Kavala’, Knut Abramowski, offensichtlich gesagt dass die Sicherheit der Staatsgäste wichtiger sei als die Durchsetzung des Demonstrationsrechts. Warum?

An die BewohnerInnen der Region Rostock, wo der G8-Gipfel stattfindet, richte ich die Bitte: Misstrauen Sie den Verlautbarungen der Polizei. Einer Institution, die den Protest gegen den G8 als anderen Interessen nachrangig bezeichnet, können Sie nicht vertrauen.

Diejenigen, die am besten über die Proteste gegen den G8 berichten können, sind die Demonstranten selbst. Fragen Sie nach den Beweggründen der Demonstranten!

Und an die Landesregierung: wer übernimmt die politische und finanzielle Verantwortung für den 15 Millionen Euro teuren Sicherheitszaun? Jener Zaun, der das Hotelgelände noch mehr privatisiert, und damit den Einwohnern und Besuchern – letztlich auch dem Protest – entzieht?

Ein G8-Gipfel ist kein beliebiges Großereignis. Es ist ein Treffen der Repräsentanten von 8 Staaten, die sich selbst als die weltweit wichtigsten deklarieren. Auch hier sollte großes Misstrauen selbstverständlich sein!

In Genua ist inzwischen gerichtsfest, dass die Polizei Beweismittel manipuliert, Demonstranten misshandelt und die Gewalt provoziert hat. Auch der Mord an Carlo ist längst nicht aufgeklärt; es gibt zahlreiche offene Fragen, viele Indizien dafür dass der Schuß nicht aus Notwehr, sondern Kalkül abgegeben wurde.

5 Jahre nach dem Gipfel werden wir nicht aufhören dafür zu sorgen, dass diese Beweise vor Gericht und in der Öffentlichkeit Berücksichtigung finden.

Mit dem ‚Komitee Piazza Carlo Giuliani’ wollen wir zeigen, dass es zur Geschichtsschreibung des G8 in Genua andere Perspektiven als die der Polizei gibt.

Es ist nicht nur legitim, sondern unabdingbar gegen die G8 zu protestieren.

[Haidi Giuliani, Dezember 2006, Übersetzung: www.supportolegale.de]

Quellen:

Erklärung auf italienisch

Con preoccupazione apprendo che in Germania 100 agenti di polizia già da un anno lavorano alla preparazione del G8 2007. Come mai c’è bisogno di tanti poliziotti un anno e mezzo prima del vertice? A cosa lavora la squadra speciale “Kavala”?

A Genova polizia e carabinieri hanno creato un clima di paura e tensione. Nei comunicati stampa si suggeriva l´idea che la protesta contro il G8 sarebbe stata violenta. Si diffondevano le voci che le forze dell’ordine avevano ordinato 100 sacchi da morto. Una piccola bomba era esplosa sotto un’auto; su questo oscuro episodio non è mai stata fatta luce, lo si è invece utilizzato per diffamare i manifestanti in viaggio verso Genova.

Alla fine sono state le forze dell’ordine ad essere responsabili dell’escalation di violenza: con la carica a un corteo autorizzato, l’utilizzo di 6200 lacrimogeni in 2 giorni, brutali pestaggi contro tutte le forme di protesta, l’aggressione a manifestanti che dormivano nella scuola Diaz.

Carlo ha tentato di resistere ad uno di questi attacchi dei carabinieri. Per questo è stato ucciso.

In una conferenza stampa il responsabile di “Kavala” Kurt Abramowski ha pubblicamente dichiarato che la sicurezza degli ospiti internazionali è più importante dell’esercizio del diritto a manifestare. Perchè?

Agli abitanti della regione di Rostock, dove avrà luogo il G8, dico: diffidate dei proclami delle forze dell’ordine. Non potete prestare fiducia ad un’istituzione che considera la protesta contro il G8 secondaria rispetto ad altri interessi.

Sono i manifestanti stessi a potervi informare con maggiore attendibilità sulle proteste contro il G8. Chiedete a loro quali sono i motivi che li spingono a protestare!

E al governo regionale: chi si assume la responsabilità politica e finanziaria del muro di protezione da 15 milioni di euro? Quel muro che privatizza ancora di più l’area alberghiera, e in tal modo la sottrae ad abitanti e visitatori -oltre che alla protesta?

Il G8 non è un grande evento qualsiasi. É un incontro dei rappresentanti di 8 stati che si autoproclamano i più importanti al mondo. Anche questo dovrebbe suscitare legittima diffidenza!

Al tribunale di Genova si sta dimostrando che le forze dell’ordine hanno manipolato prove, hanno abusato dei manifestanti e hanno provocato la violenza. Anche l’omicidio di Carlo è lungi dall´ essere stato chiarito: ci sono tutta una serie di questioni aperte, molti indizi dimostrano che il colpo non è partito per legittima difesa ma che dietro c’era un calcolo.

5 anni dopo il vertice non smettiamo di impegnarci affinchè queste prove vengano prese seriamente in considerazione dai giudici e dall’opinione pubblica.

Con il comitato Piazza Carlo Giuliani vogliamo dimostrare che ci sono altre versioni dei fatti del G8 a Genova rispetto a quella delle forze dell’ordine.

Protestare contro il G8 non è solo legittimo, è imprescindibile.

Haidi Giuliani.


Images:

Haidi Giuliani
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